Hessen
von Sascha Schmidt
Magazin "der rechte rand" Ausgabe 167 - Juli 2017
Das erste Jahr der »Alternative für Deutschland« in den hessischen Kommunalparlamenten kann als äußerst bescheiden bewertet werden. Der Landesverband ist zudem geprägt vom schwelenden Richtungsstreit auf Bundesebene und von extrem rechten Äußerungen und Kontakten führender Mitglieder.
Aus den hessischen Kommunalwahlen vom 6. März 2016 ging die »Alternative für Deutschland« (AfD) mit einem landesweiten Schnitt von 11,9 Prozent als drittstärkste Kraft hervor. Die Bilanz der parlamentarischen Arbeit ist äußerst bescheiden: Die Zahl der gestellten Anträge der Kreistagsfraktionen bewegt sich mehrheitlich im unteren einstelligen Bereich – einzelne Fraktionen stehen noch ohne eigenen Antrag dar. Gut ein Dutzend MandatsträgerInnen haben die AfD wieder verlassen. Begründet wurden die Austritte mit internen Konflikten, aber auch mit der »Zusammenarbeit mit den Republikanern« oder politischer Nähe, so im Kreistag Groß Gerau und in Offenbach. Im Lahn-Dill-Kreis unterstützten AfD-Abgeordnete gar einen NPD-Antrag
gegen den hessischen Sexualkundelehrplan. Zudem mussten Bernd Ebhardt (Kreis Hersfeld-Rothenburg) und Gottfried Klasen (Landkreis Kassel) wegen antisemitischer Verschwörungstheorien sowie Axel Baumbach (Kreis Hersfeld-Rothenburg) aufgrund seiner Rolle als »Reichsinnenminister« der »Reichsbürger«-Bewegung ihre Mandate niederlegen und die Partei verlassen. Den Handlungen der Partei ging in solchen Fällen jedoch stets eine öffentliche Thematisierung voraus. Die Fälle Martin Hohmann (Kreis Fulda) und Carsten Härle (Fraktionsvorsitzender aus Heusenstamm) zeigen zudem: Antisemitismus ist in der hessischen AfD kein zwingendes Kriterium für einen Ausschluss. Hohmann wurde 2004 wegen einer antisemitischen Rede aus der CDU ausgeschlossen, Härle kann unter Rückendeckung des Landesvorstandes die Zahl der durch die Shoah ermorderten Jüdinnen und Juden in Frage stellen.
Uneinigkeit im Vorstand
Ende Mai 2015 waren sich die neu gewählten Landessprecher Peter Münch, Rolf Kahnt und Albrecht Glaser noch einig: Kahnt und Münch hatten die gegen Lucke gerichtete »Erfurter Resolution« von »Der Flügel« unterzeichnet; Glaser galt Lucke als »spiritus rector« seiner GegnerInnen. Im Mai 2017 ist der Landesvorstand des 2.231 Mitglieder (Stand März 2017) zählenden Landesverbandes auch in der »Flügel«-Frage auf Bundesebene gespalten. Bei den Wahlen zur Landesliste für die Bundestagswahl war klar: Peter Münch ging als Verlierer aus dem Streit hervor. Nachdem im November 2016 zwei nicht stimmberechtigte Personen an den Wahlen teilgenommen hatten, wurde die Wahl im Mai wiederholt. Während Münch im November auf Platz zwei landete, erschien sein Name im Mai nicht mal unter den Top 19. Münchs Kontrahent Glaser landete, wie bereits im November, im Mai auf Platz fünf. Münch, der sich gegen den Ausschluss Höckes ausgesprochen hatte, trat nach seiner Niederlage von seinen Ämtern auf Stadt- und Kreisebene sowie als Direktkandidat zurück und kündigte seinen Rückzug aus dem Landesvorstand an. Der stellvertretende Bundesvorsitzende Glaser hatte Höckes Aussagen mehrfach relativiert, ehe er sich für einen Parteiausschluss aussprach. Glaser kann jedoch keineswegs als gemäßigt beschrieben werden.
Beim Neujahrsempfang der AfD Bergstraße warnte er, laut »Echo-online« vor einem durch Zuwanderung entstehenden »Menschen-Mischmasch« und beschwor eine Volksbewegung, »die weit über die AfD hinausgeht« und durch Massenproteste zu einem Systemwechsel führe.
Etablierte auf den vorderen Plätzen
Auf den Plätzen eins und zwei landeten »AfD-Mitglieder der ersten Stunde«, die fest im Landesverband verankert sind: Spitzenkandidatin Mariana Harder-Kühnel, Rechtsanwältin aus dem Main-Kinzig-Kreis, gestaltet als Mitglied des Bundeskonvents die Familienpolitik mit. Auf Platz zwei folgt die ehemalige Landessprecherin Joana Cotar (Kreisverband Gießen), die als »social media Managerin« seit drei Jahren die Facebook-Seiten des Landesverbandes und seit Anfang 2017 die der Bundespartei betreut. Uwe Schulz, Sprecher des Kreisverbandes Gießen und Unterstützer der »Erfurter Resolution«, errang Platz drei. Jan Nolte, Berufssoldat und Vorsitzender der hessischen »Jungen Alternative« (JA) sowie Beisitzer im Bundesvorstand der JA, landete auf Platz vier.
Rechte Verbindungen
Es sind nicht nur Worte wie die von Glaser, welche die JA Hessen immer wieder in die Nähe der »Neuen Rechten« bringen. Noltes Co-Vorsitzender, Fabian Flecken, ist seit November 2015 Vorstandsmitglied der völkischen »Patriotischen Plattform« in der AfD. Der Betriebswirt aus Südhessen absolvierte 2009 ein Praktikum bei der »Jungen Freiheit« und schreibt für die neu-rechten Publikationen »Sezession« und »Blaue Narzisse«. Mit Max Kolb (Beisitzer im Landesverband) und Nils Grunewald sind auch Mitglieder der extrem rechten »Burschenschaft Germania Marburg« in der JA aktiv. Grunewald war laut Angaben der »Zeit« Aktivist der »Identitären Bewegung« (IB) Berlin. Im April sorgten im Internet veröffentlichte Bilder vom Landeskongress der JA im Haus der »Germania Marburg« für Aufsehen. Anwesende von JA und Burschenschaft jagten vermummt und bewaffnet Fotografen. Auch beteiligten sich Mitglieder der AfD und der JA an Aktionen oder Treffen der IB. Darunter: das Fuldaer Kreistagsmitglied Jens Mierdel, der ehemalige IB-Regionalleiter für Hessen, Marcel Vogel, der stellvertretende Sprecher des Ortsverbandes Main-Taunus, Patrick Andreas Bauer und das ehemalige Gießener Kreistagsmitglied, Armin Langhammer. Zwar verwies Flecken mehrfach auf den Unvereinbarkeitsbeschluss des AfD-Bundesvorstandes in Richtung IB. Ob dies zukünftig konsequent umgesetzt wird, bleibt abzuwarten.
Hoffnungen auf einen Einzug in den Bundestag können sich auch Martin Hohmann (Platz sechs) und das Landesvorstandmitglied Andreas Lichert (Platz sieben) machen. Der Wetterauer Lichert ist Vorstandsmitglied im »Verein für Staatspolitik«, dem Träger des gleichnamigen »Instituts« und publiziert ebenfalls für »Sezession« und »Blaue Narzisse«.