Mecklenburg-Vorpommern

von Hannes Stepputat

Magazin "der rechte rand" Ausgabe 167 - Juli 2017

Das Gewicht von Mecklenburg-Vorpommern (MV) im Bundestag ist gering, seine Bedeutung in der Bundespolitik allenfalls zweitrangig. Doch eine Besonderheit zeichnet den Bundestagswahlkampf im Nordosten aus: Der nordöstlichste Wahlkreis der Republik mit dem prägnant-eingängigen Namen Vorpommern-Rügen-Vorpommern-Greifswald I ist der Wahlkreis von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Hier sucht die »Alternative für Deutschland« (AfD) die möglichst medienwirksame Machtprobe mit der verhassten Kanzlerin. Als Direktkandidat schickt sie den Fraktions- und Landesvorsitzenden Leif-Erik Holm ins Rennen. Echte Chancen auf das Direktmandat hat der Ex-Radiomoderator zwar kaum, doch im Bundestag dürfte er als Nummer eins der Landesliste höchstwahrscheinlich dennoch vertreten sein. Insgesamt hat die Partei acht ListenkandidatInnen aufgestellt, die ersten sechs treten jeweils auch in einem der sechs Wahlkreise als DirektkandidatInnen an.

< AfD-Kundgebung in Stralsund am 26. Februar 2016, anlässlich eines Wahlkreisbesuches von Merkel v. l. n. r.: Daniel Fiß (IB), Ralph Weber (AfD), Daniel Sebbin (IB, Kapuze), Enrico Komning (AfD)

Die KandidatInnen
Auf den Spitzenkandidaten Holm folgt Enrico Komning auf Platz zwei. Der Burschenschafter (»Greifswalder Rugia«), Rechtsanwalt und Fraktionsvize aus Neubrandenburg, wird dem rechten Parteiflügel zugerechnet, pflegt aber ein seriöses Auftreten und vermied bisher größere Skandale. Als Rechtsanwalt verteidigt er den Rostocker Daniel Fiß, der früher bei der NPD und den »Jungen Nationaldemokraten« aktiv war und mittlerweile zum Bundesvorstand der »Identitären Bewegung« (IB) gehört. Platz drei nimmt Ulrike Schielke-Ziesing aus Lebbin (Mecklenburgische Seenplatte) ein. Sie ist Landesschatzmeisterin der Partei und gehört zu den Erstunterzeichnerinnen der »Erfurter Resolution« des »Flügels«, der parteiinternen Strömung um Björn Höcke und André Poggenburg. Auf Platz vier kandidiert Dennis Augustin, der bisher jedoch kaum öffentlich in Erscheinung getreten ist. Laut NDR sei Augustin der Wunschkandidat des Unternehmers Philip Steinbeck gewesen, der als finanzkräftiger Förderer der AfD gilt und nach eigenen Angaben ein »entspanntes Verhältnis« zum ehemaligen NPD-Chef Udo Pastörs pflegt. Steinbecks Name tauchte vor einigen Jahren zudem auf einer veröffentlichten NPD-Spenderliste auf. Er selbst dementiert eine Nähe zur NPD. Auf Platz fünf und im Wahlkreis Rostock tritt Stephan Schmidt an. Er ist Wahlkreismitarbeiter des wegen Volksverhetzung verurteilten Abgeordneten Holger Arppe, der wiederholt mit seiner Nähe zu den »Identitären« Aufmerksamkeit erregte. Auch Schmidt selbst hat in dieser Hinsicht keine Berührungsängste. Anfang Juni filmte er in Rostock eine Störaktion von »Identitären« bei einem Auftritt der grünen Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt. Im Februar unterstützte er gemeinsam mit »Identitären« eine Kundgebung in Greifswald, die von einer Hamburger JA-Funktionärin angemeldet worden war, indem er sich um die Tontechnik kümmerte.

Chancen und Perspektiven
Die Partei selbst räumt sich nach früheren Angaben die Chance auf zwei bis drei Mandate ein, die sie nach Berlin entsenden könnte. Ob dies angesichts der derzeit deutlich abgesunkenen Umfragewerte auf Bundesebene noch realistisch ist, bleibt unklar. Die letzte Umfrage für MV aus dem Januar sah die AfD bei 18 Prozent und damit leicht unter ihrem Landtagswahlergebnis vom Herbst mit 20,8 Prozent.
Mit Besorgnis blicken BeobachterInnen auf die Zeit nach der Bundestagswahl. Holm kündigte bereits an, im Falle seines Einzugs in den Bundestag sein Landtagsmandat nieder zu legen. Als sein Nachfolger als Fraktionsvorsitzender wird Holger Arppe gehandelt, der bei der Landtagswahl im September auf Platz drei der Landesliste ins Parlament eingezogen war. Mit Arppe als Fraktionsvorsitzender würde der ohnehin starke völkische Flügel einen weiteren Aufschwung erfahren. Welchen Einfluss dieser bereits jetzt hat, lässt sich unter anderem daran ablesen, dass mit Arppe, Komning und Ralph Weber alle drei Stellvertreter des Fraktionsvorsitzenden diesem Flügel zuzurechnen sind. Keine Besserung ist durch die Nachrücker der Landesliste zu erwarten: Sollte Holm in den Bundestag wechseln, würde der Schweriner Jens-Holger Schneider in den Landtag nachrücken. Schneider musste 2007 die CDU wegen seiner Teilnahme an einer NPD-Demonstration verlassen. 2015 trat er als Ordner bei rassistischen MVGIDA-Aufmärschen auf, die maßgeblich von der NPD organisiert worden waren. Schneider ist Mitarbeiter des Vorsitzenden des Innenausschusses, Jörg Kröger (AfD), der auch Mitglied der Parlamentarischen Kontrollkommission ist. Ohne Holm, der all zu krasse Rechtsausreißer zu dämpfen versuchte, ist nach einer erfolgreichen Bundestagswahl mit einem spürbaren Rechtsruck zu rechen.
Bereits jetzt kann für Teile der Partei eine große Aufgeschlossenheit gegenüber der »Identitären Bewegung« konstatiert werden. Unter anderem werden mit Albert Glas und Jan-Phillip Tadsen mindestens zwei IB-Aktivisten als Mitarbeiter beschäftigt. Glas, ebenfalls Wahlkreismitarbeiter von Holger Arppe, gehört zu den Gründungsmitgliedern des Rostocker IB-Tarnvereins »Heimwärts e.V.«. Zuletzt trat er bei einer überregionalen IB-Demonstration am 17. Juni in Berlin als Fahnenträger auf. Tadsen arbeitet als Referent für die Fraktion im Innenausschuss. Mit Eike Liefke ist zudem eine IB-Aktivistin in den Landesvorstand der JA aufgerückt.

Die parteiinternen Querelen auf Bundesebene haben in Mecklenburg-Vorpommern bisher kaum Auswirkungen. Zumindest öffentlich positioniert sich der Landesverband nicht, im Bundesvorstand spielt die Nordost-AfD keine Rolle. Im Landtagswahlkampf traten sowohl Frauke Petry und Marcus Pretzell, als auch Björn Höcke und Alexander Gauland auf. Den Wahlkampfauftakt für die Bundestagswahl in Stralsund beging Holm gemeinsam mit Alexander Gauland.