Rezensionen Ausgabe 161

von Margarete Schlüter, Svenna Berger, Sascha Schmidt
Magazin »der rechte rand« - Ausgabe 161 - Juli 2016

Rassismus entgegentreten!

von Margarete Schlüter

Mit dem Auffliegen des NSU im Jahr 2011 wurde für Menschen mit Migrationsgeschichte gewiss, was viele von ihnen bereits gemutmaßt hatten: Es waren Neonazis, die in den Jahren 2000 bis 2006 bundesweit neun Menschen mit türkischem und einen mit griechischem Hintergrund ermordeten.

Die weiße deutsche Zivilgesellschaft und Anti-faschistInnen haben in diesen Jahren die Zusammenhänge der Morde nicht erkennen können, eine breite Solidarisierung mit Angehörigen blieb aus. Das Ausmaß der Involvierung und die Rolle staatlicher Behörden konnte bislang nur bedingt transparent gemacht werden.

Was resultierte daraus für Menschen mit Migrationsgeschichte in Deutschland? Sehr viele von ihnen stellen Bezüge zwischen rechtem Terror und rassistischen Einstellungen in der Gesellschaft her. Damit einher geht ein »Vertrauensverlust vor allem gegenüber staatlichen Institutionen, aber auch gegenüber der deutschen Öffentlichkeit«.

Mit dem NSU und seinen Auswirkungen auf die Migrationsgesellschaft wird sich im vorliegenden Reader auseinandergesetzt. Das Projekt DIMEN-SIONEN hat eine Handreichung für die außerschulische und schulische Bildungsarbeit erstellt. Ziel ist, »dass (post-)migrantische Perspektiven auf den NSU-Komplex gehört und sichtbar werden und die (Selbst-)repräsentationen dieser unterschiedlichen Stimmen Unterstützung finden«.

Der Reader ist in einen theoretischen und einen praktischen Teil gegliedert. Im ersten Teil werden in verschiedenen Texten Rassismus und Diskriminierung thematisiert, auf den NSU eingegangen und zudem die Opferperspektive aufgegriffen. Im zweiten Teil werden Methoden zusammengetragen, die zum einen eine kritische Auseinandersetzung mit nach rechts offenen Einstellungsmustern ermöglichen. Zum anderen werden institutioneller und struktureller Rassismus thematisiert. Des Weiteren werden durch die Übungen exemplarisch Positionen und Forderungen von Menschen mit Migrationsgeschichte greifbar.

Gerade die zuletzt genannten Methoden sind für MultiplikatorInnen von besonderem Interesse, da ihnen die anderen zum Großteil aus der Praxis bekannt sein dürften. Zusammen mit den Grundlagentexten liegt ein kompakter Reader vor, um sich aktiv mit diskriminierenden Einstellungsmustern, insbesondere dem des Rassismus, auseinanderzusetzen.

Rolf Knieper und Elizaveta Khan (Hrsg.): Projekt DIMENSIONEN. Der NSU und seine Auswirkungen auf die Migrationsgesellschaft. Ein Methodenreader für Multiplikator_innen in der Jugend- und Bildungsarbeit. Herausgegeben im Auftrag des IDA e. V., Düsseldorf 2015, 222 Seiten,  gegen eine Versandkostenpauschale von 3,- Euro zu beziehen über www.idaev.de.

Kontinuitäten des Hasses

von Svenna Berger

Es ist kein historisches Buch. Der Sammelband »Generation Hoyerswerda« ist hochaktuell. Die Neonazis, die sich 1991 im sächsischen Hoyerswerda oder später in Cottbus-Sachsendorf, Eisenhüttenstadt und Eberswalde an rassistischen Ausschreitungen beteiligten, bringen ihren Hass heute wieder auf die Straße. Die ideologischen und personellen Kontinuitäten rechter Gewalttäter von den Anfängen der 1990er Jahre bis heute erläutert der Sammelband der Journalistin Heike Kleffner und Anna Spangenberg, Geschäftsführerin des »Aktionsbündnis Brandenburg gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit«.

