Uwe Steimle verbindet

von Marcel Hartwig
Antifa-Magazin »der rechte rand« Ausgabe 201 - März | April 2023

Antifa Magazin der rechte rand
Screenshot von einer Sendung Steimles auf YouTube

Der Schauspieler und Kabarettist Uwe Steimle, früher Star des MDR, wo er mit »Steimles Welt« eine eigene Sendung hatte, bedient seit Langem die Ostalgie-Welle mit seinem sächsischen Regionalpatriotismus und war, wenn auch unspezifisch, einem progressiven Milieu zugeordnet. Im Jahr 2009 nominierte ihn die Partei Die Linke als Wahlmann für die Bundesversammlung zur Wahl des Bundespräsidenten. Ab 2015 wandte sich Steimle sukzessive dem politischen Umfeld von PEGIDA und der »Alternative für Deutschland« (AfD) zu. Seitdem ist sein Rechtsdrift notorisch: Interviews in rechten Medien, Wiedergabe von Elementen der »Reichsbürger«-Ideologie. Der MDR entschied Ende 2019, die Sendung »Steimles Welt« nicht fortzusetzen. Seitdem ist er in eigener Sache im Internet und in den Kulturhäusern Ostdeutschlands unterwegs. Seine Mission: Pflege der reaktionären Ostalgie sächsischer Ausprägung. Mit Erfolg: Der von ihm betriebene YouTube-Kanal hat mit 100.000 Abonnent*innen eine hohe Reichweite.

Kundgebung in Dresden
Dresden am 13. Februar 2023. Vor dem Kulturpalast in der Innenstadt versammeln sich zwischen 400 und 600 Menschen. Sie sind einem Aufruf Steimles zu einer Kundgebung für den Frieden gefolgt. Steimle verteilt blaue Papierfähnchen mit der von Picasso entworfenen Friedenstaube – deren Bild im Alltag der DDR omnipräsent war – an die Anwesenden. Die Teilnehmenden freut es. Die Papierfähnchen finden Absatz. Steimle übt sich in einer naiven Friedensrhetorik, die politische Kausalzusammenhänge verwischt. Bereitwillig gibt der Kabarettist anwesenden sogenannten alternativen Medien Interviews, darunter »DS TV«, das Videoformat der NPD-Parteizeitung »Deutsche Stimme«, und »Compact TV«. Wenige Tage später erscheint in der in Ostdeutschland auflagenstarken Zeitschrift ­»Super Illu« ein Streitgespräch Steimles mit dem Historiker Ilko-Sascha Kowalczuk über die DDR-Vergangenheit und die Bewertung des Krieges in der Ukraine unter Ostdeutschen. Hier wiederholt er den »Reichsbürger«-Sprech: »Wir sind ein besetztes Land.«

Darüber, sowohl eindeutig rechte Medien zu bedienen als auch in etablierten Medien Gehör zu finden, erschließt Steimle Resonanzräume, die auf den ersten Blick im Wortsinne quer zum etablierten politischen Koordinatensystem zu liegen scheinen, sich ihren inhaltlichen Positionen nach jedoch an rechten Deutungen und Erklärungen orientieren, ohne sich selbst rechts zu verorten.

Rollenspiele
Steimle war in Dresden in der Rolle des aktivistischen Impresarios vor Publikum zu erleben. So leitete er die Teilnehmenden an, ein in der DDR beliebtes Kinderlied über den Frieden zu singen. Wie in seinen Bühnenprogrammen agiert er in wechselnden Rollen, einerseits als Kabarettist, der mit spitzer Zunge die politische Lage ironisiert, andererseits jedoch als politisch intervenierender Kommentator, der eine politische Meinung artikuliert, die durch den Appell an die DDR-Erfahrung seiner Zuhörer*innenschaft plausibilisiert wird. Ernst und Ironie wechseln, werden ununterscheidbar. Steimle ist mal Kabarettist, mal politischer Meinungsakteur. In seine Auftritte als Erich Honecker, den letzten DDR-Staatschef, mengt er politische Statements, etwa als er 2021 bei einem Auftritt im thüringischen Schmalkalden für Hans-Georg Maaßen als CDU-Bundestagskandidaten warb. Seinen Kredit in der »Querdenker«-Szene verlor er, als er in der »Leipziger Volkszeitung« bekannt gab, er habe sich impfen lassen, obwohl er zuvor in Leipzig bei einer »Querdenker«-Demonstration aufgetreten war.

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Wirkung
Der Aufruf zur Kundgebung in Dresden war auch von »Compact« verbreitet worden. Steimle bindet ein Russland-affines Milieu in Ostdeutschland, das zwar Schnittmengen mit der AfD und ihrem ex­trem rechten Umfeld aufweist, damit jedoch nicht deckungsgleich ist. Steimles antiamerikanische und auf den kulturellen Kosmos der DDR bezogene Positionierungen wirken in Ostdeutschland in jenen kleinbürgerlich-reaktionären Submilieus, die seit 2015 öffentlich beständig politische Repräsentanz in der politischen Arena einklagen und zugleich suggerieren, dass diese ihnen verwehrt werde. Die Forderung geht häufig mit dem Verweis auf das herbeigeführte Ende der DDR und der Überzeugung, wieder ein Systemende herbeiführen zu können, einher. Dies ist auch das Milieu, aus dem »Freie Sachsen« und AfD schöpfen.

Zusammenarbeit mit extrem rechten Akteuren
Steimle verortete sich in der Vergangenheit links, sucht mittlerweile seine Wirkungs- und Resonanzräume aber weit rechts. Im Jahr 2018 gab er der Zeitung »Junge Freiheit« (JF) ein Interview, in dem er unter anderem behauptete, Deutschland sei noch ein »Besatzungsgebiet der USA«. Über die Rezeption des Interviews und seine Aussagen war Steimle im Nachgang »fassungslos« und konkretisierte seine Bezugspunkte in dem Gespräch: »Sahra Wagenknecht, die Linke, die Friedensbewegung und die Friedliche Revolution in Sachsen von 1989.« Dass Steimle zusammen mit dem rechten Bandprojekt »Sacha Korn« 2021 das DDR-Jugendlied »Unsere Heimat« neu einspielte, das von der rechten Kampagnenagentur »Ein Prozent« beworben wurde, zeigt, dass er sich bewusst rechter Strukturen bedient. Damit konfrontiert, argumentiert Steimle, man müsse mit allen reden.
Uwe Steimle profitiert in Ostdeutschland von seiner Bekanntheit, die er nutzt, um rechten Deutungen des Zeitgeschehens jenseits extrem rechter Kernmilieus Gehör zu verschaffen. Seine Wirkung mag auf ein Publikum in Ostdeutschland, vornehmlich in Sachsen, beschränkt sein. Aber eben dort trägt er als Kabarettist und politischer Akteur dazu bei, diese Inhalte zu normalisieren und – noch wichtiger – im vorpolitischen Raum zu kommunizieren. Seine unbelastete Vita und seine Freundschaft zum Betreiber des koscheren Restaurants Shalom in Chemnitz immunisiert ihn geradezu gegen Kritik.
Es ist zu erwarten, dass sich Steimle im Kontext von Mobilisierungen zum Ukraine-Krieg weiterhin zu Wort melden wird und als Multiplikator rechter Inhalte wirkt.