Im Mainstream angekommen
von Stephen Piggott
Magazin »der rechte rand« - Ausgabe 161 - Juli 2016
In den USA sind antimuslimische Ressentiments und Aktivitäten im Aufwind. Angetrieben von ‹Hate Speech› und Verschwörungstheorien haben sie ihren Weg in den Mainstream gefunden; vor allem während des Wahlkampfes im Vorfeld der Präsidentschaftswahl 2016. Es ist nicht überraschend, dass auf aggressive Rhetorik Handlungen folgen. Amerikanische Muslimas und Muslime sowie jene, die als solche wahrgenommen werden, sind regelmäßig Gewalt und Einschüchterung ausgesetzt. Das in Washington DC ansässige parteiunabhängige »Institute for Policy and Understanding« hat festgestellt, dass antimuslimische Ressentiments nicht etwa nach islamistischen Terrorangriffen stark ansteigen, sondern während der Wahlkämpfe. 2016 ist das nicht anders. Die zwei Spitzenkandidaten der »Republikanischen Partei«, der erfolgreiche Donald Trump und der abgeschlagene Senator Ted Cruz, haben jeweils BeraterInnen mit antimuslimischer Agenda in ihrem Team und sorgen für die Verbreitung solcher Meinungen in der amerikanischen Öffentlichkeit. Wenn Hass Teil des Mainstreams wird, wächst das Potential für Gewalt und Bedrohungen. Dieses vergiftete Klima hat sich schon vor 2015 und 2016 aufgebaut, als solche Rhetorik zunehmend normalisiert wurde. Die ‹Hate Crime›-Statistik des FBI von 2014 zeigt, dass diese in allen Kategorien außer antimuslimischen Vorfällen rückläufig waren. Die »Bridge Initiative« an der Georgetown University hat kürzlich einen Bericht veröffentlicht, der detailliert auf antimuslimische Vorfälle im Jahr 2015 eingeht. Der Bericht umfasst »174 erfasste Vorfälle von antimuslimischer Gewalt und Vandalismus, darunter: 12 Morde, 29 physische Angriffe, 50 Drohungen gegen Personen oder Institutionen, 54 Fälle von Vandalismus oder Zerstörung von Eigentum, 8 Brandstiftungen und 9 Schuss- oder Bombenangriffe sowie weitere Vorfälle.«
»ACT for America«
Die Organisation »ACT for America« (ACT), 2007 von Brigitte Gabriel gegründet, welche regelmäßig Muslimas und Muslime mit TerroristInnen gleichsetzt, ist zu einer der größten antimuslimischen Basisbewegungen erwachsen. Landesweit gibt es eigenen Angaben nach mehr als 1.000 Gruppen mit über 250.000 Mitgliedern. Gabriel behauptet, die Organistation als Antwort auf die Angriffe am 11. September 2001 gegründet zu haben. ACT diene »der Bildung von Bürgern und gewählten Beamten, um Einfluss auf die Politik in Bezug auf nationale Sicherheit und den Sieg über den Terrorismus zu nehmen«. Dabei ist ACT stets dem Ziel treu geblieben, antimuslimische Gesetzgebungen auf der Bundes- und Kommunalebene voranzutreiben und zu unterstützen, sowie gleichzeitig die amerikanische Öffentlichkeit mit Verschwörungstheorien, Ängsten und haltlosen Behauptungen zu versorgen. ACT organisiert einen breiten öffentlichen Widerstand auf der Landes- und Kommunalebene durch Proteste – zum Beispiel gegen Schulbücher, die gegenüber dem Islam als zu »gefällig« angesehen werden. Die bundesweite Führung von ACT ist gleichzeitig auf föderaler Ebene aktiv, indem sie Gesetze zur nationalen Sicherheit mit »hoher Priorität« kennzeichnet und ihre Mitglieder darum bittet, bei ausgewählten BeamtInnen für die Unterstützung dieser Gesetze zu werben. 2015 erklärte ACT zur ‹Flüchtlingskrise des europäischen Kontinents›, dass »Europa bis 2050 nicht mehr Europa sein wird. Europa ist schon zu Eurabien geworden. Europa ist momentan Eurabien«. Seit 2010 veranstaltet ACT jährlich bundesweite Konferenzen in Washington DC. Die Konferenz, die im Capitol stattfindet, beinhaltet ein »Briefing zur Gesetzgebung«. Auf diesem nehmen sich BundesbeamtInnen Zeit, den ACT-AktivistInnen in Fragen der nationalen Sicherheit Rede und Antwort zu stehen.