In 16 Beiträgen wird umrissen, wie Neonazis seit 25 Jahren Strukturen aufbauen, sich überregional und international vernetzen, über Musik und Zeitschriften ihre rassistische Ideologie verbreiten, Menschen angreifen und ermorden und Anschläge verüben. Detaillierte Beschreibungen zu Organisationen wie der »Nationalistischen Front«, »Blood & Honour« oder der »Nationalen Bewegung« finden sich in dem Band, ebenso wie Portraits zu seit über 20 Jahren aktiven Neonazis wie Uwe Menzel und Maik Eminger, angereichert mit Fotografien. Die Geschichte des Neonazismus in Brandenburg ließe sich ohne den Verfassungsschutz nicht schreiben; dazu gehört auch V-Mann Carsten Szczepanski alias Piatto, der über Waffengeschäfte des NSU wusste und mutmaßlich darin verwickelt war. Zuletzt werden die Zunahme der rassistischen Stimmung sowie die Potenziale von Neonazi-Netzwerken und Rechtsterrorismus diskutiert, aber auch auf Erfolge des zivilgesellschaftlichen Engagements geschaut.

Die leitende These der »Generation Hoyerswerda« wird im Buch wiederholt aufgegriffen, wodurch es zu unnötigen Dopplungen kommt. Die abschließende umfangreiche Chronik »Das Jahrzehnt der Glatzen« zeigt erschreckend, dass noch vieles unbeachtet ist. Wer Ursachenforschung zum Neonazismus in Ostdeutschland erwartet, wird nur wenig fündig: Der Sammelband liefert keine tiefergehende Gesellschaftsanalyse, kann jedoch als Ausgangspunkt dafür genutzt werden. Die umfangreichen Recherchen sind bereichernd für Engagierte in der Arbeit gegen Neonazismus und eine solide Grundlage für eine kritische Öffentlichkeit in Begleitung des Brandenburger NSU-Untersuchungsausschusses.

Heike Kleffner, Anna Spangenberg (Hrsg.): Generation Hoyerswerda. Das Netzwerk militanter Neonazis in Brandenburg. Berlin 2016, be.bra verlag,
304 Seiten, 20,- Euro.

»Kampfbegriffe«

von Sascha Schmidt

Das »Handwörterbuch rechtsextremer Kampfbegriffe« stellt Terminologien, weltanschauliche Positionen und Themenfelder der extremen Rechten vor. Zum einen werden Begriffe erläutert, die unmissverständlich zum Vokabular der extremen Rechten gehören. Zum anderen sind gesellschaftlich weit verbreitete Schlagworte aufgeführt, die von der extremen Rechten umgedeutet und angeeignet wurden. Diese Strategie ist der Versuch, den hegemonialen Diskurs zu beeinflussen und die eigene Weltanschauung zu transportieren.

Zu den 25 im Buch aufgeführten Begriffen gehören: 68er, Abendland, Dekadenz, Demokratie, Deutschenfeindlichkeit, Freiheit, Gemeinschaft, Geschlechtergleichschaltung, Heldengedenken, Islamisierung, Jude, Kameradschaft, Kapitalismus, Nation und Nationaler Sozialismus, Natur, Political Correctness, Rasse, Raum, Schuld-Kult, Umvolkung, USA, Vertriebene, Vorbürgerkrieg und Zigeuner.

Die einzelnen Beiträge sind auf zehn bis 15 Seiten einheitlich strukturiert und gut lesbar: Jeder Begriff wird zunächst durch Zitate von extrem rechten Publikationen oder Organisationen eingeleitet und kurz beschrieben. Danach folgt eine Vertiefung und diskursive Verortung im Entstehungskontext sowie eine Darstellung von Beispielen für aktuelle Verwendungsbereiche durch die extreme Rechte. Abgeschlossen werden die Kapitel mit einem Fazit, einer Begriffskritik der AutorInnen und einem Verweis auf weiterführende Literatur.

Bei dem Handbuch handelt es sich um ein Kooperationsprojekt des »Duisburger Instituts für Sprach- und Sozialforschung« und des »Forschungsschwerpunkts Rechtsextremismus/Neonazismus an der Hochschule Düsseldorf«. Ein Großteil der AutorInnen arbeitet oder engagiert sich in einer der beiden Einrichtungen. Darunter finden sich mit Regina Wamper, Fabian Virchow, Sebastian Friedrich, Helmut Kellershohn und Alexander Häusler AutorInnen, die bereits zahlreiche qualifizierte Bücher und Aufsätze zu diesem Thema veröffentlicht haben. Dementsprechend realisieren die HerausgeberInnen des Buches – das primär an MultipikatorInnen in der Bildungsarbeit und in den Medien gerichtet ist – ihr Vorhaben, eine fundierte Auseinandersetzung mit den genannten »Kampfbegriffen« zu liefern.

Bente Gießelmann, Robin Heun, Benjamin Kerst, Lenard Suermann, Fabian Virchow (Hrsg.): Handwörterbuch rechtsextremer Kampfbegriffe. Schwalbach/Ts. 2015, Wochenschau Verlag, 368 Seiten 24,80 Euro.