»Sie werden sich wundern, was alles gehen wird!«
von Carina Klammer
Magazin »der rechte rand« - Ausgabe 161 - Juli 2016
»Nazi« vs. »Gutmensch«. Schon lange nicht mehr konnte eine Bundespräsidentschaftswahl so viel Aufmerksamkeit und reißerische Schlagzeilen für sich verbuchen wie das Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Norbert Hofer von der »Freiheitlichen Partei Österreichs« und dem linksliberalen Urgestein der »Grünen« Alexander Van der Bellen.
Das Durchatmen hielt nur kurz an: Die Option, dass Österreich mit Norbert Hofer doch noch einen extrem rechten Burschenschafter als Bundespräsident bekommt, steht wieder im Raum. Die »Freiheitliche Partei Österreichs« (FPÖ) nutzte den »typisch österreichischen Schlendrian«, um die Wahl anzufechten – und kam damit durch. Die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs, die Präsidentschaftswahl am 2. Oktober zu wiederholen, bleibt indes nicht unumstritten. Aber auch wenn Van der Bellen den knappen Vorsprung halten kann – bei der annullierten Stichwahl vom 22. Mai bekam er 50,3 Prozent der Stimmen, Hofer 49,7 Prozent – Grund zur Freude gibt es nur bedingt. Einerseits, weil die FPÖ weiterhin im Höhenflug ist und auch der extremen Rechten in anderen Ländern Auftrieb verschafft. Andererseits wurde einmal mehr der verkürzte Umgang mit rechten Entwicklungen deutlich: Ist der akute Brandherd erst einmal gelöscht, interessiert sich kaum jemand mehr für die Brandursachen.
Geschichte des Amtes
Traditionsgemäß stellt der/die BundespräsidentIn in Österreich eine Repräsentationsfigur dar, die kaum aktiv in die Politik eingreift. Zugleich gewährt die österreichische Verfassung dem Amt mehr Befugnisse als in den meisten anderen europäischen Ländern. Vor allem nach der Gründung der zweiten Republik 1945 richtete sich die österreichische Parteipolitik stark konsensorientiert aus. Die tiefen Risse zwischen den verschiedenen politischen Lagern, die die Jahre des Austrofaschismus und Nationalsozialismus hinterlassen hatten, wurden hierbei maßgeblich mittels der Stärkung der österreichischen Nationalidentität gekittet. Diese Entwicklung prägte auch ein Bild des Bundespräsidenten als parteiübergreifender »Landesvater« und moralische Instanz, die sich der Alltagspolitik übergeordnet versteht. Zurückhaltend, aber patriotisch, und wenn es sein muss auch mahnend, solle er/sie sein. Hofer hatte angekündigt, im Falle eines Sieges eine wesentlich offensivere Rolle in der Innenpolitik spielen zu wollen als seine Vorgänger und warb mit einem autoritären Amtsverständnis: Man werde sich noch »wundern, was alles gehen wird!«. So betonte er etwa das Recht als Bundespräsident, die Regierung entlassen zu können, wenn er zur Ansicht käme, diese füge »dem Volk« Schaden zu. Hofer hätte als verlängerter Arm der FPÖ theoretisch Neuwahlen herbeiführen können, wobei seine Partei gute Chancen gehabt hätte, in die Regierung zu gelangen. Van der Bellen hatte zuvor in den Raum gestellt, als Bundespräsident einen FPÖ-Kanzler nicht zu vereidigen. Dies verstärkte die Wahrnehmung der Wahl als »Richtungsentscheidung« für das Land. Anhand der Frage »Hofer oder Van der Bellen?« sollen sich Familien und gar ganze Dörfer verkracht haben. Nach der Wahl gab Hofer einen optimistischen Verlierer ab und bat die ÖsterreicherInnen, sich nicht zu »streiten«, damit wieder »Ruhe einkehrt«.