»Center for Security Policy«
Das 1988 gegründete »Center for Security Policy« (CSP) ist ein Think Tank der antimuslimischen Bewegung. Es ist für Äußerungen wie diese bekannt, dass eine geheimnisvolle »muslimische Bruderschaft« alle Ebenen des Staates infiltriert habe, ebenso wie für die Warnung vor einer »schleichenden Scharia« oder islamischen Religionsgesetzen, die eine Bedrohung der amerikanischen Demokratie darstellen würden.
Das CSP veröffentlicht Umfragen und Berichte, welche das Verbot der Einwanderung von Muslimas und Muslimen in die USA fordern und AmerikanerInnen dazu ermutigen, sich gegen den Bau von Moscheen in ihren Städten zu wehren. Wie ACT ist auch CSP auf lokaler und bundesweiter Ebene aktiv. Der Gründer von CSP, Frank Gaffney, und seine leitenden Angestellten haben kein Problem damit, ihre antimuslimischen Ansichten zu veröffentlichen und sind bereit, mit der extremen Rechten zu kooperieren, um ihre Ziele zu erreichen. Im September 2015 lud Gaffney den weißen Nationalisten Jared Taylor in seine Radiosendung ein, um über die syrische Flüchtlingskrise zu sprechen. Taylor gilt als bekanntester Wortführer der »White Nationalist«-Bewegung. Während des Interviews bezeichnete Gaffney dessen Webseite »American Renaissance« als »wunderbar« und fragte: »Ist es der Tod von Europa, den wir hier im Moment sehen; im Kontext dieser Migration, dieser Invasion?«
Wenn es um enge Beziehungen zu PolitikerInnen geht, ist CSP nicht anders als ACT. Gaffney geht jeden Tag ans Mikrofon, um seine Sendung »Secure Freedom« zu moderieren. Dabei ist er nicht am politischen rechten Rand aktiv. Dutzende von gewählten BeamtInnen sind schon zu ihm in die Sendung gekommen, um über Themen wie die syrische Flüchtlingskrise oder den »radikalen Islam« zu sprechen. Fast alle führenden KandidatInnen der »Republikanischen Partei« für die Präsidentschaftskandidatur 2016 haben bei einem oder mehreren von Gaffneys Veranstaltungen gesprochen oder eine Videobotschaft geschickt. In der Vergangenheit hat er antimuslimische Versammlungen organisiert, welche auch gewählte BeamtInnen als Gäste besuchten. In den zurückliegenden Jahren sind er und seine Organisation näher an Ted Cruz herangerückt, mit dem er bei antimuslimischen Versammlungen oft die Bühne teilte. Im September 2014 sprach Cruz per Videobotschaft bei einem von CSP mitveranstalteten Aktionsgipfel und im Februar 2015 beim »Defeat Jihad«-Gipfel der CSP. Zudem hielt Gaffney vier Aktionsgipfel zur nationalen Sicherheit in den Bundesstaaten Nevada, South Carolina, New Hampshire und Iowa ab, die alle entscheidenden Bundesstaaten bei den Vorwahlen sind. Cruz nahm an der ersten Veranstaltung in South Carolina teil und war per Videobotschaft bei den anderen drei zugeschaltet. Das Engagement hat sich für Gaffney gelohnt: Am 17. März wurde er in die »National Security Coalition« von Cruz berufen. Ebenfalls Berater ist das laut der »Los