Rechte Publizistik – zugänglicher und vielfältiger denn je

von Fabian Virchow
Magazin "der rechte rand" Ausgabe 172 - Mai / Juni 2018

#Publikationen

Ende 2017 erreichte die BezieherInnen der Zeitschrift »Deutschland in Geschichte und Gegenwart« die Mitteilung, das Blatt werde zum Jahresende eingestellt. Die im »Grabert-Verlag« erscheinende Vierteljahresschrift war Mitte der 1950er Jahre zunächst als »Deutsche Hochschullehrer-Zeitung« gegründet worden und kann daher zu den traditionsreichsten Blättern des rechten Lagers gerechnet werden. Sie gehörte mit ihren programmatischen Artikeln, historischen Beiträgen und völkischen Texten lange zum Kernbestand rechter Publikationen in der Bundesrepublik der Nachkriegszeit. Das Verschwinden der Zeitschrift wird der breiteren Öffentlichkeit jedoch weitgehend verborgen bleiben, war sie doch im Handel – etwa an Bahnhofskiosken – nicht erhältlich, sondern ausschließlich im Abonnement.

Magazin der rechte rand

Zeitschriftenstand am Bahnhof – Normalität der rechten Blätter-Vielfalt
© Archiv »der rechte rand«

Blickt man auf die extrem rechte Presselandschaft der Bundesrepublik Deutschland zurück, so lassen sich für die vergangenen Jahrzehnte Tausende von Zeitschriften und Zeitungen, von Mitteilungsblättern und Zirkularen identifizieren, die von Organisationen und Vereinen – gelegentlich auch von Einzelpersonen – verantwortet wurden. So vielfältig die Zielgruppen der einzelnen Publikationen waren (Jugend, SchülerInnen, Frauen, ehemalige und noch diensttuende Soldaten, Vertriebene, Burschenschafter, Parteimitglieder, …), so unterschiedlich waren auch ihre Titel: Neben Funktionsbezeichnungen wie »Informationsdienst der Dritten Front«, »DESG-inform« oder »NPD-Pressedienst« fanden sich vielfach auch Schlagworte im Titel, die das Selbstbild der programmatische Selbstverständnisse der Herausgebenden ausdrückten – von »Angriff« und »Aufbruch«, »barricade« und »Biologische Zukunft« über »NS heute« und «NS Kampfruf« bis »Zeitenwende« und »Zentralorgan«.

Das Angebot an gedruckten Periodika hat sich nicht erst mit der Etablierung des Internets und dessen Nutzung auch durch rechte AkteurInnen verändert; in der Nachkriegsbundesrepublik sind vielfach Zeitungen und Zeitschriften aufgetaucht und verschwunden. Beides hatte häufig mit dem Entstehen beziehungsweise Verschwinden von Organisationen zu tun. Beispielsweise gab die »Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei« (FAP) mit ihren meist kleinen Vorfeldorganisationen bis zu ihrem Verbot im Februar 1995 neben »Standarte« eine Vielzahl von lokalen Blättern heraus. Zwar hatten diese häufig nur einen Umfang von vier bis acht Seiten, erzeugten aber bei den Beteiligten den Eindruck, hier sei eine politische Kraft mit hoher Außenwirkung am Werk. Manche Projekte, wie etwa der Versuch, in den 1990er Jahren mit »Credo« ein Hochglanzmagazin auf den Markt zu bringen, scheiterten an fehlenden finanziellen Ressourcen. Andere, wie »Zentralorgan«, wurden nach Strafverfahren gegen einige Beteiligte nicht fortgeführt. Die Auflagenhöhe bewegte sich zwischen einigen Hundert – etwa bei den neonazistischen Skin-Zines – bis hin zu mehreren zehntausend Exemplaren wie derzeit bei der Wochenzeitung »Junge Freiheit« und »Compact«.

