Sieg an der Grenze zu Sachsen
von Sören Frerks
Magazin "der rechte rand" Ausgabe 169 - November 2017
Die Bundestagswahl hat offenbart, dass die »Alternative für Deutschland« in der einstigen NPD-Hochburg und dem heutigen PEGIDA-Kernland ihre größten Erfolge feiern konnte. Doch anderenorts erzielten die Rechten wenig beachtet ähnlich hohe Wahlergebnisse. Ein Blick nach Cottbus in der Lausitz.
Der Wahlabend brachte Gewissheit: Mit der »Alternative für Deutschland« (AfD) zieht eine neofaschistische Partei in den Bundestag ein, noch dazu als drittstärkste Kraft. Und in Sachsen erzielt sie mit 27 Prozent ihr bestes Zweitstimmenergebnis, verdrängt die CDU knapp von der Spitze und holt drei Direktmandate. Dass es in Brandenburg – direkt neben den sächsischen AfD-Hochburgen Bautzen und Görlitz – ebenso einen politischen Erdrutsch gab, blieb weitestgehend unbeachtet. Genauer im Wahlkreis »Cottbus-Spree-Neiße«, wo die AfD mit 26,8 Prozent ihr bestes Ergebnis im Bundesland erzielte und sich die Zweitstimmenanteile in einer ähnlichen Arithmetik verschoben. Die CDU fiel hier im freien Fall auf 24,1 Prozent (-11,6%). Ebenso »Die Linke«, die mit einem Minus von 6,1 noch auf 16,5 Prozent kommt. Die SPD schafft es noch auf 15,2 Prozent (-6,5%).
Dieser AfD-Sieg in Brandenburg ist keine völlige Ausnahme, schließlich hatte die Partei hier in 88 von 417 Kommunen die Nase vorn und verdrängte im gesamten Bundesland mit 20,2 Prozent die SPD (17,6%) auf Platz 3, dicht gefolgt von »Die Linke« (17,2%).
Eine Ursachensuche
Cottbus ist mit 100.534 EinwohnerInnen die zweitgrößte Stadt Brandenburgs und verzeichnet mit etwa 12 Prozent eine überdurchschnittlich hohe Arbeitslosenquote. Seit der Wende sank die EinwohnerInnenzahl um mehr als 28.000. Dass Cottbus mit dem Überschreiten der 100.000er Marke seit diesem Jahr wieder eine Großstadt ist, hat das Rathaus vor allem dem Zuzug von Flüchtlingen zu verdanken. Der Anteil von EinwohnerInnen ohne deutschen Pass, ist im Vergleich zu anderen Städten aber weiterhin sehr gering. Im Umland mit den Städten Guben und Forst ging die Wirtschaftskraft in den letzten Jahren außerdem kontinuierlich zurück. Dazu passt die Analyse des Landeswahlleiters, wonach die AfD dort viele Stimmen holte, wo wenig junge Menschen, wenig Kinder und wenig »Ausländer« leben und die Wirtschaft lahmt.
Neonazis im Stadion – RassistInnen auf der Straße
Die Zustimmung zur AfD fußt aber nicht allein auf einem sozialstrukturellen oder gefühlten Abgehängt-Sein. Das zeigen sowohl die Zugewinne im wirtschaftlich starken Süddeutschland als auch die Rekrutierung von WählerInnen, die insbesondere aus Erwerbslosen und ArbeiterInnen besteht, aber ebenso sehr Angestellte und Selbstständige umfasst. Was verbindet diese unterschiedlichen Gegenden und WählerInnenschaften? Das Stichwort ist ein nahezu omnipräsenter und tiefverwurzelter Rassismus, der mit der Abwehr gegen Flüchtlinge und alles Fremde seit nunmehr fünf Jahren an die Oberfläche gespült wird. Dazu kommt eine Entwicklung, die sich schon nach der Bundestagswahl 2013 zeigte, als die AfD dort hohe Ergebnisse erzielte, wo auch die NPD stark war oder Neonazis besonders aktiv sind.