Angeles Times« hochrangige CSP-Mitglied Joseph E. Schmitz. Er arbeitete zuvor drei Jahre als Generalinspekteur des Pentagon, bevor er wegen Untersuchungen gegen ihn zurücktrat. Am 22. März wurde er in das BeraterInnenteam von Donald Trump berufen. Schmitz ist als Gast in Gaffneys Radiosendung aufgetreten und hielt im Juni 2013 eine Rede bei einer CSP-Veranstaltung. Das CSP hat auch ein von ihm verfasstes Buch veröffentlicht, welches den Titel »Inspector General Handbook« trägt. Ebenfalls am 22. März gab Trump bekannt, dass Walid Phares Teil seines Beratungsteams ist. Phares ist libanesischer Christ und hat eine beunruhigende Vergangenheit. Nachdem er 2011 von Cruz in dessen Beratungsteam zum Nahen Osten berufen wurde, berichtete die Nachrichtenagentur »Mother Jones«, dass Phares »ein hoher politischer Funktionär einer sektiererischen religiösen Miliz war, welche für Massaker während des brutalen, 15 Jahre langen Bürgerkriegs im Libanon verantwortlich war«. Phares hat bei mehreren Veranstaltungen der CSP gesprochen, darunter beim »National Security Group Lunch« im Februar 2015; auch er war Gast in Gaffneys Radiosendung.
»David Horowitz Freedom Center«
Das »David Horowitz Freedom Center« (DHFC) ist zu einem wichtigen Geldgeber für antimuslimische Stimmen und Ideologien geworden. Horowitz, der früher als linksliberal galt, sieht nun überall radikale IslamistInnen. Für ihn sind muslimische Studierendengruppen »Teil der Muslimbruderschaft, welche die Quelle des terroristischen Jihads gegen den Westen sind«. Er finanziert den profilierten antimuslimischen Gelehrten Robert Spencer und dessen Online-Magazin »Frontpage«, das eine der beliebtesten verschwörungstheoretischen Internetseiten der extremen Rechten ist.
Der Fanatismus von Horowitz richtet sich nicht ausschließlich gegen Menschen mulimischen Glaubens. Auch schwarze AmerikanerInnen wurden Ziel seiner Angriffe. 2014 schrieb er bei Twitter: »Ich habe schwarze Rassisten von Sharpton bis Samuel Jackson satt, die Lügen über Weiße und die Polizei verbreiten und zu deren Ermordung anstacheln«. Auch Horowitz trifft sich regelmäßig mit PolitikerInnen. Zweimal im Jahr veranstaltet sein »Freedom Center« extravagante Veranstaltungen in 5-Sterne-Hotels in den gesamten USA. Die Veranstaltungen bieten die von der extremen Rechten geschürten Ängste, gemischt mit Besuchen von prominenten politischen Persönlichkeiten an. Die jährlichen Veranstaltungswochenenden, »Restoration Weekend« und »The Retreat«, von Horowitz bestehen größtenteils aus Reden von bedeutenden und berüchtigten Persönlichkeiten antimuslimischer und einwanderungsfeindlicher Kreise in den USA, wie Pamela Geller, Mitbegründerin der ‹Hate Group› »Stop the Islamization of America«. Zu den prominenten TeilnehmerInnen gehörten Ted Cruz, Michelle Bachmann, der ehemalige UN-Botschafter der Bush Regierung, John Bolton, und der ehemalige Gouverneur von Texas, Rick Perry.
