Die Anwält*innen

von Lucius Teidelbaum
Antifa-Magazin »der rechte rand« Ausgabe 199 - November | Dezember 2022

#Personal

Antifa Magazin der rechte rand
Martin Kohlmann beim Aufmarsch von Neonazis und Faschist*innen der AfD 2018 in Chemnitz. @ Mark Mühlhaus / attenzione

Die Berufsgruppe der Rechtsanwält*innen scheint besonders attraktiv in der akademisch orientierten Rechten zu sein. Generell gelten Anwält*innen als eher konservative Zunft und es dürfte auch in vielen Traditions-Jura-Fakultäten einen höheren Grad an Korporierten unter männlichen Jura-Studenten als in anderen Fächern geben. Dabei lassen sich verschiedene Typen von Anwält*innen ausmachen. Sogenannte Szene-Anwält*innen verteidigen auch aus politischer Motivation Mandant*innen gleicher Gesinnung bei einschlägigen Straftaten. Manche erstellen Gutachten oder führen juristische Schulungen für Neonazis durch. Andere organisieren sich in eigenen Netzwerken wie dem 1992 gegründeten »Deutschen Rechtsbüro« (DRB), das sich einmal selbst als »Selbsthilfegruppe zur Wahrung der Grundrechte nationaler Deutscher« bezeichnete. Das DRB soll bis 2013 die Texte von rund 300 RechtsRock-CDs begutachtet haben. Einige Anwält*innen engagieren sich wiederum in der »Alternative für Deutschland« (AfD), haben aber keine entsprechende Spezialisierung auf eine rechte Klientel. Oder sie beteiligen sich an Ideologie-Produktion wie Thor von Waldstein. Manche konservativen beziehungsweise reaktionären Anwält*innen werden vor allen Dingen wegen ihrer Reputation mandatiert.

https://www.der-rechte-rand.de/ausgaben/ausgabe-199/

Der Burschenschafter: Matthias Brauer
Matthias Brauer aus Bonn ist Mitglied der extrem rechten »Alten Breslauer Burschenschaft der Raczeks zu Bonn« und der »Burschenschaft Dresdensia-Rugia zu Gießen«.
Im Dachverband »Deutsche Burschenschaft« (DB) wurde er laut deren »Nachrichtenblatt« vom August 2022 als Mitglied im »Rechtsausschuss« geführt.
Brauer beziehungsweise seine Kanzlei verteidigt besonders gerne Verbandsbrüder. So vertritt er seit 2019 Marcel Grauf gegen die Kontext-Zeitung in Stuttgart, die aus geleakten Texten zitiert hat, die sie Grauf zuordnet. Auch seine ehemalige Arbeitgeberin, die damalige Landtagsabgeordnete der AfD und heutige Bundestagsabgeordnete Christina Baum, wurde 2019 von Brauer vertreten.
Zu Brauers Kanzlei »Dr. Brauer Rechtsanwälte« mit Sitz in Bonn gehören weitere extrem Rechte.

Die Neonazi-Anwältin: Nicole Schneiders (* 1978)
Dass Nicole Schneiders bis heute der Neonaziszene angehört, daraus macht sie in ihrem Instagram-Auftritt keinen Hehl. Ein Bild zeigt, dass bei ihr über ihrem Sofa ein Zitat der NS-Ikone Albert Leo Schlageter prangt. Ebenso aussagekräftig ist ihre Teilnahme an einer Neonazi-Demonstration in Wunsiedel am 14. November 2021 oder in Dortmund am 1. Mai 2022.
Verheiratet ist die geborene Schäfers mit Dominik Schneiders, kaum weniger neonazistisch ausgerichtet, wenn man nach dessen einschlägigen Tattoos und T-Shirts geht.
Nicole Schneiders studierte Anfang der 2000er Jahre in Jena und Mannheim Rechtswissenschaften. In Jena war sie bis 2002 stellvertretende Vorsitzende des Kreisverbandes der »Nationaldemokratischen Partei Deutschlands« (NPD), während der NSU-Unterstützer Ralf Wohlleben den Vorsitz inne hatte. Genau diesen verteidigte sie im NSU-Prozess in München.
Seit 2018 ist sie Teil der Partnerschaftsgesellschaft »Rechtsanwälte Hammer & Schneiders«. Steffen Hammer war Sänger der RechtsRockband »Noie Werte«. Als Rechtsanwalt hat er in der Vergangenheit auch Neonazis vertreten.

