»U.S. Patriot Movement«

von Spencer Sunshine

Magazin "der rechte rand" Ausgabe 161 - Juli 2016

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Die ländlichen Gebiete in den USA befinden sich im Umbruch. In vielen Bereichen wird dies als Krise empfunden. Neoliberale Politik, strengere Umweltgesetze sowie Technisierung der Forst- und Landwirtschaft haben in den einst wohlhabenden Gegenden zu Unmut geführt. Ein Nährboden für die »Patriotenbewegung«, die vor allem wegen ihrer ländlichen Politik und liberalen Positionen zum Waffenbesitz Zuspruch erhält.

Unter der Bezeichnung »Patriot Movement« (»Patriotenbewegung«, PM) wird eine extrem rechte Variante politischer Tradition in den USA gefasst. Im Januar 2015 betrat diese das Rampenlicht der Medien, indem bewaffnete Kämpfer der »Milizbewegung« (MB) in Oregon für 41 Tage das Verwaltungsgebäude eines Naturschutzgebietes besetzten. Die Forderung: Land im Bundesbesitz soll ohne die Berücksichtigung von Umweltauflagen oder anderen Einschränkungen für Viehzucht an die lokalen Behörden übertragen werden. Das bekannteste Ereignis war jedoch 1994 der Anschlag der MB auf ein Bundesgebäude in Oklahoma City, bei dem 168 Menschen starben.

Liberalismus und Rassismus

Die PM beruft sich auf eine wörtliche Auslegung der US-Verfassung, die, wie sie behauptet, fast die gesamte Struktur der aktuellen US-Bundesregierung verbietet. Ihr Gegenentwurf plädiert für einen gänzlich deregulierten Kapitalismus, der jegliche staatliche Interventionen als »Marxismus« ablehnt. Das Bundeseigentum der meisten öffentlichen Flächen und jegliche Regulierung des privaten Waffenbesitzes sei eine Verletzung der Verfassung. Das gelte auch für Bundesbehörden, die Wirtschaft, Umweltschutz, ArbeitnehmerInnenrechte, Gesundheit und Sicherheit regeln oder die sich für BürgerInnenrechte von diskriminierten Gruppen engagieren. Daneben ist die PM ein Sammelbecken mit einer Agenda aus populistischer Fremdenfeindlichkeit, Islamophobie und Verschwörungstheorien. So wird behauptet, die US-Regierung nutze ein UN-Leitpapier zur nachhaltigen Entwicklung, um erstens mittels Umweltpolitik die ländliche Bevölkerung in die Städte zu vertreiben – wo sie entwaffnet und interniert werden solle – und um zweitens eine Invasion der Vereinten Nationen oder Chinas zu ermöglichen.

Amerikanischer statt europäischer Nationalismus

Seinen Ursprung hat das »Patriot Movement« in einer Gruppe aus den 1970er Jahren. Die »Posse Comitatus« (lat. »Macht des Landes«, PC) wurde damals vom rassistischen und antisemitischen Aktivisten William Potter Gale gegründet und hatte zu Höchstzeiten 50.000 AnhängerInnen. Gale wollte eine Politik der weißen Vorherrschaft und des Antisemitismus entwickeln, die sich von Neonazis und autoritären, europäischen Ansätzen unterscheidet. Er forderte eine Dezentralisierung und berief sich auf das liberale US-System des 19. Jahrhunderts. Ein Kernstück dessen war der County Sheriff, der entscheiden solle, welche Gesetze verfassungskonform seien. Damals wurden Bundesgesetze zu Bürgerrechten und Umweltschutz verabschiedet, die so hätten umgangen werden können. Außerdem lehnte Gale alle Änderungen der 1791 verabschiedeten »Bill of rights« und damit die Staatsbürgerschaft für Afro-AmerikanerInnen und das Frauenwahlrecht ab. Zudem wollte er paramilitärische Milizen bilden und Sondergerichte einführen, die mit PC-Sympathisanten besetzt werden sollten, um BeamtInnen wegen Verrats anzuklagen. Das einzige Strafmaß, das diese Sondergerichte für den Fall einer Verurteilung festlegten, war Mord oder Entführung.

Diese Verfassungsauslegung wurde später vom »Sovereign citizen movement« (»Bewegung souveräner Bürger«), das auch »Freemen on the Land«-Bewegung genannt wird, übernommen. Zwar nahm deren Zuspruch Ende der 1970er Jahre ab, doch mit der Krise der Landwirtschaft und Zwangsenteignungen kleiner Agrarbetriebe im Mittleren Westen in den 1980er Jahren kam es zur Wiederbelebung der Bewegung. So konnte die PC neue AnhängerInnen rekrutieren; unter anderem kursierte die Behauptung, eine internationale Verschwörung jüdischer Banker stecke hinter den Enteignungen.

