Enttäuschung in Niedersachsen

von David Janzen


Magazin "der rechte rand" Ausgabe 169 - November 2017

Die »Alternative für Deutschland« zieht mit neun Abgeordneten in den niedersächsischen Landtag ein. Doch das Ergebnis enttäuschte die Partei.

Magazin der rechte rand Ausgabe 169

Der Northeimer Bundestagsabgeordnete Jens Kestner (li.) und Armin Paul Hampel folgen Björn Höcke bei einer
Wahlkampfveranstaltung in Northeim
© Marian Ramaswamy

Die Enttäuschung war vielen AnhängerInnen der »Alternative für Deutschland« (AfD) am Wahlabend ins Gesicht geschrieben. Statt 8 Prozent, wie in den vielen Vorhersagen, oder gar einem zweistelligen Ergebnis, bekam die Partei bei der vorgezogenen Landtagswahl in Niedersachsen am 15. Oktober 2017 nur 6,2 Prozent der Stimmen. Damit zieht sie mit neun Abgeordneten in den Landtag ein. Schon bei der Bundestagswahl Ende September 2017 lag die AfD in Niedersachsen mit 9,1 Prozent unter dem Bundesergebnis (12,6 %). Hatten da 422.362 niedersächsische WählerInnen der Partei ihre Stimme gegeben, waren es bei der Landtagswahl nur noch 235.840. Eine Ursache für das schlechte Ergebnis dürfte der chaotische Landesverband sein, der – teilweise quer zu den Flügelkämpfen auf Bundesebene – in zwei sich bekämpfende Lager gespalten ist. So versagte der Landesvorsitzende Paul Hampel der Spitzenkandidatin Dana Guth aus Northeim öffentlich die Unterstützung. Die 47-Jährige wurde kurz vor der Landtagswahl aus ihrer Fraktion im Göttinger Kreistag ausgeschlossen. Und aufgrund der Anzeige eines ehemaligen Mitglieds wurden das Haus von Hampel und die Landesgeschäftsstelle wegen Betrugsverdachts durchsucht.

Hochburgen der AfD
Ein weiterer Grund für das schlechte Abschneiden war eine untergeordnete Rolle der AfD-Kernthemen im Wahlkampf. Für die meisten WählerInnen waren Landesthemen, wie zum Beispiel Bildungspolitik, wichtiger als Asylpolitik oder Zuwanderung. Anders bei den WählerInnen der AfD: Die nannten überdurchschnittlich oft die Angst vor Zuwanderung und steigender Kriminalität als Gründe für ihre Wahl. Punkten konnte die AfD vor allem in Städten wie Salzgitter, Wilhelmshaven und Delmenhorst, die stark vom wirtschaftlichen und demographischen Strukturwandel betroffen sind, von überdurchschnittlichen Armutsquoten und Abwanderung. Gleichzeitig ist hier aufgrund niedriger Mieten ein deutlicher Zuzug von Geflüchteten und anderen armen Bevölkerungsgruppen festzustellen. In Salzgitter, wo die AfD mit 13,6 Prozent ihr höchstes Ergebnis erzielte, liegt die Arbeitslosenquote mit 9,6 Prozent weit über dem Landesdurchschnitt (5,6%). Besonders hohe Ergebnisse erzielte die AfD in Salzgitter-Lebenstedt (20,5%). Hier erreichte sie in der Großwohnsiedlung Fredenberg aus den 1960er Jahren sogar 42,8 Prozent. In den 1980er Jahren kamen hier vor allem ArbeitsmigrantInnen, seit den 1990er Jahren ZuwandererInnen aus den ehemaligen »Ostblockstaaten« und heute Flüchtlinge aus Syrien unter. Wenige Tage vor der Wahl verhängte die Landesregierung für Salzgitter einen Zuzugstopp für Geflüchtete. In Delmenhorst und Wilhelmshaven wurden ähnliche Forderungen laut. Diese Debatten haben der AfD offensichtlich genutzt.

»Krieg gegen das System«
Am Abend der Wahl veröffentlichte der Kreisverband Salzgitter auf seiner Facebookseite kurzzeitig einen Beitrag, in dem davon die Rede war, die Partei habe »den Bundestag gestürmt« und damit eine »Tür für deutschnationales Gedankengut zurück in die deutsche Politik hinein geöffnet«. Mit dem Einzug in das Parlament habe die »nächste Phase im Krieg gegen dieses widerwärtigste System, das je auf deutschem Boden existierte«, begonnen. Aufgedeckt wurde auch, dass zum AfD-Wahlkampfteam mehrere Neonazis aus der kleinen Kameradschaft »Nationaler Widerstand Niedersachsen Nord« gehörten, die mehrfach durch Straf- und Gewalttaten aufgefallen sind. Andere Mitglieder des Wahlkampfteams der AfD Salzgitter verbreiteten bei Facebook Bilder mit extrem rechten Sprüchen, Symboliken und NS-Propaganda sowie Videos mit der Holocaust-Leugnerin Ursula Haverbeck oder dem »Horst-Wessel-Lied«. Geschadet haben diese Kontakte nach Rechtsaußen nicht. In anderen Städten und vor allem in eher ländlich geprägten Regionen, hauptsächlich im Westen des Bundeslandes, konnte die AfD nur wenige Stimmen erlangen. In der Grafschaft Bentheim erhielt sie mit 3,58 Prozent ihr niedrigstes Ergebnis, hier ist die CDU stärkste Partei, ein Viertel der Bevölkerung ist katholisch, die Arbeitslosenquote liegt bei unterdurchschnittlichen 3,7 Prozent.

Machtkampf
Das schlechte Abschneiden der AfD dürfte die Machtkämpfe im Landesverband befeuern. Noch am Wahlabend forderten Mitglieder des Landesvorstandes in einer Rundmail die Kreisverbände auf, einen Sonderparteitag einzufordern, um Landeschef Hampel abzusetzen. Unter den UnterzeichnerInnen waren auch die beiden stellvertretenden Landesvorsitzenden Jörn König und Wilhelm von Gottberg. Beide sitzen nun im Bundestag und galten bisher als Verbündete Hampels. Dass sie offenbar ins Lager seiner GegnerInnen gewechselt sind, lässt seine Machtbasis bröckeln. Guth, die das Lager der Hampel-GegnerInnen anführt, ging gestärkt aus der Wahl hervor. Ohne Gegenstimmen wurde sie zur Vorsitzenden der neunköpfigen AfD-Fraktion im Landtag gewählt. Stellvertretender Vorsitzender wurde Stefan Henze aus Lehrte. Zum Parlamentarischen Geschäftsführer der Fraktion wurde der Rechtsanwalt Klaus Wichmann aus Verden gewählt. Peer Lilienthal aus Barsinghausen wurde als Finanzvorstand eingesetzt. Interessant ist auch die berufliche Zusammensetzung der Fraktion: Über die Hälfte der Abgeordneten kommen aus dem Staatsdienst, darunter ein Richter, ein stellvertretender Schuldirektor und ein ehemaliger Berufsoffizier.