Rezensionen Ausgabe 166
von Fabian Kunow, Sascha Schmidt, Paul Wellsow
Magazin "der rechte rand" Ausgabe 166 - Mai 2017
Was will die AfD?
von Fabian Kunow
Die »Alternative für Deutschland« (AfD) ist bundesweit zur drittstärksten Partei aufgestiegen. Mittlerweile sind etliche Publikationen über die AfD auf den Büchermarkt gekommen und unzählige Beiträge in Fachzeitschriften verfasst worden. Nun ist ein weiteres Buch hinzugekommen, das aus dem Rahmen fällt. Es ist das journalistische Werk »Was will die AfD? Eine Partei verändert Deutschland« des Inlandsredakteurs der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung« (FAZ), Justus Bender, der die Partei seit ihren Anfängen begleitet. Er kennt das AfD-Personal nicht nur aus Veröffentlichungen, sondern aus dem direkten Gespräch und kann gut beschreiben, was für Charaktere sich in den Parteiversammlungen finden. Dieses Personal öffnet sich dem Journalisten einer bürgerlich-konservativen Zeitung ganz anders als gegenüber »linksversifften« BerichterstatterInnen. Bender bekommt – vermutlich aus taktischen Gründen – in innerparteilichen Schmutzkampagnen Material zugesteckt, wo andere JournalistInnen nur mutmaßen können. Denn innerparteiliche GegnerInnen werden in der AfD mit einer Härte bekämpft, die gegenüber dem äußeren Feind oft nicht angewendet wird. Dieser brutale Umgang bei parteiinternen Machtkämpfen sowie die Verzahnung eines weit gefassten Verständnisses von Meinungsfreiheit mit einem Anti-Autoritarismus, der zum Autoritären wird, seien die Ursachen für die Radikalisierung der Partei, so die These Benders. Diese erfasste als erstes den Flügel um Parteigründer Bernd Lucke und spült vielleicht nun auch die damalige Gewinnerin des Machtkampfes, Frauke Petry, hinaus. Die AfD-Struktur und die Erwartungen der Parteimitglieder, die kein Maß der Selbstbeschränkung akzeptieren, liefen automatisch darauf hinaus, dass sich die Lautesten und Radikalsten immer durchsetzen werden. Diese Funktionsweise unterscheide die AfD von den Anfängen der Partei »Die Grünen« in Westdeutschland, wo ‹Realos› und ‹Fundis› miteinander rangen. Solche flott verfassten Beobachtungen und Thesen machen das Buch »Was will die AfD?« zur kurzweiligen Lektüre, die ohne wissenschaftliche Fussnoten und Wortungetüme auskommt.
Ein Manko hat das Buch freilich: Bender drückt sich um eine politische Einordnung der AfD. Zwar weiß er, was die AfD alles nicht ist, doch zu einer Einordnung kann er sich nicht durchringen. Gegenüber der Antifa hingegen funktioniert Benders politisches Koordinatensystem. Hier meint er, es seien »Linksextremisten«.
Bender, Justus (2017): Was will die AfD? Eine Partei verändert Deutschland. München 2017, Pantheon-Verlag, 14,99 Euro.
KKK in Deutschland
von Paul Wellsow
Der rassistische »Ku-Klux-Klan« (KKK) wurde in Deutschland nie ernstgenommen. Oft genug galt er bloß als Sekte saufender Neonazis mit skurrilen Riten, importiert aus den USA und ohne Relevanz. Außer einigen journalistischen Arbeiten in Massenmedien und Aufsätzen in antifaschistischen Fachzeitschriften (s. unter anderem drr 159) ist qualifizierte Literatur zu diesem Thema rar. Nun haben Frederik Obermaier und Tanjev Schultz »Kapuzenmänner. Der Ku-Klux-Klan in Deutschland« veröffentlicht. Die investigativen Journalisten haben für ihr neues Buch umfangreiche Akten von Polizei, Geheimdiensten und aus Archiven ausgewertet, mit aktiven und ehemaligen Anhängern des KKK gesprochen und Treffen des Klans beobachtet.
Auch in Europa faszinierte der Klan Neonazis und RassistInnen. Anfang der 1920er Jahre gründeten sich in Deutschland erste kurzlebige Strukturen. Nach dem Zweiten Weltkrieg brachten US-Soldaten den KKK nach Europa: Immer wieder brannten in den folgenden Jahrzehnten an Militärstandorten KKK-Kreuze, rassistische Propaganda und Attacken gegen Soldaten nahmen Bezug auf den Klan. Auch die deutsche Neonazi-Szene bezog sich immer wieder auf die Struktur und ihre Symbolik. Kontakte in die USA zu Anführern des Klans wurden gepflegt. Mit dem Aufschwung der rechten Szene und den rassistischen Mobilisierungen seit den frühen 1990er Jahren wurde der Klan in Deutschland stärker und regelmäßig sichtbar: Gruppen gründeten sich, Kreuze brannten, Fanzines und RechtsRock-Bands nutzten KKK-Symbolik, und rassistische Gewalt wurde von Bezügen auf den Klan begleitet und damit legitimiert.
