Ein Mann der Mitte

von Kai Budler
Antifa-Magazin »der rechte rand« Ausgabe 195 - März / April 2022

#CDU

Im Kulturprogramm von Schloss Ettersburg nördlich von Weimar treten immer wieder Personen aus der »Neuen Rechten« und ihrem Umfeld auf. Kein Wunder, denn ein CDU-Politiker als Veranstalter, der das neu-rechte Blatt »Junge Freiheit« zu »einem anerkannten Medium in der Presselandschaft« zählt, gehörte selbst zu eben diesem Milieu.

 

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Nicht erst seit ihrer Wahl von Thomas Kemmerich zum Ministerpräsidenten gemeinsam mit der »Alternative für Deutschland« (AfD) ist das Problem der Thüringer CDU, sich nicht nach rechts außen abzugrenzen, offensichtlich. Bereits vorher war dies an der Personalie Karl-Eckhard Hahn deutlich geworden, der jahrelang an einflussreichen Positionen in der CDU-Landtagsfraktion arbeitete und seit kurzem wieder in der Verwaltung des Parlaments beschäftigt ist. Vorher war er Regierungssprecher des Freistaats Thüringen sowie Leiter der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der CDU-Fraktion, obwohl seine Aktivitäten in der neu-rechten Szene längst öffentlich waren (s. drr Nr. 143, 144, 159, 192 online). 2008 verteidigte Hahn seinen Parteikollegen Peter D. Krause, der neben seinen ehemaligen Tätigkeiten als Redakteur und Autor der »Jungen Freiheit« (JF) auch Autor im »Ostpreußenblatt« und im neu-rechten Theorieorgan »Etappe« war. Ihn wollte CDU-Ministerpräsident Dieter Althaus 2008 ausgerechnet am 8. Mai zum Thüringer Kultus- und Bildungsminister ernennen. Auch wenn Althaus die Autorenschaft Krauses für die Blätter der »Neuen Rechten« als »Jugendsünde« bagatellisierte, musste sein Wunschkandidat unter dem öffentlichen Druck zurückrudern und verzichtete auf das Ministeramt.

Rassismus auf der Bühne in Schloss Ettersburg

Der heute 58-jährige Krause, der auch schon Mitarbeiter der damaligen Bundestagsabgeordneten Vera Lengsfeld war, ist bis heute nicht nur Fraktionsvorsitzender der CDU im Weimarer Stadtrat. Als promovierter Literaturwissenschaftler versuche er auch, »Leute, Denker, Intellektuelle, die Diskurse im Moment prägen«, zu präsentieren, lässt er sich zitieren. Wichtig sei, »wo etwas Neues gedacht wird, wo etwas passiert, auch etwas enttabuisiert wird«. Eine solche Präsentation findet seit 2011 jährlich im Rahmen des »Pfingst Festivals« im Schloss Ettersburg in der Nähe von Weimar statt, dessen Direktor praktischerweise Krause ist. Das teils vom Land Thüringen unterstützte Festival wird als »Höhepunkt« der Kulturveranstaltungen beworben, allein 2019 sollen dafür 4.500 Tickets verkauft worden sein. Dabei mauserte sich die Reihe immer mehr zu einer Veranstaltung, auf der Vertreter*innen der »Neuen Rechten« beziehungsweise aus ihrem Umfeld hofiert werden – bekannte Gäste aus diesem Milieu waren Uwe Tellkamp, Rüdiger Safranski, Harald Martenstein, Wolfgang Sobotka oder Simon Strauß. Bei seinem »Festival« konnte Krause auch schon den vielleicht einflussreichsten Publizisten der »Neuen Rechten«, Karlheinz Weißmann, begrüßen sowie Jörg Baberowski, dem der AStA der Uni Bremen unter anderem gerichtsfest vorwarf, er verbreite erschreckend brutale gewaltverherrlichende Thesen, verharmlose das Anzünden und Belagern von Flüchtlingsunterkünften und vertrete rechtsradikale Positionen. Auch der Ernst Jünger Biograf und Mitherausgeber des Sammelbands »Die selbstbewusste Nation«, Heimo Schwilk, durfte im Schloss über die »Krisen der Gegenwart« reden. Neben anderen gehörte Schwilk zu den Initiator*innen des anti-antifaschistischen Berliner Appells, einer neu-rechten politischen Kampagne im Vorfeld der Bundestagswahl 1994. Und wo »auch etwas enttabuisiert wird«, ist Thilo Sarrazin nicht weit, der 2017 unter dem Titel »Zeitalter der Utopien« auf dem Schloss plauderte. Dem damaligen SPD-Mitglied bescheinigte schon 2010 ein Gutachten seine rassistischen, elitären und herabwürdigenden Aussagen.

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»Cancel Culture« als rechtes Totschlagargument

Auch in seiner aktuellen Reihe »Ettersburger Gespräch« sucht Krause nach Veranstaltungsgästen – und »die sind möglicherweise im Moment nicht links«, wie er dem Deutschlandfunk verrät. Angekündigt werden Paul Kirchhof, Stichwortgeber der AfD-Steuerpolitik unter Frauke Petry und Alexander Gauland, ebenso wie der Brexit-Verteidiger und Viktor Orbán-Versteher Wolfgang Streeck, der mit dem Vorsitzenden der Thüringer CDU-Landtagsfraktion, Mario Voigt, über das Thema »Zwischen Globalismus und Demokratie« reden soll. Natürlich darf auch Stammgast Harald Martenstein, der erst im Februar 2022 im »Tagesspiegel« das Tragen von Judensternen auf Corona-Demonstrationen als »sicher nicht antisemitisch« bezeichnete und daraufhin im Streit die Zeitung verließ, im aktuellen Programm nicht fehlen. Diese als »Cancel Culture« wahrgenommene Trennung macht Martenstein offenbar zum Experten, weshalb er bei Krauses Veranstaltung über »Cancel Culture. Legende oder Realität?« reden soll. Es sind Referent*innen wie diese, denen Krause auf Schloss Ettersburg unter dem kulturellen Mantel eine Bühne bietet und damit ihre Versuche bestärkt, auf den öffentlichen Diskurs Einfluss zu nehmen. Den Zuhörer*innen scheint es zu gefallen, der Deutschlandfunk bescheinigt dem Publikum des CDU-Veranstalters eine AfD-Affinität.