Thüringen

von Ernst Kovahl


Magazin "der rechte rand" Ausgabe 167 - Juli 2017

Die »Alternative für Deutschland« in Thüringen ist fest in der Hand des Rechtsaußen Björn Höcke. Partei und Landtagsfraktion verbinden Straßenmobilisierungen und das Parlament als Bühne für völkische Agitation.

Lange war spekuliert worden, ob der Vorsitzende der Thüringer »Alternative für Deutschland« (AfD) und ihrer Landtagsfraktion, Björn Höcke, für den Bundestag kandidieren würde. Er ist schließlich bundesweit eines der bekanntesten Gesichter der Partei. Für den völkischen Flügel ist er eine Galionsfigur, für die Bundesvorsitzende Frauke Petry der schärfste Gegner. Höcke hat in der AfD viele UnterstützerInnen, die sich als Strömung unter dem Namen »Der Flügel« zusammengeschlossen haben. Und ihm gelingt es, zu mobilisieren. Zwischen Herbst 2015 und Frühjahr 2016 waren Woche für Woche Tausende zu Kundgebungen gekommen. Vor dem Erfurter Dom oder dem Thüringer Landtag spielten sich gespenstische Szenen ab. Aufgeputscht brüllten bis zu 6.000 Menschen im Dunkeln »Merkel muss weg!« oder skandierten »Lügenpresse, Lügenpresse!« Auf einer kleinen, aber gut ausgeleuchteten Bühne inszenierten sich Höcke und andere RednerInnen als Massenagitatoren. Am Rande der Aufmärsche wurden GegendemonstrantInnen zusammengeschlagen und JournalistInnen bedroht. Allein zwischen September 2015 und Mai 2016 wurden am Rande der Veranstaltungen von der Polizei mehr als 43 rechts motivierte Straftaten registriert, darunter Körperverletzungen, Landfriedensbrüche, Verstöße gegen das Waffen- und Sprengstoffgesetz sowie das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen.

Rechte Hetze
Doch Höcke entschied sich, in Thüringen zu bleiben. Für ihn sicher die richtige Entscheidung, denn hier kann er in Partei und Fraktion als unangefochtener Herrscher agieren. Seine Reden und Auftritte sorgen immer wieder für Aufregung und Skandale. Kaum einer der anderer sieben Abgeordneten der Fraktion (Wiebke Muhsal, Stephan Brandner, Olaf Kießling, Stefan Möller, Corinna Herold, Jörg Henke, Thomas Rudy) kann ihm das Wasser reichen. In einer künftigen Bundestagsfraktion wäre er statt Chef und Frontmann nur mehr einer unter vielen, umgeben von KonkurrentInnen.
Bei der Landtagswahl am 14. September 2014 hatte die Partei 99.545 Zweitstimmen geholt – das entsprach 10,57 Prozent und brachte 11 Sitze. Drei Abgeordnete (Siegfried Gentele, Jens Krumpe, Oskar Helmerich) verließen die Fraktion bald nach der Wahl aufgrund des strikten Rechtskurses. Das parlamentarische Handwerk als pöbelnde, rechte Opposition hat die AfD hier schnell gelernt – ihre Kernthemen: rassistische Hetze, Gender-Themen und das angebliche Versagen der »Altparteien«. Die ausführliche Darstellung in den Medien, Eklats und öffentliche Veranstaltungen sichern der Partei eine große öffentliche Präsenz. Höckes Reden sind durchsetzt mit Bezügen auf die Debatten der »Neuen Rechten«, zu der es durch Götz Kubitschek und sein »Institut für Staatspolitik« einen engen Draht gibt. Bei Umfragen kletterte die Partei Ende 2016 auf 21 Prozent, mittlerweile ist sie auf 13 Prozent zurückgefallen. Auf kommunaler Ebene ist die Partei in Thüringen bisher bedeutungslos. Bei den Wahlen im Mai 2014 kandierte sie nur in Erfurt, im Weimarer Land und Crossen.
Für die Bundestagswahl 2017 kandidiert nun als Spitzenkandidat Stephan Brandner, Rechtsanwalt aus Gera und stellvertretender AfD-Fraktionsvorsitzender im Landtag. Auf der rein männlich besetzten Liste folgen Rechtsanwalt Jürgen Pohl (Mühlhausen), der Informatiker Marcus Bühl (Ilmenau), der Arzt Robby Schlund (Gera), der Politikwissenschaftler Anton Friesen (Erfurt), der Chemiker Jens Dietrich (Ilmenau), der Therapeut Andreas Gebhardt, (Straußfurt) und der Bauingenieur und Makler Torsten Ludwig (Schleusingen).

Angriff auf DGB und Linke
Der zweitplatzierte auf der Bundestagsliste, Pohl, ist Mitbegründer des »Alternativen Arbeitnehmerverbands Mitteldeutschland« (ALARM!), der gemeinsam mit der Thüringer AfD am 1. Mai 2017 in Erfurt aufmarschierte. Etwa 1.200 Menschen waren dem Aufruf »Sozial ohne rot zu werden!« gefolgt. Höcke sowie dessen Büroleiter in der Landtagsfraktion, Gerhard Siebold, hatten die Veranstaltung angemeldet, zu der TeilnehmerInnen aus mehreren Bundesländern kamen. Unter ihnen waren Neonazis, »Identitäre« und PEGIDA-Gründer Lutz Bachmann. Auf der Kundgebung gegen die »kommunistische Landesregierung« in Thüringen kündigte Höcke einen »knallharten Anti-Establishment Wahlkampf« an. Pohl sagte in seiner Rede, die AfD wolle den 1. Mai den »Arbeiterverräter« entreißen. Für den Aufmarsch hatte die Thüringer AfD mit einer Grafik geworben, auf der ein Anstreicher mit einer SA-ähnlicher Mütze das Rot der Gewerkschaften mit AfD-blauer Farbe überstrich. Möglicherweise hat das Bild Jirka Buder gestaltet, der seit einigen Monaten als Grafiker und Mediengestalter für die Fraktion arbeitet. Er kann auf eine bewegte Vergangenheit in der militanten Neonazi-Szene der frühen 1990er Jahre zurückblicken. Auch andere Mitarbeiter der Fraktion kommen aus der extremen Rechten. So arbeitet mit Torben Braga der frühere Bundessprecher der »Deutschen Burschenschaft« ebenso für die Fraktion wie Michael Henkel (s. drr 164), der unter anderem in der neu-rechten Zeitung »Junge Freiheit« oder für die »Förderstiftung Konservative Bildung und Forschung« publizierte. Doch die AfD hat nicht nur Kontakte nach rechts außen. Als sich die Thüringer CDU im Herbst 2014 verzweifelt darum bemühte, die Wahl von Bodo Ramelow als linkem Ministerpräsident zu verhindern, sondierten die Konservativen auf höchster Ebene bei Höcke, ob die AfD im Landtag einem Gegenkandidaten die Stimme geben würde. Am Ende eine erfolglose Episode – doch sie zeigt: Im Notfall verwischen die Grenzen.