Wer an wessen Seite?

von Klaus Niebuhr
Antifa-Magazin »der rechte rand« Ausgabe 195 - März / April 2022

#Ideologie

Die Mehrheit der extremen Rechten in Deutschland steht im gegenwärtigen Krieg auf Seiten Russlands. Doch die ideologischen Ambivalenzen und Motive sind divers.

 

Magazin der rechte rand
Nationalist Vladimir Putin

Anfang März berichtete die rechte Wochenzeitung »Junge Freiheit« über Zoff in der Bundestagsfraktion der »Alternative für Deutschland« (AfD). Der aus Sachsen stammende AfD-Partei- und Fraktionschef, Tino Chrupalla, hatte in der Sondersitzung des Bundestages seine Redezeit darauf verwandt, Russland für dessen Rolle bei der Wiedervereinigung zu danken, Deutschland als neutralen Vermittler im gegenwärtigen Konflikt ins Spiel zu bringen und die Verbundenheit mit Russland zu betonen. Chrupalla dürfte dabei seine ostdeutschen, mehr noch die russlanddeutschen Wählerinnen der AfD im Auge gehabt haben. Diese Wählerinnengruppe mit ihrem national-konservativen Verständnis von Gesellschaft hat die Partei in den zurückliegenden Jahren besonders stark umworben. Ihr und der Putin-Anhängerinnenschaft der Partei im sächsischen PEGIDA-Belt gilt Chruppallas Aufmerksamkeit. Dass die Stellungnahmen aus den ostdeutschen AfD-Landverbänden von einem Verständnis für die russische Position geprägt sind, spiegelt die politische Orientierung in der Wählerinnenschaft der Partei. Dies kollidiert freilich mit der Position der, zumeist westdeutschen, »Atlantiker« in der AfD-Bundestagsfraktion.
Chrupalla, an dessen Besuche in Moskau in der Presse wieder erinnert wird, hat seit Anfang März einen neuen persönlichen Referenten. Es handelt sich um Dimitrios Kisoudis. Der 40-jährige gilt als Verfechter der eurasischen Idee und ist Markus Frohnmaier eng verbunden, der in seiner Zeit als Aktivist der »Jungen Alternative« in Russland Kontakte knüpfte.

Auf beiden Seiten der Front
Die Affinität der extremen Rechten zu Russland und Wladimir Putin speist sich aus der dort ideengeschichtlich seit dem Beginn des 20.Jahrhunderts tradierten Sichtweise, in Russland einen Antipoden zum Westen, zum als dekadent wahrgenommenen Liberalismus, zur Moderne zu sehen. Russland erscheint als der Gegen–Westen. Dies nimmt Anschluss an Putins politische Agenda von einer starken, christlich-orthodoxen Nation. Die Konfliktlinien und Ambivalenzen des extrem rechten Lagers zeigen, dass die Kohärenz rechter ideologischer Grundannahmen wie Volk, Nation und überzeitliche Schicksalsherrschaft an der Komplexität der wirkenden Interessenwidersprüche des Krieges brüchig wird. Geopolitische Positionen und eingeübte Loyalitäten zu diversen extrem rechten Akteurinnen in Osteuropa stehen einander gegenüber. Traditionell steht die Geopolitik in der Rechten hoch im Kurs. Deu- tungen der gegenwärtigen Lage in der Auseinandersetzung zwi- schen der Ukraine und Russland folgen dem Spin, Russland trete mit seinem Krieg der geopolitischen und ideologischen US-Hegemonie entgegen, die zu den Motoren von »Genderismus« und »Multikul- turalismus« zähle. Russland hingegen verteidige europäische und identitäre Positionen. Geopolitisch steht die extreme Rechte dem antiwestlichen Konzept von Eurasien nahe. Die Verfechterinnen eines Eurofaschismus im Umfeld des »Jungeuropa Verlags« von Phillip Stein optieren dementsprechend für eine extrem rechte Idee von
Europa als Bollwerk gegen den Islam und westliche Dekadenz, die in der extremen Rechten seit längerem unter dem Begriff »Globalismus« firmiert. Die Friktionen innerhalb des rechten Lagers ergeben sich daraus, dass dort Verbindungen zu Faschistinnen sowohl in der Ukraine als auch in Russland bestehen. So fällt es schwer, sich zwischen der Zustimmung zu Putins antiwestlichem Krieg und der Heroisierung des ukrainischen Widerstands zu entscheiden. Die Spannung zwischen einer Parteinahme für den russischen Nationa- lismus, der als Neo-Imperialismus agiert, oder für den ukrainischen Ultranationalismus, wie ihn die Partei des »Rechten Sektor« und das »Asow-Bataillon« vertreten, ist ideologisch nicht auflösbar. Hierzulande steht die neonazistische Kleinstpartei »Der III. Weg« für »ein unabhängiges und freies Europa, welches sich vom Einfluß rus- sischer und amerikanischer Machtinteressen zu befreien hat« fest an der Seite ukrainischer Faschistinnen.
Beachtenswert sind zudem Statements, die sich gegen den Charakter des Krieges als »Bruderkrieg« wenden. »No more Brotherwar« ist im Telegram-Kanal des RechtsRock-Labels »PC-Records« zu lesen.
»Ein schwarzer Tag für Europa. Die beiden größten Hoffnungsträger für unsere Art, stehen sich im Krieg gegenüber. Der lachende Dritte ist bekannt.« Der Antisemitismus wird unausgesprochen mitgeliefert. Bei Martin Sellner, dem Gründer der »Identitären Bewegung« in Deutschland und Österreich geht die Befürchtung um, der Krieg in der Ukraine könne das rechte Lager gleich mehrfach spalten. Gründe für diese Annahme gibt es genug.

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Haltung zu Geflüchteten
In der Frage des Umgangs mit Geflüchteten aus der Ukraine zeichnet sich eine weitere Bruchlinie innerhalb der AfD ab. Während etwa Erika Steinbach, Neu-Mitglied der AfD seit März 2022, zu Spenden
für aus der Ukraine Flüchtende aufruft, schreibt der stellvertretende »Junge Alternative«-Vorsitzende NRW, Nils Hartwig: »Die deutsche Rechte wäre gut beraten, nicht plötzlich in einen falsch verstandenen Humanismus zu verfallen und die Aufnahme ukrainischer Flüchtlinge zu fordern.« Andere Stimmen in der extremen Rechten verweisen darauf, dass es sich bei den ukrainischen Geflüchteten um
Weiße und Christen handle, die Solidarität verdient hätten. Das extrem rechte »Konflikt-Magazin« vertritt die Auffassung: »Jeder Ukrainer in Deutschland ist einer zu viel, diese Leute gehören bestenfalls in der Westukraine gesammelt oder in den angrenzenden Ländern.«