Querelen und neue Gesichter in Hessen

von Sascha Schmidt


Magazin "der rechte rand" Ausgabe 170 - Januar 2018

der rechte rand Magazin Ausgabe 170

Robert Lambrou und Florian Kohlweg von der »Jungen Alternative« (JA)
© Mark Mühlhaus / attenzione

Der Landesverband der hessischen »Alternative für Deutschland« hat sich neu aufgestellt. Im Herbst 2018 stehen Landtagswahlen an.

Es war der zweite Versuch des Landesverbandes der »Alternative für Deutschland« (AfD), einen neuen Vorstand zu wählen. Mitte November mussten die Wahlen wegen technischer Probleme verschoben werden. Am 16. Dezember sollte es im mittelhessischen Gießen-Allendorf nun gelingen. Im Vorfeld der Wahlen hatte sich der seit langem gärende Streit zwischen den beiden Landessprechern Peter Münch und Albrecht Glaser zu einer öffentlich ausgetragenen Schlammschlacht entwickelt (s. drr Nr. 167). Die Vorwürfe: Intrigen und Machtbesessenheit. Der Höhepunkt: Zwei Wochen vor der Wahl zeigte Münch seinen Kontrahenten Glaser »wegen des Verdachts der Untreue pp.« an. Hintergrund waren Investitionen in Höhe von rund 200 Millionen D-Mark, die Glaser als Kämmerer der Stadt Frankfurt im Jahr 2000 angelegt hatte. Mit großen Verlusten musste die Stadt die Anlagen wieder verkaufen. Münchs Anzeige wiederum animierte nach Angaben von Rolf Kahnt, Landessprecher Nummer drei, 27 »hohe Funktionäre« zu einem Abwahlantrag gegenüber Münch. Diesem kam Münch mit seinem Rücktritt zuvor – nicht jedoch ohne nachzutreten. Den KandidatInnen für den neuen Landesvorstand warf Münch vor, die »Arbeit als Geschäftsmodell« zu betrachten. »Nach viereinhalb Jahren«, so Münch, »ist die AfD nicht besser als die Altparteien«, »der Zustand noch schlimmer, als in der CDU«. Glaser und Kahnt hatten ihren Rückzug bereits im Vorfeld angekündigt, Glaser mit Verweis auf sein Bundestagsmandat, Kahnt gab an, »amtsmüde« zu sein. Schließlich trennte sich auch dieses Sprecher-Trio, wie gewöhnlich in Hessen, im Streit.

»Alternative Mitte« ohne Bedeutung
Ohne öffentlichen Widerspruch seitens Glaser und Kahnt blieben dagegen Münchs Attacken auf den hessischen Ableger der »Alternativen Mitte« (AM). Die AM versteht sich als »konservativ-bürgerliche« Interessengemeinschaft in der AfD. Die AM Hessen hatte sich Ende Oktober gegründet. An der Versammlung, die symbolträchtig in Oberursel (Taunus) – dem Gründungsort der AfD – stattfand, nahmen jedoch nur 14 der 2.343 hessischen Parteimitglieder teil. Münch hatte die AM als nicht »satzungsgemäß« bezeichnet und Maßnahmen gegen beteiligte Parteimitglieder angekündigt. Nur zehn Tage später legten zwei der drei Sprecher der AM ihre Ämter nieder. Frustriert verblieb, als einziger Sprecher, der Hanauer Rechtsanwalt Walter Wissenbach.

 

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Weder Sprecher noch Stellvertreter wurde Andreas Lichert vom IfS , gratuliert hier Lambrou.
© Mark Mühlhaus / attenzione

Aufrufe zur Geschlossenheit
Schon zu Beginn des Landesparteitages zeichnete sich ab, dass die Mehrheit der 220 Delegierten weniger an inhaltlichen Debatten als an einer möglichst reibungslosen Neuwahl der Landesspitze interessiert war. Deutlich wurde dies an der Streichung des, vermutlich mit Kontroversen verbundenen, Punktes »Satzungsänderungen« sowie der thematischen Ausrichtung der Reden. Hier dominierten Angriffe auf politische GegnerInnen, Aufrufe zur Geschlossenheit und eine zum Teil herbe Kritik am alten Vorstand. Das Resultat war ein in Gänze neu aufgestellter Landesvorstand. Zudem hatte eine deutliche Mehrheit für die Reduzierung der Posten der LandessprecherInnen, deren StellvertreterInnen sowie der BeisitzerInnen von jeweils drei auf zwei gestimmt.