Hohe Kontinuität und erheblichen Einfluss auf den Selbstverständigungsprozess der extremen Rechten und des nationalkonservativen Spektrums hatten organisationsunabhängige Zeitschriften wie ­»Criticón«, »Nation Europa«, die »Staatsbriefe« oder auch die »Etappe«. Dass sie eingestellt wurden, hat vielfach mit dem Tod oder Rückzug derjenigen zu tun, die dem Blatt Profil und – im jeweiligen Spektrum oder gar darüber hinaus – Renommee verschafft haben. Dies gilt auch für die von Gerhard Frey herausgegebene »National-Zeitung«, die viele Jahrzehnte unter leicht wechselnden Bezeichnungen aufgrund ihrer Sichtbarkeit an vielen Zeitungskiosken erste Kontakte ins extrem rechte Milieu vermittelte, nach dem Tod des Gründers im Jahr 2013 aber weitgehend bedeutungslos geworden ist.

Die Möglichkeiten des Internets zur Verbreitung von Nachrichten und Meinungen sowie zur Mobilisierung zu Aktionen sind früh von der extremen Rechten genutzt worden; geringe Kosten, die Hoffnung auf eine große Ausstrahlung sowie die Möglichkeit, auch mit wenig technischem Wissen eigene Web-Seiten zu betreiben, haben unzählige Angebote im Netz entstehen lassen. Manche Zeitschrift – so etwa »Europa vorn« – stellte die Druckauflage ein und versuchte, Kontinuität im Netz herzustellen. Dies gelang jedoch nur selten. Kaum ein Druckprodukt kommt heute jedoch ohne begleitende Sichtbarkeit im Internet aus. Ergänzend werden dort beispielsweise Meldungen und Kommentare zu tagesaktuellen Ereignissen gebracht oder politische Interventionen diskutiert.

Angesichts der vielfach beschriebenen Krise der Printmedien, die auch auf den Bedeutungszuwachs des Internets zurückgeführt wird, ist es bemerkenswert, dass das Angebot an gedruckten Periodika stetig zunimmt. Dies gilt auch für die extreme und nationalkonservative Presse, der es gelungen ist, in den letzten zehn Jahren mehrere neue Zeitschriften und Zeitungen am Markt zu platzieren, das heißt diesen Titeln neben Kontinuität auch Sichtbarkeit zu verschaffen, etwa mittels des dauerhaften Vertriebs durch den Presse-Großhandel, allerdings vielfach ohne ein breites Spektrum an AnzeigenkundInnen. Zu nennen sind hier insbesondere die Wochenzeitung »Junge Freiheit«, die mit der Entstehung einer völkisch-nationalistischen Massenbewegung in den Jahren nach Erscheinen von Thilo Sarrazins Buch »Deutschland schafft sich ab« dauerhaft etabliert werden konnte, das Monatsblatt »Zuerst!«, das sich ohne externe Anzeigeneinnahmen aufgrund anderer Einnahmequellen des ehemaligen Aktivisten der »Jungen Nationaldemokraten«, Dietmar Munier, trägt, das völkisch-souveränistische Blatt »Compact« von Jürgen Elsässer sowie in jüngerer Zeit »Cato«. Andere Titel – so etwa die »Preußische Allgemeine Zeitung« (vormals »Das Ostpreußenblatt«) – haben erfolgreich neue LeserInnen erschlossen, indem sie eine thematische Engführung überwunden haben. Die Kaperung von Zeitschriften wie »Cicero« oder »Tumult« durch rechte AutorInnen macht deutlich, dass die völkisch-nationalistische Massenbewegung über eine zahlenmäßig relevante, akademisch gebildete und bürgerlich situierte Mittelschicht mit entsprechenden Ressourcen verfügt, die auch infrastrukturell wichtige Projekte trägt wie zum Beispiel – durch Buch- und Geldspenden – die Berliner »Bibliothek des Konservatismus«.

