Daheim im Reich
von Dieter Haupt
Magazin "der rechte rand" - Ausgabe 165 - März/April 2017
Deutschlands bekanntester »Reichsbürger« kommt aus Sachsen-Anhalt – der selbsternannte »König von Deutschland«. Doch er ist in dem Bundesland nicht allein.
Wer im Internet nach dem Begriff »Königreich Deutschland« sucht, wird schnell fündig. Bis vor kurzem residierte der selbsternannte Herrscher und »Oberste Souverän« Peter Fitzek – im bürgerlichen Leben ist er gelernter Koch – in der Lutherstadt Wittenberg. Dort hielt er mit seinen AnhängerInnen auf einem ehemaligen Krankenhausgelände Hof und ließ sich zum König ausrufen. Neben einer eigenen Krankenkasse hatte er auch eine eigene Bank gegründet, die unter den Augen der Öffentlichkeit ihre Pforten in der Wittenberger Innenstadt öffnete. Inzwischen ist das Königreich Fitzeks jedoch perdu, er selbst steht vor Gericht. Große Teile des in seine Bank eingelegten Geldes sind spurlos verschwunden.
»König« in Haft
Jahrelang galt für Fitzek so etwas wie Narrenfreiheit. Er fuhr ohne Führerschein Auto und betrieb ein Gewerbe ohne Gewerbeschein. Die zuständigen Behörden verwiesen auf zu klärende Zuständigkeiten und taten sich schwer, Fitzek in die Schranken zu weisen. Derweil führte er »Spiegel TV« und andere Medien durch sein Reich und schwadronierte von der Errichtung eines wahren Staates. Politik und Medien galt Fitzek als Querulant und Spinner mit Nervfaktor, aber letztlich als harmlos. Manche hielten ihn für ein Maskottchen der »Reichsbürger«-Szene. Dass Fitzek zu Beginn der 2000er Jahre antisemitische Schriften auf Veranstaltungen bewarb und in seinem Esoterik-Laden in Wittenberg rechte Literatur anbot, erfuhr die Öffentlichkeit dagegen nicht.
»Staat Ur«
Reuden ist ein Ortsteil der Stadt Zerbst in Sachsen-Anhalt. Hier war der »Staat Ur« ansässig. Gebieter dieses angeblichen Staates, der die Größe eines Einfamilienhauses nebst Grundstück umfasste, war Adrian Ursache. Der Mann, der einmal »Mister Germany« war, bestreitet, ein »Reichsbürger« im engeren Sinn zu sein. Im August 2016 ließ Ursache einen Streit um eine Zwangsvollstreckung bis zu einem Schusswechsel zwischen ihm und der Polizei eskalieren. Zuvor waren mehrere Anläufe der Behörden, ihm Vollstreckungsmaßnahmen anzukündigen, nicht umgesetzt worden. Für einen angekündigten Räumungstermin seines Grundstückes hatte er seine AnhängerInnen mobilisiert, auf seinem Grund zu zelten, um ihn zu unterstützen. Doch zur Räumung kam es an diesem Tag nicht. Stattdessen entwickelte sich am 24. August 2016 rund um das Grundstück ein regelrechtes Happening. Eingefunden hatten sich zahlreiche UnterstützerInnen. Doch nicht nur AnwohnerInnen stärkten Adrian Ursache den Rücken, sondern auch Neonazis aus der Region und die bundesweit vernetzte Szene der »Reichsbürger«. Unter ihnen auch Wolfgang P., der wenig später im bayerischen Georgensgmünd auf Polizisten schoss, einen Beamten tötete und drei weitere verletzte. Die regionale Neonazi-Szene war, wie AntifaschistInnen recherchierten, unter anderem durch den NPD-Kader Steffen Thiel aus dem Burgenlandkreis vertreten. Während Ursache umringt von UnterstützerInnen Interviews gab, tummelten sich im Hintergrund Neonazis wie Martin Christel, Inhaber des Black Metal Versands »Pesttanz Klangschmiede«, aber auch Ronald Pieper, der noch 2009 für die NPD in Eisleben Wahlkampf machte und jetzt als »Kommissar« im erfundenen »Amt für Menschenrechte Lutherstadt Eisleben« agiert. Seit Ursache seiner Räumung im vergangenen Jahr mit Waffengewalt entgegentrat, gilt er in der Szene als Kultfigur. Ein Video, das ihn in einem Wortgefecht mit der Polizei zeigt, war zwischenzeitlich zum Youtube-Hit aufgestiegen.
Antisemitischer Druide
Die letzten Nachrichten von »Reichsbürgern« aus Sachsen-Anhalt betreffen den selbsternannten »Druiden« Burkhard Bangert (»Burgos von Buchonia«). Er ist jedoch kein harmloser Miraculix, sondern offenbar ein rasender Antisemit mit Vernichtungsphantasien. In der Nähe von Querfurt soll er sich längere Zeit auf einem Gehöft aufgehalten haben, auf dem die Generalbundesanwaltschaft im Januar 2017 eine Durchsuchung wegen des Verdachts der Bildung einer terroristischen Vereinigung anordnete. Offenbar wurde auch hier nach Waffen gesucht.
Verharmlost
Die Szene der »Reichsbürger« ist mit diesen genannten Beispielen nicht hinreichend beschrieben. In Stendal wurden Polizisten vom Dienst suspendiert, da sie als »Reichsbürger« agierten. Ob es dem Innenministerium gelingt, die Entlassung der Polizisten aus dem Beamtenstatus zu erreichen, ist derzeit noch offen. Die Sicherheitsbehörden haben die Szene über Jahre gewähren lassen und öffentlich verharmlost. Insbesondere die ideologische und organisatorische Bindung an die extreme Rechte wurde lange unterschätzt oder sogar geleugnet. Dass in dieser schillernden Szene gewaltbereite AntisemitInnen, Neonazis und RassistInnen den Ton angeben, und es ihnen politisch um mehr geht, als den skurrilen Schein der Märchenwelt à la Peter Fitzek, ist inzwischen klar.