Paramilitärischer Kampf

Die sich Anfang der 1990er Jahre konstituierende »Milizenbewegung«, die die Bildung lokaler paramilitärischer Gruppen gegen die ‹Tyrannei› der Regierung zum Ziel hatte, kann als dritte Welle des »Patriot Movement« betrachtet werden. Unter dem Banner des PM versammelten sich unterschiedliche rechte Richtungen, wie weiße RassistInnen, AbtreibungsgegnerInnen, WaffenrechtsaktivistInnen, Steuer- und StaatsgegnerInnen oder AnhängerInnen der »Bewegung souveräner Bürger«. Offener Rassismus und Antisemitismus wurden zwar nur von einer Minderheit propagiert, waren aber weiterhin präsent.

In diesem Zeitraum kam auch der Einfluss der 1958 gegründeten »John Birch Society« (JBS), einer rechten, wirtschaftslibertären und antikommunistischen Gruppe zum Tragen. Sie kämpft gegen die Errichtung der »New world order«, nach der eine »finstere Verschwörung der Illuminaten« die Abschaffung von Religion und Moral plane. Generell wittert die JBS überall im Lande eine kommunistische Verschwörung, allen voran in der Bürgerrechtsbewegung der 1960er Jahre.

Für den raschen Zuwachs der MB waren zwei Ereignisse fördernd: Ruby Ridge und Waco (siehe Seite 15). Danach übte sich die Regierung in Zurückhaltung und ließ die MB größtenteils gewähren. Während die MB zu Spitzenzeiten zwischen 20.000 und 60.000 aktive Mitglieder und etwa fünf Millionen SympathisantInnen hatte, verlor sie unter George W. Bushs Präsidentschaft ab 2000 und nach den Anschlägen vom 11. September 2001 an Attraktivität.

Die vierte Welle

Dass rechte Bewegungen in Zeiten liberaler Regierungen erstarken, zeigte sich 2008 mit der Wahl von Barack Obama zum Präsidenten. Das PM erwachte zu neuem Leben. Zwar wurden neue politische Formen ent-wickelt und Islamfeindlichkeit war nun ein zentrales Thema, aber die von Gale entwickelten Ideen genossen weiterhin hohe Popularität. Diese vierte Welle wurde hauptsächlich von fünf Gruppen getragen. Die 2009 -gegründeten »Oath Keepers« (»Bewahrer des Eides«) schwören, »die Verfassung zu verteidigen«. Die Organisation behauptet, 40.000 Mitglieder zu haben, die sich hauptsächlich aus MitarbeiterInnen und Ehemaligen von Polizei, Militär und Sanitätsdienst zusammensetzen. BeobachterInnen hingegen halten eine Zahl von 2.000 Mitgliedern für realistisch. Zu ihrem verschwörungstheoretischen Manifest gehört der Schwur, aus -ihrer Sicht verfassungswidrige Dienstanweisungen nicht zu befolgen. Damit wenden sie sich vor allem gegen eine Entwaffnung »des amerikanischen Volkes«. Von der Öffentlichkeit wurde die Gruppe insbesondere im August 2015 wahrgenommen, als schwerbewaffnete Weiße durch Ferguson patrouillierten – am ersten Jahresgedenktag des durch einen weißen Polizisten erschossenen Afro-Amerikaner Michael Brown.

Ein weitere Gruppe ist die 2011 vom ehemaligen County Sheriff Richard Mack gegründete »Constitutional Sheriffs and Peace Officers Associa-tion« («Vereinigung verfassungstreuer Sheriffs und Friedenspolizisten«, CSPOA). Mack sitzt zudem im Vorstand der »Oath Keepers« und tritt wie Gale dafür ein, dass PolizistInnen der Bundesstaaten US-Gesetze nicht umsetzen müssen. Weiter zurück in die US-Geschichte greifen die »Three Percenters« (»Drei Prozent«). Der Name bezieht sich auf die mythische Zahl der amerikanischen Kolonialisten, die während der amerikanischen Revolution gegen die Briten zu den Waffen gegriffen haben. Die Gruppe wurde 2008 von Mike Vanderboegh in Form dezentraler Milizen mitbegründet, um eine Unterwanderung durch die Strafverfolgungsbehörden zu umgehen. Ideologisch stehen die »Three Percenters« den »Oath Keepers« nahe, wobei die Islamfeindlichkeit bei ihnen eine wesentlich stärkere Rolle spielt.

