»Die AfD ist die einzig wählbare Partei«

von Andreas Speit

Magazin "der rechte rand" Ausgabe 167 - Juli 2017

Ein Verein in Deutschland macht Gratis-Werbung für die »Alternative für Deutschland«. Eine Agentur aus der Schweiz hilft bei der Kampagne.

 

»Bewusst parteipolitisch ungebunden«. Mit diesen drei Worten beschreibt der Vorsitzende David Bendels das Selbstverständnis des Vereins. Die »politische Meinungsbildung« und die »demokratische Debattenkultur« wollen man in Deutschland fördern, betont er. Schon öfter zeigte der »Verein zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit und bürgerlichen Freiheiten« allerdings, mit wem er debattieren mag und wen er besonders fördern möchte. Auf der Burg Lichtenberg (Baden-Württemberg) richtete der Verein am 25. März seine Frühjahrstagung aus. Unterstützt vom »Studienzentrum Weikersheim« (SZW). Der Stargast: Thilo Sarrazin. Unter den TeilnehmerInnen: Alice Weidel. Der Vereinsvorsitzende, der Bestsellerautor und die AfD-Spitzenkandidatin für die Bundestagswahl gruppierten sich gleich für eine Aufnahme. Freundlich lächeln sie in die Kamera.
Der Andrang zu dem Vortrag »Demografie und Einwanderung – Staat und Währung: Wie die Politik versagt« von Sarrazin war so groß, dass die Anmeldeliste »schnell geschlossen werden« konnte, schreibt der Verein auf seiner Website. »Wir sind sehr froh darüber, dass wir gemeinsam mit dem SZW eine derart hochkarätige Veranstaltung durchführen können«, erklärt Bendels dort. »Wir freuen uns wieder einen sehr interessanten Vortragenden auf der mittelalterlichen Burg im Bottwartal begrüßen zu dürfen und unseren Mitgliedern und Freunden eine spannende politische Diskussion bieten zu können«, erklärt ebenso Prof. Dr. Jost Bauch, Präsident des SZW.

68er, Merkel, Seehofer – alles eins
Die »lose Zusammenarbeit« wollen der Verein und die Stiftung im Dezember 2016 vereinbart haben, da »größere inhaltliche Schnittmengen« bestünden. Einen gemeinsamen Feind dürfte sie bei den Besprechungen schnell ausgemacht haben. Hatte doch Hans Filbinger das SZW 1979 gegründet (s. drr Nr. 162), »um die geistige Auseinandersetzung mit der Kulturrevolution von 1968 zu führen«. Knapp ein Jahr zuvor musste der Christdemokrat sein Ministeramt in Baden-Württemberg niederlegen, da bekannt geworden war, dass er als Marinerichter 1943 und 1945 vier Todesurteile beantragt oder gefällt hatte. Die 68er-«Kulturrevolution« möchte auch der Verein seit 2016 zurückdrängen. Eine »überparteiliche Sammlungsbewegung konservativer Kräfte« gegen die »linksorientierten Einrichtungen« will er etablieren. Mehr noch, der Verein mit Sitz in Stuttgart will die »merkelsche Masseneinwanderungspolitik« beenden. »Wir sagen Nein zur ›merkelschen Willkommenskultur‹. Wenn Sie auch dieser Meinung sind, tragen Sie sich bitte hier ein!«, heißt es auf der Startseite ihrer Webpräsenz. Über »14.000 Unterstützer« hat der Verein eigenen Angaben nach mittlerweile.

^ Screenshot der GOAL AG Internetseite – mit Rassismus Geld verdienen

Im vorpolitischen Raum wolle man aber nicht alleine agieren. Basierend auf seinen »Werten« so Bendels, erlaube »sich der Verein« auch trotz des Überparteilichen »bei Wahlen Empfehlungen abzugeben«. Bei dem Feindbild ist die Wahlempfehlung des Vereins keine Überraschung: die AfD. Bendels, bis Juni 2016 Mitglied der CSU und Sprecher der Basisbewegung »Konservativer Aufbruch«, betont im Interview mit der »Jungen Freiheit« (JF) am 12. Mai dieses Jahres: »Die AfD ist (…) momentan die einzig wählbare konservativ-bürgerliche Partei«. In der Wochenzeitung begründet er im Interview auch seinen Parteiaustritt: »Ich konnte den perfiden Theaterdonner der Seehofer-CSU nicht mehr ertragen. De facto folgt die CSU seit Jahren dem linkslastigen Abwärtstrend der CDU«. Den »Bürgern« könne er »nur raten, daß sie insbesondere mit Hinblick auf die katastrophale Masseneinwanderungskrise keinerlei Hoffnungen auf Seehofer und die CSU setzen sollten. Wo CSU draufsteht, ist also Merkel drin. Jetzt und in Zukunft«, meint der ehrenamtliche Vereinsvorsitzende. Und der 32-jährige Politologe und selbstständige PR-Berater versichert sofort: »Nein, ich bin kein Mitglied der AfD« und erklärt sogleich: »Nein. Es gab und gibt keinerlei Absprachen mit der AfD«.

