Bayern

von Robert Andreasch


Magazin "der rechte rand" Ausgabe 167 - Juli 2017

Insgesamt sechs Tage dauerte es, bis der bayerische Landesverband der »Alternative für Deutschland« (AfD) in Greding seine Landesliste zur Bundestagswahl aufgestellt hatte. Für das zähe Ringen um die 30 Plätze waren nicht Richtungsstreitigkeiten maßgeblich; die Konkurrenz wurde durch die Aussicht auf lukrative Bundestagsmandate geschürt. Die Rechnung der BewerberInnen dürfte in etwa so ausgesehen haben: Holt die AfD 10 Prozent bei der Wahl Ende September, ziehen rund 70 AfD-Abgeordnete in den 19. Deutschen Bundestag ein – darunter vermutlich mindestens sieben aus Bayern.

^ v. l. n. r.: Petr Bystron, Martin Sichert, Stephan Protschka auf einer AfD-Kundgebung in Passau

Allein für die ersten neun Listenplätze zogen sich die Wahlgänge über drei volle Tage hin. Bei den Abstimmungen um Listenplatz eins fiel der AfD-Landesvorsitzende Petr Bystron (München) durch. Sein Gegenkandidat Martin Hebner (Diessen) aus dem AfD-Landesvorstand hatte seine Kandidatur erst auf dem Parteitag öffentlich gemacht. Offensichtlich genoss er vor allem das Vertrauen der Völkischen in der Partei. Zwar kann Bystron auch getrost zum radikalen Parteiteil gezählt werden, aber zuletzt hatte er dort an Rückhalt verloren: Als gnadenloser Opportunist war er nämlich seiner Parteichefin Frauke Petry beim Parteiausschlussverfahren gegen Björn Höcke zunächst gefolgt. In den Tagen vor der Listenwahl hatte Bystron dann aber vergeblich versucht, die Sympathien bei den Völkischen wiederzugewinnen und in mehreren Reden öffentlich die »Identitäre Bewegung« gelobt. Schließlich veröffentlichte er gar einen gleichlautenden Text auf dem rassistischen und anti-muslimischen Portal »PI-News«. Bystrons Elogen auf die extreme Rechte brachten ihm mittlerweile eine Beobachtung durch den bayerischen Verfassungsschutz ein. In der Partei entschied man sich offensichtlich, den Landesvorsitzenden nicht weiter zu beschädigen und hievte Bystron beim nächsten Termin noch auf den vierten Listenplatz. Listenplatz zwei ging an den bekannten Autoren und Anlageberater Peter Boehringer (München), an dritter Stelle tritt die Straubinger Parteifunktionärin Corinna Miazga an. Mit dieser Entscheidung stellten sich die bayerischen AfD`ler offen gegen die Bundespartei. Die Straubinger AfD-Kreisvorsitzende Miazga ist in der AfD wegen ihrer innerparteilichen juristischen Feldzüge als Querulantin gefürchtet, seit mehreren Jahren läuft gegen sie ein bisher nicht abgeschlossenes Parteiausschlussverfahren. Miazga trug ihre Bewerbungsrede äußerst emotional vor und empfahl sich den Versammelten mit einer besonderen Qualifikation: »Bevor es die AfD gab, wollte man in Straubing in einer Parallelstraße bei uns in der Nachbarschaft ein Asylbewerberheim hinsetzen. 200 Leute sollten da untergebracht werden. (…) Es hat anderthalb Jahre gebraucht, das Aylbewerberheim steht dort nicht. Wir haben eine Bürgerbewegung gegründet, der ich damals vorgesessen bin und wir waren erfolgreich.«

Hinter Hebner, Boehringer, Miazga und Bystron konnten sich unter anderem die AfD-Politiker Martin Sichert, Hans-Jörg Müller, Tobias Peterka, Rainer Kraft, Florian Jäger, Benjamin Nolte, Wolfgang Dörner und Georg Hock platzieren, die zu den Erstunterzeichnern der »Erfurter Resolution« des »Flügels« um Björn Höcke gehören.
In nahezu allen der 46 bayerischen Wahlkreise sollen DirektkandidatInnen der AfD antreten. Die CSU hatte in der Vergangenheit die meisten Bundestags-Direktmandate quasi »abonniert«. Für die BewerberInnen der AfD sind diese Kandidaturen hinsichtlich einer persönlichen Existenzsicherung also weit weniger aussichtsreich. Große Kampfabstimmungen bei den Nominierungen, die seit dem Winter 2016/2017 stattfanden, sind nicht bekannt geworden, vielerorts setzten sich bekannte VertreterInnen der Linie um Höcke und Co. durch. Eine Prägung, die auch ansonsten den bayerischen AfD-Landesverband kennzeichnet.

Einige Beispiele:
Als sich die Bundespartei noch von den PEGIDA-Versammlungen distanzierte, sprachen dreimal Vertreter der hiesigen AFD offiziell bei den PEGIDA-Aufmärschen in München. Verbindungen gibt es auch zur »Identitären Bewegung« (IB) oder zur »Deutschen Burschenschaft«. Oliver Krogloth, Mitbegründer des AfD-Kreisverbandes Traunstein (und dort aktuell stellvertretender Schatzmeister), stellte sich zum Beispiel bei der IB-Kundgebung am 31. Juli 2016 in München zusammen mit Sebastian Zeilinger, dem stellvertretenden IB-Bundessprecher, ans Fronttransparent. Schlagzeilen machte ein Foto, das zeigt, wie der AfD-Landesvorsitzende Petr Bystron und der führende bayerische IB-Akteur Paul Zeddies im letzten Jahr gemeinsam auf dem Münchner Oktoberfest feierten. Zeddies ist Burschenschafter der völkischen »Danubia«, auch Benjamin Nolte (Landeslistenplatz 19), Mitglied des oberbayerischen AfD-Bezirksvorstands, ist dort korporiert. Florian Jäger, Vorsitzender des AfD-Bezirksverbands Oberbayern, kommt aus der antimuslimischen Kleinstpartei »Die Freiheit« von Michael Stürzenberger. Wilfried Biedermann, Vorsitzender des AfD-Kreisverbands München-Ost, war führender Aktivist des extrem rechten »Bunds Freier Bürger« (BFB).
Die jüngste Kampagnenentscheidung der Bayern-AfD verwundert da nicht: Zur Bundestagswahl will sie nicht mit den als zu lasch empfundenen Materialien der Bundespartei, sondern mit eigenen Plakaten in den Wahlkampf ziehen.