Baden-Württemberg

von Lucius Teidelbaum


Magazin "der rechte rand" Ausgabe 167 - Juli 2017

Im grün-schwarz regierten Baden-Württemberg gilt die AfD im Vergleich mit den Landesverbänden in Ostdeutschland vielen immer noch als mehrheitlich ›gemäßigt‹ oder eher ›konservativ‹. Doch der Rechtsruck fand auch im ›Ländle‹ statt.

Mit der Abspaltung der Fraktion um den ehemaligen Parteichef Bernd Lucke gingen der »Alternative für Deutschland« (AfD) auch in Baden-Württemberg wichtige Mandate verloren. Mit Joachim Starbatty und Bernd Kölmel kamen zwei der ursprünglich sieben AfD-Europaabgeordneten aus Baden-Württemberg. Beide wechselten zu Luckes neuer Partei »Allianz für Fortschritt und Aufbruch« – heute »Liberal-Konservative Reformer« (LKR).

Spaltung und Wiedervereinigung
Die ‹Ländle-AfD› erholte sich von der Spaltung und zog im März 2016 mit 15,1 % der Stimmen in den Landtag von Baden-Württemberg ein. Doch die 23 Abgeordneten zerstrittenen sich, nachdem öffentlich geworden war, dass sich in ihren Reihen mit Wolfgang Gedeon ein rabiater Antisemit befand. Daraufhin drängte Jörg Meuthen, als damaliger Landes- und Fraktionsvorsitzender, auf einen Rauswurf Gedeons. Als er die dafür notwendige 3/4-Mehrheit nicht bekam, verließ er mit 13 seiner Getreuen die Fraktion und gründete eine zweite AfD-Fraktion mit dem Namen »Alternative für Baden-Württemberg«. Frauke Petry positionierte sich auf der Seite der verbliebenen Rumpffraktion, offenbar um Meuthen damit zu schaden. Sie und ihr Co-Bundesvorsitzender Meuthen gelten seitdem als verfeindet. Dazu passt Meuthens Bündnis mit Björn Höcke. Dieses wurde der Öffentlichkeit durch das zweite Kyffhäusertreffen von »Der Flügel« am 4. Juni 2016 bekannt, als Meuthen neben Höcke, Poggenburg und Gauland auftrat.

Im Oktober 2016 hatten sich die zerstrittenen Abgeordneten wieder zu einer Fraktion vereinigt. Trotzdem umfasst die ursprünglich 23-köpfige Fraktion nur noch 21 Mitglieder. Wolfgang Gedeon hat die Fraktion – nicht aber die Partei – verlassen und Claudia Martin hat sowohl Partei als auch Fraktion verlassen. Als weiterer Problemfall gilt der AfD-Abgeordnete Heinrich Fiechtner, der sich mit dem Rest seiner Fraktion überworfen hat, von ihr mit einem Redeverbot belegt wurde und nun dagegen klagt.
Die Streitereien der Fraktion haben auch den Aufbau von Strukturen verzögert. Mit Stand April 2017 existierten in Baden-Württemberg mindestens 13 AfD-Wahlkreisbüros. Trotzdem werden zahlreiche MitarbeiterInnen von der Fraktion und einzelnen Abgeordneten beschäftigt. Mit Dietmar-Dominik Hennig (Mitarbeiter von Anton Baron, MdL), Tomasz M. Froelich (persönlicher Referent Jörg Meuthen), Volker Kempf (Referent der Landtagsfraktion) und Thorsten Brückner (2. Pressesprecher der Landtagsfraktion) schreiben vier davon – sowie der neue Fraktionssprecher Michael Klonovsky – für das rechts-libertäre Magazin »eigentümlich frei«.

Als neue Landessprecher fungieren Dr. Marc Jongen und Ralf Özkara. Jongen gilt als »Parteiphilosoph« der AfD und referierte für das »Institut für Staatspolitik«. Özkara war Meuthens Büroleiter und gilt als höchst loyal. Bei einer Kampfabstimmung um den Vorsitz des AfD-Landesverbandes Baden-Württemberg im März 2017 konnte sich Özkara gegen Alice Weidel durchsetzen. Kontakte zur extremen Rechten scheint er nicht zu scheuen. Für den 8. Mai 2017 war er in Leverkusen als Redner auf einer Veranstaltung der rechten Zeitung »COMPACT« angekündigt.
Zur Bundestagswahl kandidieren in Baden-Württemberg auf der Landesliste auf den Plätzen 1 bis 5: Alice Weidel, Prof. Dr. Lothar Maier,
Dr. Marc Jongen, Markus Frohnmaier und Thomas Seitz.
Alice Weidel ist eine Vertreterin des marktradikalen Flügels in der Partei und seit dem Bundesparteitag in Köln neben Gauland bundesweite Spitzenkandidatin. Ihr neuer Pressesprecher Markus Frohnmaier, der diese Funktion bereits für Frauke Petry ausgeübt hatte, ist Bundessprecher der »Jungen Alternative« (JA), Unterzeichner der »Erfurter Resolution« und klarer Höcke-Anhänger. Nun arbeitet er für eine Frau, die noch Anfang 2017 den Ausschluss Höckes aus der Partei forderte, spätestens seit ihrer Wahl auf dem Bundesparteitag in Köln jedoch davon Abstand nahm. Thomas Seitz ist Staatsanwalt am Freiburger Amtsgericht und war Mitglied im AfD-Bundesparteischiedsgericht. Das Mitglied der »Patriotischen Plattform« geriet durch seine verbalen Attacken auf die Bundesregierung in den Fokus seiner Vorgesetzten.

Fazit: ›anything goes‹› im ›Ländle‹
JA-FunktionärInnen mit Verbindungen zur »Identitären Bewegung« sind nicht die einzigen mit einer mutmaßlichen Vergangenheit in extrem rechten Strukturen. Der AfD-Landtagsabgeordnete Udo Stein soll noch zur Bundestagswahl 2013 am Wahlkampf der NPD beteiligt gewesen sein. Das zumindest behauptet der damalige NPD-Landesvorsitzende Alexander Neidlein. Folgen haben solche braunen Schatten der Vergangenheit allerdings schon lange nicht mehr. Selbst das Ausschlussverfahren gegen Gedeon scheint kassiert worden zu sein. Während Meuthen im März 2016 noch mit dem Rauswurf Gedeons eine Vertrauensfrage verband, ist heute in der Partei ein ›anything goes‹ angesagt. Die AfD fällt in solchen Situationen ihrem eigenen Kampf gegen ›Political Correctnes‹ zum Opfer. Zudem herrscht auch in der AfD im Südwesten eine gesteigerte Wagenburgmentalität. Jegliche Kritik von außen wird als feindlich wahrgenommen und lässt alle enger zusammen rücken.
Die ursprünglich eher als rechtskonservativ geltende Südwest-AfD ist damit ein ganzes Stück weiter nach rechts gerutscht. Inzwischen tauchen auch die ersten NPD-Personalien unter den MitarbeiterInnen der AfD auf. Marcel Grauf und Armin Allmendinger kommen je aus extrem rechten Burschenschaften und haben sich im NPD-Umfeld bewegt. Grauf war Landesorganisationsleiter der »Jungen Nationaldemokraten« und Allmendinger schrieb mehrfach für das NPD-Blatt »Deutsche Stimme«. Auch das bisher ohne Folgen.