Ahnungslosigkeit und Profit
Das doppelte Nein gegenüber dem Chefredakteur der JF, Dieter Stein, musste sein. Ein Ja hätte der AfD wahrscheinlich einen großen Parteispenden-Skandal beschert und vermutlich rechtliche Konsequenzen nach sich gezogen. Denn schon nach den ersten Wahlkampfhilfen stand der Verein im Verdacht, als ein Vehikel zur Umgehung des deutschen Parteiengesetzes dienen zu könnte. Nach dem Gesetz muss eine Partei Spenden über 10.000 Euro am Ende des Jahres offenlegen, Spenden über 50.000 Euro müssten sofort angezeigt werden. Bei den Landtagswahlkämpfen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Mecklenburg-Vorpommern und Berlin hat sich der Verein massiv für die AfD eingesetzt: mit Gratis-Extrazeitungen, Groß-Plakaten und Video-Spots. Zuletzt griff der Verein bei dem Kampf um die Parlamentssitze in Schleswig-Holstein ein. An vielen Straßen standen ihre blau gehaltenen Plakate gegen Einwanderung, Islam und Merkel mit der Empfehlung: »Jetzt AfD wählen!« oder »Besser AfD wählen«. Als Impressum wurde die Vereinswebadresse angeben. Auch das »Extrablatt« wurde an Haushalte im Lande verteilt – rund 375.000 Stück.
Der «Deutsche Rat für Public Relation« sprach im Dezember 2016 von einer »offensichtlich beabsichtigten Verschleierungstaktik« und rügte den Verein. Ulrich Müller von der Plattform »Lobbycontrol« sagte zu »Die Wochenzeitung« (WOZ): »In den letzten zehn Jahren gab es in Deutschland keinen vergleichbaren Fall, bei dem in einem solchen Ausmaß verdeckte Wahlwerbung gemacht wurde. Über eine fragwürdige Konstruktion wird mutmaßlich Werbung in Millionenhöhe für eine Partei gemacht.«
AfD-PolitikerInnen geben sich in guter Regelmäßigkeit auf Nachfragen zu dieser Wahlkampfunterstützung unwissend. Gern wird behauptet, den Verein gar nicht zu kennen. Nach dem Einzug der AfD in den nordrhein-westfälischen Landtag bestritt Bundesvize Alexander Gauland jegliche Zusammenarbeit mit dem Verein: »Wir sehen kein Geld, wir kriegen kein Geld, uns fragt niemand, wir haben nichts damit zu tun.« Laut WOZ werden in Nordrhein-Westfalen die Kosten auf bis zu vier Millionen Euro geschätzt. »Es gab keine Absprachen«, sagt auch der schleswig-holsteinische AfD-Landesschatzmeister Bernhard Noack. Die Hilfe des Vereins in Schleswig-Holstein war ihm offenbar unangenehm – als einzigem im Vorstand. Mit seinem Wunsch, die Plakate des Vereins abnehmen zu lassen, stieß er auf Ablehnung.

Geldquellen und Netzwerk
Aus welchen Kreisen das Geld für die Arbeit des Vereins kommt, deutet Bendels gerne an: aus der mittelständischen Wirtschaft und Industrie. Früher hätten sie mit ihren Spenden CDU und FDP finanziell unterstützt. Der PR-Mann nennt aber keine Namen. Ebenso lässt er offen, wer den Anstoß für den Verein gegeben hat. Einer der ersten Ansprechpartner des Netzwerkes war Josef Konrad – ein Werber, Mitglied der bayrischen AfD und ehemaliger Schatzmeister seiner Kreispartei. Im Februar 2016, kurz bevor die Vereinigung erstmals mit »Extrablättern« auf sich aufmerksam machte, meldete er in Leipzig die »Polifakt Medien GmbH« an, die seither den Werbemittelshop der AfD betreibt. Im April 2016 ließ Konrad in der »Neuen Zürcher Zeitung« (NZZ) ein halbseitiges Inserat der Vereinigung schalten, auf dem Angela Merkel als betrügerische Hütchenspielerin zu sehen ist. Auf der Website des Vereins liegt ein Plakat zum Downloaden, auf dem die Bundeskanzlerin mit drei »Hütchen«, auf denen die türkischen Staatszeichen abgebildet sind, spielt. »Merkel mogelt weiter! Wie lange noch?«, ist zu lesen. Die Werbung in der NZZ soll 16.000 Schweizer Franken gekostet haben.
Nach Konrad trat das ehemalige Mitglied der Partei »Die Republikaner«, Michael Paulwitz, für den Verein in Erscheinung, bevor dann David Bendels übernahm. Nichts gewusst über diesen Verein und seine Unterstützung? Dass die AfD zumindest teilweise über diese Aktivitäten informiert war, lässt sich aus einer Mail des Landesvorstands der AfD in Mecklenburg-Vorpommern vom Februar 2016 schließen. In der Mail wird von einer Sitzung mit Konrad berichtet, bei der er »aus seinen Erfahrungen in den aktuellen Wahlkämpfen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz berichten konnte«. Konrad bestätigt, mit »Extrablättern« und Plakaten im Wahlkampf aktiv gewesen zu sein, will jedoch keine Absprachen mit ParteikollegInnen über die Aktivitäten getroffen haben. Bundesvorsitzender und Fraktionschef der AfD in Baden-Württemberg, Jörg Meuthen, musste unlängst jedoch einräumen, dass es direkte Kontakte zwischen der AfD und der »Goal AG« gibt. Im Kampf um die Landtagssitze in Stuttgart verantwortete diese seine Website.
Die »Goal AG« arbeitet mit dem Verein zusammen. Der WOZ bestätigt Bendels die Zusammenarbeit: »Ich bin ehrenamtlich für den Verein tätig, natürlich brauche ich im Hintergrund eine professionelle Agentur«. Zu der AG von Alexander Segert wird auch die Vereinspost weitergeleitet, berichtet die »Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung« In das schweizerische Andelfingen, zu einem Einfamilienhaus. Gemäß dem Handelsregister befindet sich in dem Ort auch der Sitz der »Goal AG«.

