»Wild, Wald und Pferde«

von Ernst Kovahl
Antifa-Magazin »der rechte rand« Ausgabe 195 - April 2022

#Ostpreussen

Das »Ostpreußische Landesmuseum« in Lüneburg gibt sich geläutert, die revanchistischen Wurzeln seien gekappt. Doch das Museum ist weiter fest in der Hand der »Vertriebenen« – und in einem Förderverein haben Rechte das Sagen.

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Unverfänglich? Tiere im Nationalsozialismus – Vortrag am 20. April 2022 – dem Geburtstag von Adolf Hitler.

»Wild, Wald und Pferde« zeige das Museum, heißt es auf der Website des »Ostpreußischen Landesmuseums« (OLM) in Lüneburg. Mitten in der Innenstadt wird die Geschichte Ostpreußens nachgezeichnet. Die früher deutsche Region gehört heute zu Polen und mit der Oblast Kaliningrad (»Königsberg«) zu Russland. Elche, Bernstein und Immanuel Kant sollen das Bild der Region prägen – alles harmlos, alles unpolitisch.
Nach Diskussionen über ihre Ausrichtung ist die Ausstellung vor wenigen Jahren völlig überarbeitet und von revanchistischen Elementen befreit worden. So waren die Konflikte 2004 und 2005 bundesweit in der Presse, weil der damalige Museumsdirektor Ronny Kabus sich dagegen gewehrt hatte, dass die »Vertriebenen« in den Entscheidungen »die erste Geige« spielten und das Land Niedersachsen und der Bund kaum Einfluss hätten. Kabus wollte das OLM aus der »Vertriebenenecke« herausholen.

Staatliches Geld

Heute gibt es keine Diskussionen mehr. Örtliche Abgeordnete erklären stolz, wie viel Fördergeld sie für die Einrichtung bei Bund und Land eingeworben hätten: Das Museum bewahre »das kulturelle Erbe der Ostpreußen und der Deutschbalten für zukünftige Generationen. Daher finde ich es wichtig, dass der Bund das Museum in dieser wichtigen Funktion fördert«, freute sich beispielsweise die SPD-Landtagsabgeordnete Andrea Schröder-Ehlers und kündigte für 2020 etwa 900.000 Euro aus dem Bundesetat an. Für den Neubau einer Ausstellung über den ostpreußischen Philosophen Immanuel Kant stellte der Bund etwa acht Million Euro zur Verfügung – zum 300. Geburtstag von Kant 2024 soll der Neubau eröffnet werden.

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In der Hand der »Vertriebenen«

Seit 1987 wird das Museum auf Grundlage des Bundesvertriebenengesetzes vom Bund und dem Land Niedersachsen gefördert. Die Aufgabe sei »die Bewahrung und Erforschung der Geschichte und Kultur Ostpreußens sowie die museumsgemäße Darstellung seiner vielgestaltigen, über Jahrhunderte währenden Realität«. Die Grundlage des Museums bildete eine 1958 begonnene Sammlung des »Ostpreußischen Jagdmuseums«. Gründer war Ernst Hans Ludwig Loeffke, der nach 1945 ein führender Funktionär der »Landsmannschaft Ostpreußen« (LMO) war. Immer wieder kam es bis in die 1990er Jahre zu revanchistischen Veranstaltungen im Zusammenhang mit dem Museum.
Seit 1992 wird das Museum von der »Ostpreußischen Kulturstiftung« (OKS) betrieben. Obwohl staatlich finanziert, kontrollierten die »Vertriebenen« die Arbeit. Das wird exemplarisch am OKS-Vorsitzenden Rolf-Dieter Carl deutlich. Der 74-Jährige war von 1987 bis 1991 Bundesgeschäftsführer der LMO – also in jenen Jahren, als dort weit stärker als heute revanchistische Positionen vertreten wurden.

Fördervereine

Rund um das Museum existieren mehrere Fördervereine, die auch auf dessen Homepage beworben werden. Stiftungschef Carl ist zugleich Vorsitzender des Vereins »Freunde des Ostpreußischen Landes- und Jagdmuseum e. V.« Hier ist als Vorstandsmitglied auch Jörn Barfod dabei, wissenschaftlicher Kurator des Museums. Politisch interessant wird der Verein durch seinen früheren Vorsitzenden Erik Dorff. Er kommt – wie weitere Familienmitglieder – aus der völkischen Studentenverbindung »Deutsche Gildenschaft«.

 

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Wilhelm von Gottberg beim Deutschlandtreffen der »Landsmannschaft Ostpreußen« im Jahr 2000. © Mark Mühlhaus / attenzione

 

Die politische Verortung des »Förderkreis Ostpreußisches Jagdmuseum Hans-Ludwig Loeffke Gedächtnisvereinigung e. V.« ist weitaus einschlägiger, wie aktuelle Unterlagen zeigen: Stellvertretender Vorsitzender ist weiterhin Wilhelm von Gottberg. Das langjährige CDU-Mitglied fiel wiederholt durch rechte Äußerungen auf, unter anderem bezeichnete er den Holocaust als »wirksames Instrument zur Kriminalisierung der Deutschen und ihrer Geschichte«. Von 2017 bis 2021 saß er für die »Alternative für Deutschland« (AfD) im Bundestag. Neben ihm prägt vor allem die Vorsitzende Barbara Loeffke-Eggert als lautstarke Vertreterin der Interessen der »Vertriebenen« das Bild des Vereins. Bis heute hängt ihr die mögliche Nähe zu einem rechtsradikalen Verein nach: 2008 lud ein führendes Mitglied der rassistischen »Artgemeinschaft – Germanische Glaubensgemeinschaft« zu einer Veranstaltung des niedersächsischen Ablegers des »Kulturwerks Österreich – Landesgruppe Kärnten« ein. Loeffke wurde damals in einer handschriftlichen Ergänzung der offiziellen Einladung als Referentin zum Thema »Gedanken über Heimat« benannt. Ob sie tatsächlich vorgetragen hat, ist trotz Recherchen nicht belegbar. Ihr politisches Wirken auf das Museum ist aber so einschlägig, dass die damalige Lüneburger SPD-Vorsitzende Hiltrud Lotze 2008 forderte, dass die Einflussnahme von Loeffke »zurückgedrängt werden« müsse.

Will das steuerfinanzierte Museum sich von seinen revanchistischen Wurzeln trennen, muss es sich auch von dem Rechtsradikalen von Gottberg und dem von ihm geleiteten Verein trennen. Und es muss auch die politische Vergangenheit seiner Vereine aufarbeiten. Bund und Land müssen zudem ihre Förderung daran knüpfen, dass das Museum nicht mehr von den »Vertriebenen« gesteuert werden kann.