Senator Jeff Sessions, einer der am unverblümtesten antimuslimisch und einwanderungsfeindlich auftretenden Bundesbeamten, erhielt 2014 die »Daring the Odds«-Auszeichnung des DHFC für seine Anstrengungen gegen eine befristete Aufenthaltserlaubnis in den USA für jugendliche MigrantInnen ohne Ausweispapiere. Zu den bisher ausgezeichneten Personen gehört auch Pamela Geller, die auch Vorsitzende der »American Freedom Defense Initiative« ist. Im Oktober 2015 zeichnete das CSP Sessions mit dem »Keeper of the Flame«-Preis aus. Im September 2015 griff er Präsident Obamas Pläne bezüglich der Umsiedlung von syrischen Flüchtlingen in die USA an und sagte: »Es ist auch berichtet worden, dass drei von vier derer, die eine Umsiedlung aus dem Nahen Osten wünschen, keine Flüchtlinge sind, sondern Wirtschaftsimmigranten aus vielen Ländern«. Jeff Sessions wurde am 3. März 2016 in das Beratungsteam zur nationalen Sicherheit von Trump berufen.
Im Mainstream angekommen
Trotz ihrer offenen und klar erkennbaren Stimmungsmache genießen ACT, das CSP und das DHFC Glaubwürdigkeit im Mainstream – auch durch die engen Verbindungen zu gewählten BeamtInnen auf der Bundes- und Kommunalebene. Leider verschaffen auch Mainstream-Medien WortführerInnen wie Gaffney und Brigitte Gabriel weitere Legitimität, indem sie diese zu Sendungen einladen, um über Themen wie nationale Sicherheit und Terrorismus zu sprechen, vor allem nach islamistischen Anschlägen. Wenn antimuslimische ‹Hate Groups› PräsidentschaftskandidatInnen beraten, dann ist es nicht verwunderlich, dass diese deren Meinung übernehmen, was gravierende Konsequenzen haben kann. Im Dezember 2015 forderte Donald Trump ein Verbot jeglicher Einwanderung von Muslimas und Muslimen in die USA. Ted Cruz ist dem Beispiel gefolgt. Nach den Anschlägen in Brüssel sagte er: »Wir müssen die Vollzugsbehörden dazu berechtigen, in muslimischen Vierteln zu patrouillieren und diese zu sichern, bevor sie sich radikalisieren«.
Solche Aussagen von Präsidentschaftskandidaten sind lediglich die aktuellsten Beispiele für antimuslimische Rhetorik, die den Sprung von ‹Hate Groups› in den Mainstream des politischen Diskurses geschafft haben. Dabei ist diese Transformation keineswegs dem Zufall geschuldet, sondern Ergebnis jahrelanger Vorarbeit und Planung der genannten Personen und Initiativen.
Mit der syrischen ‹Flüchtlingskrise› geht eine Gegenreaktion einher, welche von antimuslimischen Gruppen organisiert wird, vor allem von ACT. In den vergangenen Monaten haben Ortsverbände in vielen Bundesstaaten, darunter Montana und Washington, flüchtlingsfeindliche Kundgebungen abgehalten. Eine mögliche Umsiedlung syrischer Flüchtlinge in verschiedene Teile der USA war Anlass genug, um Flüchtlingsorganisationen einzuschüchtern und mit dem Tode zu bedrohen.
Ein weiterer beunruhigender Trend, der sich seit dem vergangenen Jahr abzeichnet, ist die Intensivierung antimuslimischer Rhetorik und Organisation von Gruppen aus der regierungsfeindlichen Milizbewegung. Dies ist am deutlichsten bei den sogenannten »Three Percenters« geworden, welche eine lose Vereinigung verschiedener Milizgruppen darstellt, die sich für die neue Avantgarde amerikanischer »Patrioten« hält und in die Fußstapfen der angeblichen drei Prozent der Bevölkerung treten will, die während des amerikanischen Unabhängigkeitskrieges zu den Waffen gegriffen haben sollen. »Three Percenters«-Gruppen haben in den letzten Monaten bewaffnete Proteste vor Moscheen und Flüchtlingsbüros organisiert und im November 2015 sind sie in der Stadt Olympia im Bundesstaat Washington als Sicherheitspersonal für Antiflüchtlingsveranstaltungen von zwei Ortsverbänden von ACT aufgetreten.
Stephen Piggott ist Analyst und Research Team Manager beim »Southern Poverty Law Center«. Übersetzung durch »der rechte rand«.