Obermaier und Schultz warnen vor dem Klan, der in Deutschland zwar nie eine größere Bewegung oder fest organisierte Struktur geworden sei, doch sei es nicht zu »unterschätzen, wenn ein Geheimbund, der sich den Rassenkrieg auf die Fahnen geschrieben hat, über Jahrzehnte hinweg in Deutschland Anhänger um sich schart«. Zudem sei der »Weg in den Terrorismus« nie weit gewesen. Die Autoren belegen, dass der Verfassungsschutz den Klan »zeitweise mit erstaunlichem Aufwand beobachtete« und mit Spitzeln infiltriert hatte, ihn aber »nur wenige Male in den Verfassungsschutzberichten« erwähnte und so verharmloste. Hilfreich sind in diesem Buch das Personenregister und das Glossar mit Begriffserläuterungen. Ein Register der Organisation würde allerdings den Anhang komplettieren. Festzuhalten bleibt, dass Obermaier und Schultz mit »Kapuzenmänner« ein Standardwerk gelungen ist.
Frederik Obermaier / Tanjev Schultz: Kapuzenmänner. Der Ku-Klux-Klan in Deutschland. München 2017, dtv Verlag, 262 Seiten, 16,90 Euro.
»Die autoritäre Revolte«
von Sascha Schmidt
Mit dem Buch von Volker Weiß »Die autoritäre Revolte – Die Neue Rechte und der Untergang des Abendlandes« liegt eine der lesenswertesten und fundiertesten Analysen über die »Neue Rechte« beziehungsweise neue rechte Bewegungen der letzten Jahre vor. In seiner Darstellung der »autoritären, antiaufklärerischen Revolte« beleuchtet der Historiker die treibenden Kräfte – darunter die »Alternative für Deutschland« (AfD), PEGIDA, die »Identitäre Bewegung« sowie Publikationen wie die »Junge Freiheit« oder »Compact« oder den ‹Think Tank› der »Neuen Rechten«, das »Institut für Staatspolitik«. Zwar beschreibt auch Weiß, wie viele andere zuvor, die Entstehung und Geschichte der »Neuen Rechten«. Den Schwerpunkt legt er dabei jedoch – und darin liegt der Unterschied zu anderen Publikationen – auf die ideengeschichtlichen Konstanten zu ihren historischen Vorbildern, den Theoretikern der so genannten »Konservativen Revolution«. Gerade hinsichtlich seiner Beschreibung der Gedankenwelt der antidemokratischen Intellektuellen der Weimarer Republik und ihrer Rezeption in aktuellen Publikationen der »Neuen Rechten« überzeugt Weiß durch profunde Kenntnis. Er dekonstruiert den Mythos der »Neuen Rechten« als »68er von rechts« ebenso wie den auf Armin Mohler zurückgehenden Versuch, die »Konservative Revolution«, mittels »einer alternativen rechten Geschichtsschreibung, die den Nationalsozialismus umschiffen sollte«, als »eigenständige Denkschule zu konstruieren«. Der Historiker macht zudem deutlich: Die sogenannte »Neue Rechte« ist sowohl aufgrund ihrer historischen Vorbilder und ihres Rekurses auf »Kampfbegriffe« wie »Abendland« als auch in ihren Bezügen zu aktuellen, faschistischen Bewegungen in Italien, Russland, Frankreich oder den USA, »eine sehr alte Rechte«.
Weiß vertritt die These, nicht der Islam sei der Hauptfeind der »Neuen Rechten«, sondern der Liberalismus und die westliche Moderne. Die »Neue Rechte« und »Islamisten« teilten im Grunde »gemeinsame, grundlegende Werte« – sowohl in ihrem Kampf für kulturelle Reinheit als auch in ihren »rigiden Vorstellungen von Geschlechteridentität«.
Gerade im Umgang mit fundamentalistischen Strömungen im Islam dürfe der »Neuen Rechten« jedoch nicht die Diskurshoheit überlassen werden. Weiß kritisiert »die Unfähigkeit von Linken und Liberalen«, sich mit diesen gesellschaftlichen Konfliktlinien auseinanderzusetzen und fordert einen offensiven Wertekonflikt.
Volker Weiß: Die autoritäre Revolte – Die Neue Rechte und der Untergang des Abendlandes. Stuttgart 2017, Klett-Cotta, 304 Seiten, 20 Euro.