Auch wenn sich die »Nationaldemokraten« nun im Tiefflug befinden, gilt Cottbus seit Jahren als eine Neonazihochburg und die Szene zeigte sich um die Wahl aktiv und geeint. Über Wochen schaffte es der Verein »Zukunft Heimat« – der bereits seit 2015 gegen Flüchtlingsunterkünfte mobilisiert – im Sommer 2017 Aufmärsche mit 300 bis 500 TeilnehmerInnen zu organisieren. Darunter Mitglieder der NPD, der »Identitären Bewegung« und von PEGIDA aus Dresden. Außerdem die RechtsRock-Band »Frontalkraft« sowie rechte Hooligans des Regionalligisten »Energie Cottbus« und die Betreiber vom Versand »Black Legion«. Mit dabei war auch die AfD, unter anderem mit ihren Landtagsabgeordneten Andreas Kalbitz und Birgit Bessin, die sogar als RednerInnen auftraten. Am 13. Juni 2017 wurden zwei Gegendemonstranten dann direkt nach der Veranstaltung zusammengeschlagen. Nur ein Vorfall von vielen. Die Stadt liegt laut »Opferperspektive Brandenburg« bei rechter und rassistischer Gewalt im Bundesland an der Spitze – allein 2016 waren es 41 Angriffe. Im September letzten Jahres wurde eine Studierendenparty im alternativen Jugendclub »Chekov« von 20 Neonazis überfallen. Im Januar folgte eine weitere ‹Kommandoaktion›, als ein Block von 120 schwarz Vermummten unter Bengalos und dem Banner »Verteidigt Cottbus!« durch die Stadt zog.
Dahinter steckt eine Neonaziszene, die intensiv mit dem Hooliganspektrum verbandelt ist und militant agiert. Diese trat auch im Mai 2017 bei einem Auswärtsspiel gegen den linken Erzrivalen »Babelsberg 03« vermummt auf den Plan. Etwa 100 Anhänger um die nur offiziell aufgelöste und weiterhin aktive Hooligangruppe »Inferno Cottbus« versuchten den Platz zu stürmen und skandierten Parolen wie »Arbeit macht frei« und »Zecken, Zigeuner und Juden«. Unter den Fans im Gästeblock die AfD in Persona von Jean-Pascal Hohm. Nach dem Vorfall verlor er zwar seine Mitarbeiterstelle in der Landtagsfraktion, aber er ist der Partei weiterhin eng verbunden und Beisitzer im Landesvorstand der AfD-Jugendorganisation »Junge Alternative«. Begleitet wurde er vom Leiter der »Identitären Bewegung« in Berlin-Brandenburg, Robert Timm, dessen Wohnung in Cottbus im August von der Polizei durchsucht wurde.
Zwar demonstrieren in der ‹Lausitzer Metropole› seit langem auch zahlreiche Initiativen gegen die Neonazis und auch das antifaschistische Sommercamp fand 2017 hier statt. Doch was bleibt, sind fast 35.000 Stimmen für die AfD im Wahlkreis, das Problem namens Rassismus, eine gefestigte Neonaziszene sowie die Rathausspitze, die sich gegen »jedweden politischen Extremismus« positioniert. So ist bisher offen, ob im April 2017 in Cottbus eine 22-jährige Studentin aus Ägypten vorsätzlich überfahren wurde. Sie starb wenige Tage später an ihren Verletzungen. Erst nachdem ZeugInnen öffentlich von einer Beschleunigung des Autos und rassistischen Beschimpfungen der Insassen berichteten, begann die Staatsanwaltschaft zu ermitteln.
In einer früheren Version hieß es, dass Jean-Pascal Hohm weiterhin Mitarbeiter in der AfD-Landtagsfraktion ist. Dies wurde korrigiert.