Andreas Lichert ohne Mehrheit
Zu den Leidtragenden dieses Ergebnisses gehörte auch der bisherige Beisitzer im Landesvorstand, Andreas Lichert. Der im Vorfeld als Landessprecher gehandelte Vorsitzende des neu-rechten »Instituts für Staatspolitik« (IfS) fiel unerwartet und deutlich durch – sowohl bei der Wahl zum Sprecher als auch zum Stellvertreter. Eine Rolle dürfte hierbei die ausgiebige mediale Thematisierung von Licherts Wirken im IfS sowie als Bevollmächtigter eines Hauskaufs in Halle, dessen Räume auch von der »Ein-Prozent«-Initiative und der »Identitären Bewegung« (IB) genutzt werden, gespielt haben. Vor Ort musste sich Lichert nicht nur von Seiten der Presse, sondern auch von Delegierten, Fragen zu seiner Nähe zur IB gefallen lassen. Licherts Wahl wäre, das war vielen der Anwesenden offensichtlich klar, medial als Rechtsruck des Landesverbandes bewertet worden.

»Gemäßigte« Gesichter
Überraschend deutlich wurden Robert Lambrou und Klaus Herrmann als neues Landessprecher-Duo gewählt. Beide verbanden in ihren Reden Kritik an ihren VorgängerInnen mit versöhnlichen Tönen. Lambrou (50), zwei Jahre lang SPD-Mitglied und seit März 2016 Geschäftsführer der AfD-Fraktion im Wiesbadener Rathaus, gilt ebenso wie das ehemalige CDU-Mitglied Herrmann (57), als gemäßigt. Doch die von beiden geforderte Geschlossenheit der Partei steht offenkundig auch für eine Akzeptanz des extrem rechten Flügels. Lambrou hatte in Bezug auf Lichert gegenüber der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung« (FAZ) betont: »Die AfD hat verschiedene Strömungen und Flügel. Ich denke, dass wir alle auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung stehen.« Diese Haltung kennzeichnete aus Sicht des Wiesbadener Stadtverordneten Wilfried Lüderitz auch Lambrous Fraktion in Wiesbaden. Lüderitz verließ die Partei nach der Bundestagswahl wegen »fehlende[r] klare[r] Abgrenzung der AfD-Fraktion Wiesbaden zu der innerparteilichen Radikalisierung der Bundespartei«. Auch der Abgeordnete Wilfried Bröder verließ die Fraktion. Wiederholt stand die AfD Wiesbaden öffentlich in der Kritik, mal wegen rassistischer Hetze eines Referenten, mal wegen des Aufrufs zur Gründung von »Wehrsportgruppen« durch ein Mitglied. Distanzierungen erfolgten – jedoch stets infolge der öffentlichen Thematisierung.
Auch Herrmann lässt jegliche Distanz gegenüber Lichert, mit dem er im Wetterauer Vorstand sitzt, vermissen. Er sei »froh«, so der ehemalige Kriminalbeamte im Mai 2016, dass Lichert »Vorstandsmitglied ist«. Eine mögliche Zusammenarbeit mit der ebenfalls im Wetterauer Kreistag sitzenden NPD schloss Herrmann zwar aus, stellte bezüglich der NPD jedoch auch klar: »Wenn jemand etwas Wahres sagt, muss man das akzeptieren, auch wenn einem die Partei nicht gefällt.«

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Zweiter Sprecher wurde Klaus Herrmann (Ex-Polizist) der hier gefeiert wird.
© Mark Mühlhaus / attenzione