Zudem sind die »Sovereign Citizens« (»Souveräne Bürger«) aktiv, die auf 100.000 AnhängerInnen und doppelt so viele SympathisantInnen geschätzt werden. Sie schließen an die Rechtsauslegung von Gale an, gehen aber weiter und betrachten die USA in ihrer jetzigen Form als illegal. Zwar soll der föderale Charakter erhalten bleiben, Kongress und Präsident weiterhin die Grundrechte garantieren und das Militär kontrollieren, aber die Entscheidung über die Umsetzung von Gesetzen obliege lokalen Regierungen. Im Handeln der »Sovereign Citizens« zeigen sich — Parallelen zu den deutschen »Reichsbürgern«: die »Sovereign Citizens« verweigern den Behörden bei jeder Möglichkeit ihre Kooperation und kommen häufig mit dem Gesetz in Konflikt, bis hin zu Schießereien mit Todesopfern.

Neuer Aufwind

Die zu neuem Leben erwachte Bewegung erreichte im Jahr 2011 ihren Höhepunkt und war danach abermals im Niedergang begriffen, bis sich im April 2014 der Viehzüchter Cliven Bundy aus Nevada weigerte, für die Benutzung öffentlichen Landes Weidegebühren zu zahlen. Als die Bundesbehörden sein Vieh beschlagnahmen wollten, rief er nach dem »Patriot Movement« und setzte sich schließlich durch. Dieser einfache Sieg hatte Vorbildcharakter und polarisierte. Denn in einigen westlichen Staaten gehören über fünfzig Prozent der Ländereien dem Bund. Seit Jahren versucht die »Republikanische Partei« diese an die Bundesstaaten zu übertragen, um Vorschriften für Bergbau und Viehzucht zu umgehen. Im Januar 2016 hielten Aktivisten des PM schließlich einen Protestmarsch in Oregon ab. Anlass war eine Gefängnisstrafe gegen zwei Viehzüchter, die nach Antiterrorgesetzen verurteilt wurden, weil sie Flächen in Brand gesteckt hatten, auf denen sie Weiderechte hatten.

Am Ende des Marsches besetzte eine kleine Gruppe bewaffneter Aktivisten, darunter der Farmerssohn Ammon Bundy und der Islamhasser Jon Ritzheimer, den Sitz des »Malheur National Wildlife Refuge«. Sie forderten die Freilassung der Viehzüchter. Bei der 41 Tage dauernden Belagerung, die große mediale Aufmerksamkeit erfuhr, wurde ein Besatzer erschossen. Im September sollen die Gerichtsverfahren beginnen.

Militante Vorhut der Republikaner

Zwar erscheinen die 200.000 PM-AktivistInnen im Vergleich zu 350 -Millionen US-BürgerInnen wenig, aber dies schmälert nicht ihre Bedeutung. Im Rennen um die Nominierung zur Präsidentschaftswahl und durch die Ereignisse in Oregon wurde deutlich, dass die Bewegung de facto eine militante Vorhut der »Republikanischen Partei« darstellt. Gerade ihr Widerstand gegen den Landbesitz des Bundes macht das PM in den westlichen Staaten mittlerweile anschlussfähig. Allerdings haben ihre kompromisslosen AktivistInnen bei Wahlen nur wenig Aussicht auf Erfolg, wie die Vorwahlen in Oregon im Mai 2016 gezeigt haben. Stattdessen beziehen sich prominente und einflussreiche VertreterInnen der »Republikaner« positiv auf das PM. Die Präsidentschaftskandidatur des rechten rassistischen Demagogen Donald Trump hat etwas losgebrochen. Fremden- und Islamfeindlichkeit – bis vor einem Jahr in den Medien nahezu tabu – sind mittlerweile regelmäßig Thema. Und Trump war nicht der einzige Kandidat, der die Forderungen des PM während der Besetzung in Oregon seinerseits wiederholte.

Zwar gibt es keine eindeutige Strategie des »Patriot Movement« für die Zeit nach der Präsidentschaftswahl. Doch sollte Trump gewinnen, sind zwei Szenarien denkbar: ein Rückgang der Aktivitäten oder größere Freiräume durch die ideologische Nähe zur Regierung. Im Falle einer -Niederlage Trumps ist nur schwer vorstellbar, dass sich die zum Teil schwer bewaffnete Bewegung widerspruchslos zurückzieht. Manche sprechen jetzt schon einer »zweiten amerikanischen Revolution«.

Spencer Sunshine beschäftigt sich seit 25 Jahren mit der extremen -Rechten. Zur Zeit ist er für »Political Research Associates« in Boston tätig. Übersetzung durch »der rechte rand«.