Totengräber der Republikaner: Rolf Schlierer (* 1955)
Das Magazin Der Spiegel nannte ihn einen »Nadelstreifen-Nationalisten«. Der Rechtsanwalt Rolf Schlierer aus Stuttgart ist aktuell etwas in Vergessenheit geraten. Er ist seit 1974 Mitglied der »Gießener Burschenschaft Germania« und war 1975/1976 Vorsitzender des Hochschulpolitischen Ausschusses der »Deutschen Burschenschaft« (DB) und 1982 bis 1985 ihr Pressereferent. Die Germania ist mittlerweile aus der DB ausgetreten und in der »Allgemeinen Deutschen Burschenschaft« (ADB) organisiert.
Nachdem Schlierer Franz Schönhuber gestürzt hatte, war er er von 1994 bis 2014 Vorsitzender der Partei »Die Republikaner«. Er versuchte zumindest nach außen hin einen eher bürgerlichen Kurs zu verfolgen. Für seine damalige Partei saß Schlierer von 1992 bis 2001 im Landtag von Baden-Württemberg. Nach langem Siechgang verließ Schlierer 2018 seine Partei.
Er tauchte im Umfeld des dubiosen »Vereins zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit und der bürgerlichen Freiheiten« wieder auf, dessen Gründung im Dezember 2018 von ihm als Jurist begleitet wurde. Über den Verein bzw. dessen Nachfolger wurden Millionen Euro in AfD-Werbung gepumpt.
Gleichzeitig kandidierte er bei den Kommunalwahlen 2019 für die AfD in Stuttgart auf dem aussichtslosen Platz Nr. 60 und hielt in dieser Zeit bei AfD-Gliederungen Vorträge über »die Methoden des Verfassungsschutzes«.

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Der AfD-Europaabgeordnete: Dr. Maximilian Krah (* 1977)
Maximilian Krah aus Dresden ist seit 2005 Rechtsanwalt. Lange Jahre Mitglied in CDU und JU trat 2016 er aus der CDU aus und wechselte zur AfD.
Als Anwalt war der Korporierte und Katholik zeitweise Anwalt der »Piusbruderschaft«, zu der er nach eigenen Angaben erstmals 2005 Kontakte hatte. So managte er für diese millionenschwere Vermögenstransaktionen, unter anderem kümmerte er sich als Vorstandsmitglied der Jaidhofer Privatstiftung in Wien von 2008 an um die Übernahme einer Erbschaft in zweistelliger Millionenhöhe. Laut Eigenangabe hat er im Jahr 2013 den Kontakt zur Piusbruderschaft abgebrochen. Weitere Mandant*innen von ihm waren Frauke Petry oder der »Hutbürger« Maik G., der 2019 versuchte, das ZDF auf »mindestens 20.000 Euro« Entschädigung zu verklagen.
Nach Startschwierigkeiten machte er Karriere in der CDU und wurde 2019 für die AfD ins Europaparlament gewählt.
Inzwischen macht Krah durch sehr russland-freundliche Statements auf sich aufmerksam.

Der Völkische: Wolfram Nahrath (* 1962)
Wolfram Nahrath aus Berlin wurde von der taz einmal als »Berliner Star-Anwalt der Neonazi-Szene« beschrieben. Nahrath und seine Familie können auf eine lange Vergangenheit in der völkisch-neonazistischen Szene zurückblicken. Er war seit 1980 Jugendführer der »Wiking Jugend« und von 1991 bis zum Verbot 1994 ihr Bundesvorsitzender. Auch in der 2008 verbotenen Nachfolge-Organisation »Heimattreue Deutsche Jugend« war er aktiv. Ebenso war er Vorstandsmitglied der »Notgemeinschaft für Volk und Kultur« und der »Berliner Kulturgemeinschaft Preußen«. Seit 2000 war er Mitglied im NPD-Bundesschiedsgericht.
Auch seine Mandant*innen spiegeln seine Szene-Anbindung wider. So verteidigte er unter anderem den Gubener Hetz-Mörder (2000), die Band »Race War« (2006) oder diverse Holocaustleugner*innen wie Silvia Stolz (2015) oder Ursula Haverbeck (2020).