»Junge Alternative« rückt nach
Als Stellvertreter der Landessprecher wurden der Geschäftsführer der AfD-Fraktion im Frankfurter Stadtparlament, Rainer Rahn, und der Vorsitzende der AfD-Fraktion im Kreistag Kassel, Florian Kohlweg, gewählt. Rahn, langjähriges Mitglied im Stadtparlament für die Fraktionen »Flughafenausbaugegner« und FDP, schlägt im »Römer« regelmäßig aggressive Töne an. Dies brachte ihm Mitte November eine Anzeige wegen »Volksverhetzung« ein. Der 21-jährige Kohlweg ist einer von drei VertreterInnen der »Jungen Alternative« (JA), die in den Landesvorstand gewählt wurden. Als BeisitzerInnen fungieren zukünftig der »gläubige Lutheraner« und Korporierte des »Wingolf Frankfurt«, Maximilian Müger, sowie, als einzige Frau im Landesvorstand, Mary Khan, die Vorsitzende der AfD Rodgau. Khan und Kohlweg wurden Anfang November bereits in den Landesvorstand der JA in Hessen gewählt. Mitgliedern der hessischen JA konnten in der Vergangenheit immer wieder Kontakte zur IB und der »Ein-Prozent«-Initiative nachgewiesen werden (s. drr Nr. 167). Im August stellte das Hessische Innenministerium auf Anfrage im Landtag fest: »Aufgrund der Beobachtung rechtsextremistischer Objekte ist der Landesregierung (…) bekannt, dass vereinzelt Verbindungen in Form von Personenüberschneidungen zwischen rechtsextremistischen Gruppierungen und der ‹Jungen Alternative› bestehen.« Khan sorgte Ende August in Frankfurt für Aufsehen, als sie auf einer Kundgebung mit ihrem Vater und PEGIDA-Redner, Zahid Khan, sowie Raffie Chohan von der »Dutch Defense League« sprach. Die dort anwesenden GegendemonstrantInnen bezeichnete Khan in ihrer Rede als »Faschisten«. Demgegenüber tritt Kohlweg in der Öffentlichkeit eher moderat auf. Doch Distanzierungen von Antisemitismus und Rassismus fallen auch dem Vorsitzenden des Kasseler Kreisverbandes nicht leicht, wie der Fall Klasen zeigt. Gottfried Klasen, Mitglied im Kreisverband Kassel, hatte im Sommer 2016 auf Facebook behauptet, der »Zentralrat der Juden« habe die »politische Kontrolle über Deutschland« inne. Auch warnte er davor, dass sich »edle Menschen« mit anderen »Rassen« vermischen. Die gegen Klasen gemachten Vorwürfe stufte Kohlweg zunächst als »teilweise abstruse Behauptungen« ein. Erst im Mai 2017, infolge weiterer Berichte über Klasen, kündigte er ein Ausschlussverfahren an. Nicht verwunderlich: Konnte doch noch im gleichen Monat im Kreisverband Kassel, vor laufender Kamera des Hessischen Rundfunks, und unter Beteiligung Kohlwegs, wie selbstverständlich über »Rassen« schwadroniert werden.

Zweistellig in den Landtag?
Entgegen ursprünglicher Planungen endete der Parteitag bereits nach einem Tag. Der neue Landesvorstand kündigte die Auseinandersetzung über inhaltliche Fragen für Frühjahr 2018 an. Dann gelte es auch, sich für die im Herbst 2018 stattfindende Landtagswahl aufzustellen. Vollmundig kündete Lambrou in seiner Rede an: »Wir kommen zweistellig – deutlich zweistellig – zu Ihnen in den Hessischen Landtag«. Mehr als 15 Prozent sollen es werden. 11,9 Prozent hatte die AfD in Hessen bei der Bundestagswahl erreicht – und damit das gleiche Ergebnis wie bei den Kommunalwahlen im März 2016. Die öffentlich geführten Auseinandersetzungen haben der Partei offenbar nicht geschadet. Der Einzug der AfD in den hessischen Landtag gilt als sicher. Welches Ergebnis die Partei erzielen wird, dürfte jedoch davon abhängen, wie stark der zivilgesellschaftliche Widerstand gegen die Partei sein wird.