Sachsen

von Volkmar Wölk


Magazin "der rechte rand" Ausgabe 167 - Juli 2017

In der Radikalisierungsfalle. Der schmale Platz neben Meier, Przybylla und Mayer.

Machen wir uns nichts vor: Die Zahlen sehen gut aus für die »Alternative für Deutschland« (AfD) in Sachsen, sehr gut sogar. Und doch sind die Funktionäre der Partei nicht zufrieden. Ganz und gar nicht. Denn die Zahlen sahen schon einmal besser aus, deutlich besser. Wenn im Freistaat Sachsen jetzt Landtagswahl wäre, würde die AfD den Umfragen gemäß bei 21 Prozent landen und zweitstärkste Partei nach der CDU werden. Gar nicht so toll, meint die AfD, denn vor einem halben Jahr wurden noch 25 Prozent vorausgesagt. Es sind aber Bundestagswahlen, die anstehen, und dafür prognostizieren die Auguren momentan 18 Prozent. Das wäre ein ordentlicher Schluck aus der Pulle, ein Garant für eine starke Bundestagsfraktion. Wenn die AfD denn überhaupt antreten kann.

Einigkeit im Machtgerangel
Es türmen sich nämlich gleich mehrere Hindernisse auf. Die Gültigkeit der Liste wird angefochten, denn ein ehemaliges Mitglied wollte gegen Frauke Petry um den Spitzenplatz auf der Liste antreten, durfte aber angeblich gar nicht erst in den Saal. Und wenn das Bautzener AfD-Mitglied Arvid Immo Samtleben, der auch gegen die Gültigkeit der letzten Landtagswahl klagt, recht hat, dann könnte der Partei in Sachsen weiteres Ungemach ins Haus stehen. Seiner Ansicht nach ist die Liste nicht ordnungsgemäß gewählt worden, da nicht – wie gefordert – gesonderte VertreterInnen dafür gewählt worden seien. Da erscheint es als eine Lappalie, dass der Kreisverband Sächsische Schweiz Frauke Petry als Direktkandidatin loswerden will. Vor einigen Monaten war sie dort noch nahezu einstimmig nominiert worden. Die Zeiten ändern sich. Die ehemalige Lichtfigur ist aktuell höchst umstritten. Schon lange gibt sie nicht mehr allein die Richtung vor. Sogar im Landesvorstand ist die Mehrheit dünn geworden. Als auf Petrys Betreiben trotz eines gegenteiligen Landesparteitagsbeschlusses ein Ausschlussverfahren gegen den Dresdener Richter Jens Meier, der auf der Liste direkt hinter Petry rangiert, beantragt wurde, distanzierten sich umgehend fünf von zwölf Landesvorstandsmitgliedern in einem offenen Brief von diesem Schritt. Das Begehren auf Ausschluss wurde vorsichtshalber gleich an das Bundesschiedsgericht auf den Weg gebracht. Vor dem sächsischen Schiedsgericht sah man wohl keine Chancen. Währenddessen haben sich führende sächsische AnhängerInnen Petrys eingeigelt. Die Kommunikation findet in einer geschlossenen Chat-Gruppe statt, als »Gruppe Heitmann« benannt, nach dem ehemaligen CDU-Innenminister. Dort wird offen über Spaltung für den Fall des Scheiterns des Petry-Kurses nachgedacht. Dass er einmal zu den »Gemäßigten« in der AfD gehören würde, hat »Gruppe Heitmann«-Mitglied Julian Wiesemann sicherlich nicht gedacht. Ehedem war er Scharfmacher im Parteivorstand der Partei »Die Freiheit«.
Extrem und extremer

Die sächsische AfD befindet sich offenkundig in der so genannten Radikalisierungsfalle. Neue Parteien bekommen nach der Gründung zunächst eine große Medienpräsenz, wenn sie neue Themen besetzen oder wenn sie mit bekannten Namen aufwarten können. Lässt dieser Gründungsboom nach, beginnen in der Regel die Auseinandersetzungen um den einzuschlagenden Kurs. Der Weg in die Mitte ist der Weg in den Mainstream und würde die betreffende Partei unter die Wahrnehmbarkeitsmarke drücken. Den Weg immer weiter nach rechts, den von Bernd Lucke zu Frauke Petry und ihren damaligen Verbündeten, wählte folglich auch die AfD. Soll die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit nicht erlahmen, müssen allerdings weitere Tabubrüche erfolgen. Und danach müssen diese drastischer werden, damit sie noch registriert werden. Erst recht in einem Bundesland, in dem immer noch allmontäglich PEGIDA marschiert und dessen CDU offensichtlich das Erbe der hessischen »Stahlhelmfraktion« angetreten hat. Und so sind es die bisherigen Rechtsaußen der Partei, die sich daran machen, den Ton vorzugeben. In Petrys Wahlkreis wäre das ehemalige CDU-Mitglied Norbert Mayer zu nennen, dem sogar die »Patriotische Plattform« nicht mehr radikal genug erscheint. Er ist immerhin Fraktionsvorsitzender im Stadtrat von Freital. Gleich fast kein Aufsehen erregte es, dass Detlef Spangenberg (Radebeul) auf Platz vier der Bundestagsliste landete. Eigentlich wäre er Alterspräsident des Landtages geworden, wurde aber zurückgezogen, da seine führende Funktion in einer extrem rechten Gruppierung öffentlich geworden war. Inzwischen ist auch bekannt, dass er Spitzel des »Ministeriums für Staatssicherheit« in der DDR gewesen war. Heute ist das kein Grund mehr für einen Karriereknick in der AfD.

Gibt es sie überhaupt noch, die gemäßigte, die »bürgerliche Mitte« repräsentierende AfD? Nun, der Kreisverband Zwickau zumindest behauptet von sich, für dieses Spektrum in der Partei zu stehen. Über Wochen hatte die Mehrheit der Aktiven versucht, den Direktkandidaten im Wahlkreis, Benjamin Przybylla, wegen dessen extrem rechter Aktivitäten zurückzuziehen. Und scheiterte mehrfach dabei. Einer jener »Gemäßigten« ist Kreisrat Frank Neufert. Auf seiner Facebook-Seite prangt das Logo der »Identitären Bewegung« und Werbung für ihre Aktion »Defend Europe«. Dem die »bürgerliche Mitte« vertretenden Kreisvorstand gehört auch Alexander Schwarz an, langjähriger Bassist der Neonazi-Band »White Resistance« aus dem »Blood & Honour«-Umfeld. Schwarz war einer der Führenden des Zwickauer PEGIDA-Ablegers.

Der Platz für Frauke Petry wird also schmaler. Deutlich. Der Landesverband Sachsen erscheint gespalten, die Kräfteverhältnisse sind unklar. Helfen könnte da nur ein unerwartet gutes Ergebnis bei der Bundestagswahl. Die Wahrscheinlichkeit, dass es dazu kommen wird, sinkt gerade. Und zwar rapide.