In der Vergangenheit haben insbesondere parteiunabhängige Publikationen der extremen Rechten den Versuch unternommen, im Rahmen von sogenannten »Leserkreisen« oder »Lesertreffen« die Bindung zwischen der Zeitschrift und den Lesenden zu festigen und entsprechende Treffen auch mit dem Ziel der Verständigung über parteipolitisch aussichtsreiche Projekte zu nutzen. Dies ist derzeit mit dem Erfolg der AfD weitgehend überflüssig geworden: Sieht man von den Blättern der dogmatischen NS-Szene und eher sektenförmigen Strukturen der extremen Rechten ab, so beziehen sich – mal offensichtlich, mal eher indirekt – alle (extrem) rechten Periodika auf diese Partei. Sie bieten deren FunktionärInnen und Abgeordneten eine Plattform, versuchen das politische Profil zu beeinflussen oder deren AnhängerInnenschaft als LeserInnen zu gewinnen.

Dass auch trotz des Bedeutungszuwachses webbasierter Informationsangebote das Angebot an Zeitungen und Zeitschriften nicht an Bedeutung verloren hat, hat mehrere Gründe. Erstens: Für die Aufrechterhaltung der Organisation, die Tradierung der gruppenspezifischen Weltdeutung und die Sozialisation neuer Gruppenmitglieder geben auch weiterhin viele Gruppen eigene Zeitschriften heraus: Dies gilt für völkisch-religiöse Sekten wie die Ludendorffer-Bewegung ebenso wie für revanchistische Strukturen um den »Witiko-Brief« oder die christlich-reaktionäre Rechte. Entsprechende Publikationen haben vor allem eine nach innen gerichtete Funktion. Insbesondere diejenigen rechten politischen Strömungen oder Organisationen, die nicht nur ihr eigenes schmales Segment ansprechen wollen und das jeweilige Publikationsorgan vor allem als Organisationsersatz angelegt haben, können auf ein Printprodukt nicht verzichten. Für erhebliche Teile der Bevölkerung besitzen gedruckte Medien noch immer eine höhere Glaubwürdigkeit als reine Internetmedien. Zweitens entsprechen die Druckprodukte weiterhin verbreiteten Lesegewohnheiten, nicht zuletzt des bereits genannten Spektrums der völkisch-nationalistischen

Massenbewegung. Da diese in den letzten Jahren deutlich sicht- und hörbarer geworden ist (unter anderem mit Thilo Sarrazin, PEGIDA, AfD), sind entsprechende Vorhaben zur Neugründung ermutigt worden. Drittens erlauben technologische Innovationen und Globalisierung, wie zum Beispiel der Druck an Niedriglohnstandorten, inzwischen die Gestaltung und die Produktion von hochwertigen Mehrfarbprodukten zu vergleichsweise niedrigen Kosten. Schließlich: Ein Magazin wie »Cato«, das hinsichtlich Themenwahl, Sprache und visueller Gestaltung Dauerhaftigkeit und Beständigkeit ausstrahlen soll, erreicht ein rechtes, sich bildungsbürgerlich verstehendes Publikum. Ein vergleichbares Projekt wäre als Internetangebot kaum darzustellen beziehungsweise erfolgreich. »Cato« soll – wie früher die »Nation Europa« oder »Criticón« – ins Regal gestellt und bei passender Gelegenheit erneut hervorgeholt werden.

Vergleicht man die gegenwärtige Publizistik mit vorangegangenen Jahrzehnten, so lässt sich eine größere Vielfalt des Angebots feststellen, was den Erscheinungsrhythmus, das spezifische Profil sowie die thematische Schwerpunktsetzung einzelner Medien anbelangt. Ob historische Themen in »Deutsche Geschichte«, Militärfragen in »Deutsche Militärzeitung« oder aktuell die Neugründung seitens Felix Menzels »Recherche D« zu Wirtschaftsfragen – die Publizistik differenziert sich aus. Zugleich haben sich themenübergreifende Projekte wie die »Junge Freiheit« und die »Zuerst!« erfolgreich am Markt platziert, das heißt hier insbesondere im freien Verkauf an Kiosken und damit jenseits eines eingeschränkten Kreises von AbonnentInnen. Diese Entwicklungen sind ohne die Entstehung der völkisch-nationalistischen Massenbewegung nicht denkbar – wie sie andersherum diese Bewegung weltanschaulich bilden beziehungsweise schärfen und organisatorisch stabilisieren sollen.