»Erfolg und Ernüchterung«

von Robert Andreasch
Magazin »der rechte rand« Ausgabe 175 - November / Dezember 2018

#Bayern

Bei der Landtagswahl in Bayern erreichte die »Alternative für Deutschland« ein Ergebnis von 10,2 Prozent. 22 Abgeordnete der Partei ziehen nun ins Maximilianeum ein.

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© Antifa Magazin »der rechte rand«

Seit 1970, als die NPD mit 2,9 Prozent aus dem bayerischen Landtag flog, saß schließlich kein Vertreter beziehungsweise keine Vertreterin einer dezidiert extrem rechten Partei mehr im Maximilianeum. Jetzt, nach der Landtagswahl am 14. Oktober 2018, sind es fast zwei Dutzend KandidatInnen der »Alternative für Deutschland« (AfD) von den sieben Bezirkslisten, die es dank des Gesamtergebnisses – Erst- und Zweitstimme werden in Bayern zusammengezählt – von 10,2 Prozent in den Landtag schafften. Auch bei dieser Wahl gab es Regionen, in denen die AfD besser abschneiden konnte, zum Beispiel in Regen (Niederbayern, 16,2%), Cham (Oberpfalz, 16%), Günzburg (Schwaben, 14,1%) oder Bamberg-Land (Oberfranken 14%). Der ganz überwiegende Teil der Abgeordneten kann der extremen Rechten zugeordnet werden: die Höcke-Freundin Katrin Ebner-Steiner ist darunter oder Andreas Winhart, der mit Hakenkreuzfotos für Skandale sorgte. Roland Magerl war im bei Neonazis beliebten »Ansgar Aryan«-Shirt aufgetreten und der nun ebenfalls gewählte Ralf Stadler hatte sich im laufenden Wahlkampf öffentlich mit der Holocaustleugnerin Ursula Haverbeck solidarisiert.
Erst sehr spät sind antifaschistische Proteste gegen den AfD-Wahlkampf ins Rollen gekommen; bei geschätzt Dreiviertel der AfD-Wahlkampfaktionen dürfte es überhaupt keinen oder nur einen sehr marginalen Protest gegeben haben. Und doch kam es immer wieder zu Überraschungen, wie beim Auftritt von Björn Höcke in Elsenfeld. In dem kleinen unterfränkischen Markt, der bisher nicht gerade als antifaschistische Hochburg galt, strömte am Abend des 14. September 2018 rund ein Drittel der 9.000 EinwohnerInnen zusammen, um gegen die AfD zu protestieren.

Alles wie immer im Freistaat
Der ressentimentgeladene Wahlkampf von AfD und CSU (s. drr Nr. 174) hat bei den WählerInnen offensichtlich Anklang gefunden. Mit Parolen wie »Der Islam gehört nicht zu Bayern«, »Konsequent abschieben« und »Wir sind das Original« konnte die AfD der CSU zudem 300.000 ehemalige WählerInnen abringen. Im CSU-Wahlprogramm stand: »Das System aus Grenzpolizei, AnkerZentren und Landesamt für Asyl und Rückführungen hat dafür gesorgt, dass in Bayern weniger Menschen ankommen und diejenigen ohne Bleiberecht unser Land wieder verlassen«. »Freie Wähler«-Chef Hubert Aiwanger hatte mit der Parole »Asylpolitik versinkt im Chaos. Merkel, Seehofer und SPD, Ihr seid nur noch eine Belastung für dieses Land!« Wahlkampf gemacht und die FDP forderte in ihrem Landtagswahlprogramm eine »zügige Rückführung rechtskräftig ausreisepflichtiger Asylbewerber«. Rückblickend stimmten, addiert man die Prozentpunkte von AfD, CSU, FW und FDP, fast zwei Drittel der bayerischen WählerInnen für eine dezidiert gegen Geflüchtete gerichtete Politik.

Lob und Tadel
Die AfD war in den letzten Monaten vor der Wahl großspurig aufgetreten. Das Ergebnis der Bundestagswahl in Bayern (12,4 %) wollte man erheblich übertreffen, die Spitzenkandidatin Katrin Ebner-Steiner kündigte noch kurz vor der Wahl ein Ergebnis von über 20 Prozent für ihre Partei an. Letzten Endes gaben knapp 1,4 Millionen WählerInnen der AfD ihre Erst- und Zweitstimme. Landesweit wurde die AfD damit – vor der SPD (9,7%) – viertstärkste Kraft. Die zentrale Wahlparty der AfD fand in Mamming in der niederbayerischen Provinz statt, im Gasthaus Apfelbeck, einem abgelegenen Stammlokal von AfD und anderen rechten Gruppen. Alice Weidel twitterte von hier aus: »Ich gratuliere der AfD Bayern zu diesem riesigen Erfolg!« Björn Höcke, der bei einer ganzen Reihe von Wahlkampfveranstaltungen in Bayern aufgetreten war, meldete sich dagegen eher zurückhaltend aus Thüringen: »Der Einsatz unserer Mitglieder, Kandidaten und Wahlkämpfer in Bayern verdient höchsten Respekt und wurde schließlich mit einem zweistelligen Ergebnis bei der Wahl belohnt.« Die an Zeilen einstellige Pressemitteilung, die Georg Pazderski am Abend für den AfD-Bundesvorstand versandte, enthielt bereits Durchhalteparolen: »Uns gehört die Zukunft! Die AfD wird Volkspartei.« Auf dem »PI-News«-Blog analysierte Wolfgang Hübner das AfD-Ergebnis als »Erfolg und Ernüchterung«. Felix Lautenschläger und Jürgen Elsässer ätzten auf der Webpräsenz des »Compact«-Magazins frustriert gegen Teile der Partei: »Das 10%-Desaster. Warum die AfD in Bayern versagte.« Elsässers Fazit: »Bayern ist für den Befreiungskampf verloren und damit der gesamte Westen. Nun müssen mit aller Kraft die Bastionen im Osten verteidigt werden.« Ganz offensichtlich macht die AfD als »Bewegungspartei« nun die Erfahrung anderer sozialer Bewegungen: Selbst ein Bedeutungszuwachs oder eine ungebremste Radikalisierung können durch zeitweilige Latenzen oder gar Abschwünge begleitet werden. Im Wahlkampf war das bereits zu beobachten: Bei Veranstaltungen blieb der BesucherInnenzuspruch manchmal deutlich aus und immer wieder fielen gerade prominent besetzte Versammlungen kurzfristig aus. Der erneute Wahlerfolg der AfD wird allerdings die gesamte extreme Rechte im Südosten stärken: Zu den 14 bayerischen Bundestagsabgeordneten und ihrer bisherigen Büroinfrastruktur kommen nun noch die Büros und MitarbeiterInnen der Landtagsabgeordneten sowie das Fraktionspersonal und die Fraktionsinfrastruktur hinzu.