Der sächsische Separatist: Martin Kohlmann (* 1977)
Martin Kohlmann aus Chemnitz labelt sich selbst als »Fachmann für Meinungsfreiheit«. Er arbeitet seit 2007 als Strafverteidiger. Er wurde auch schon zu Geldstrafen wegen Steuerhinterziehung und Hausfriedensbruch verurteilt. Von der »Vereinigung der Strafverteidiger Sachsen« wurde Kohlmann ausgeschlossen, nachdem er im Plädoyer für seinen Mandanten aus der »Terrorgruppe Freital« den Richtern des Oberlandesgerichts Dresden drohte, sie hätten sich in der Zukunft für ihre Taten zu verantworten. Er ist kommunalpolitisch aktiv und sitzt seit 1999 im Chemnitzer Stadtrat. Erst für die Republikaner, dann für die rechte Wähler*innenvereinigung »Pro Chemnitz« und schließlich für die »Freien Sachsen«. Seine Mandat*innen waren unter anderem Günter Deckert (NPD-Bundesvorsitzender), Adrian Ursache (»Reichsbürger«) und ein bundesweit bekannt gewordener Galgen-Träger von PEGIDA. Er selbst zeigte 2017 den Sänger der Band Kraftklub an, weil dieser »Pro Chemnitz« auf einem Konzert als »Vollidioten« bezeichnete.

Der NPD-Funktionär: Peter Richter (* 1985)
Peter Richter aus Saarbrücken soll seine beiden rechtswissenschaftliche Examina als Jahrgangsbester seines Bundeslands absolviert haben. Er ist seit Dezember 2012 zugelassener Rechtsanwalt und war Prozessbevollmächtigter der NPD in ihrem zweiten Verbotsverfahren (2013-2017). Richter vertrat die NPD als Anwalt auch in anderen Gerichtsverfahren, zum Beispiel wenn er die Neutralitätspflicht von Amtsträger*innen verletzt sah, weil diese die NPD öffentlich kritisiert hatten. Er ist stellvertretender Vorsitzender des saarländischen NPD-Landesverbandes, außerdem Chefredakteur des NPD-Magazins »Deutsche Stimme«.

Der Rechtskonservative: Dr. Ralf Höcker (* 1971)
Dr. Ralf Höcker aus Köln ist Medienanwalt. Er war von Juni 2019 bis Februar 2020 Pressesprecher der »WerteUnion« und am 22. Juli 2019 Redner auf dem Sommerfest der rechten Wochenzeitung »Junge Freiheit«. Von ihm stammt folgendes Zitat: »Unser Job besteht darin, Journalisten jeden Tag auf die Finger zu hauen.« Seine Mandant*innen beziehungsweise die seiner Kanzlei sind ›bunt‹ gemischt, abzüglich der Rot-Töne. Er vertrat bereits die AfD Mecklenburg-Vorpommern, den Antisemiten Wolfgang Gedeon oder den rassistischen Schützen Hans Josef Bähner aus Köln (2020), aber genauso Recep Tayyip Erdo?an im Mai 2016 gegen den TV-Satiriker Böhmermann. Außerdem vertrat er die AfD 2018 gegen das antifaschistische Magazin »der rechte rand«.

Der Reaktionär: Joachim Steinhövel (* 1962)
Joachim Steinhövel aus Hamburg wurde von der FAZ als »Pitbull in Robe« tituliert. Der Rechtsanwalt betreibt seit 1989 eine eigene Kanzlei in Hamburg und moderierte beim privaten Sender Radio Schleswig-Holstein in Kiel und später im RTL-Fernsehen unterschiedliche Sendungen. Gelegentlich schreibt Steinhövel für das rechts-libertäre Monatsmagazin »eigentümlich frei«, den rechten Blog »Achse des Guten« oder das rechte Onlinemagazin »Tichys Einblick«.
Auf dem Sommerfest der »Jungen Freiheit« am 15. Juli 2017 hielt er eine Rede und referierte für die AfD im Juni 2020 im Bundestag zum Thema »Faktenchecker: Meinungsdiktatur im Netz!«.
Von der NS-Szene hält er sich fern. Mandant*innen von Steinhövel waren Reaktionäre wie Matthias Matussek, Akif Pirincci, Gabriele Kuby, Hedwig von Beverfoerde, Henryk M. Broder, Hamed Abdel-Samad oder Roland Tichy.


Dieser Text wurde im Juni 2023 in der online Fassung angepasst.

https://twitter.com/derrechterand