Swiss Connection
Nun ist die »Goal AG« keine willkürlich ausgewählte und beauftragte Werbeagentur, sondern seit Jahrzehnten die kreative Gestalterin der Kampagnen der Rechtspartei »Schweizerische Volkspartei« (SVP). Betreiber der Agentur ist Alexander Segert. Nach Zürich ging der gebürtige Hamburger 1985, um Geschichte zu studieren. Zu Schulzeiten sympathisierte er mit der »Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend«, wandte sich in der Schweiz dem »Verein zur Förderung der Psychologischen Menschenkenntnis« (VPM) zu. Der Verein machte sich für eine repressive Drogenpolitik stark. Diese Ansicht teilte der Herausgeber der nationalkonservativen »Schweizerzeit«, Ulrich Schlüer. Er setzt auf Segert, der für mehrere von Schlüer lancierte Blätter wie »Christ und Bürger« und auch für das SVP-Organ »Zürcher Bote« schrieb. Seine neuen Themen: »Ausländerkriminalität« und »Islamisierung«. Berichten soll ihm aber nicht genügt haben, er wollte handeln und steuern. Die Autoren der WOZ verweisen auf eine Aussage vom ihm, bald dort zu wirken: »wo Entscheide gefällt und Strategien beschlossen werden«. Über private Kontakte zu dem Werber Hans-Rudolf Abächerli stieg er bei dessen Agentur ein. Sein Büro entwarf das »SVP-Sünneli« (eine lächelnde, aufgehende Sonne) und gestaltete 1993 ein Plakat, das als Zäsur in der Politpropaganda des Landes gilt. Zu dem Slogan »Das haben wir den Linken und den ›Netten‹ zu verdanken: mehr Kriminalität, mehr Drogen, mehr Angst«, hatte sie schemenhaft eine dunkle Messerstechergestalt abgebildet, die eine Frau bedroht. Kurz nach dieser für die SVP erfolgreichen Kampagne ging Abächerli in Pension. Segert nahm seine Nachfolge in der Werbeagentur an, die mittlerweile als Goal AG firmiert. Die AG mit dem Slogan »Wir wollen ihren Erfolg!« wirbt auf ihrer Webseite offen mit SVP-Kampagnen gegen die »Masseneinwanderung« und Minarette. Seit 2008 versucht Segert, seine Kampagnen auch im Ausland zu verkaufen, berichtet die WOZ. Damals soll er laut Handelsregister den Zweck seiner Firma entsprechend geändert haben. Den »Vlaams Belang« (VB) beriet er in Belgien schon. »Segert ist nicht billig, aber er ist sei Geld wert«, sagt Filip Dewinter. Dreimal habe der Goal-Inhaber Kampagnen mit ihnen besprochen, so der Vorsitzende des VB. Laut eigenen Angaben gehört auch die »Freiheitliche Partei Österreichs« zu den Kunden der »Goal AG«. In Deutschland setzt sich Segert über den Verein für die AfD ein. Regelmäßig sagt Bendels, reise er zu ihm und seinem Team. Der WOZ antwortet Segert schriftlich, von dem Verein »immer wieder Teilaufträge« zu erhalten. Bereits beim Start wären sie für die »Konzeptionierung der Webseite sowie der Vereinszeitung« zuständig gewesen und hätten das »Know-how beim Plakatplaning« bereitgestellt. Das Fazit der WOZ: »Wer die Teilaufträge zusammenzählt, merkt schnell: Sämtliche Werbung kommt von Segert.« In der JF verspricht Bendels beim Bundestagswahlkampf erneut mitzuwirken: »Wir befinden uns momentan in der finalen Planungsphase für die Bundestagswahl«. Eine Win-Win Situation für alle Beteiligten; die AfD profitiert von der kostenlosen Wahlwerbung, die deutschsprachige Rechte von der Vernetzung und Segert profitiert ökonomisch und hat endlich seine Gestaltungsmacht.