Nordrhein-Westfalen
von Nina Juliane Rink
Magazin "der rechte rand" Ausgabe 167 - Juli 2017
Der Landesverband in Nordrhein-Westfalen war immer wieder Austragungsort interner Konflikte der »Alternative für Deutschland« – und setzt den bundesweiten Rechtsaußen-Trend fort.
Der Landesverband der »Alternative für Deutschland« (AfD) im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen (NRW) hat laut eigenen Angaben etwa 4.500 Mitglieder und ist damit auch der personalstärkste im Bundesgebiet. Insgesamt wurden 24 Listenplätze für die Bundestagswahl 2017 vergeben. Der Spitzenkandidat, der im September in den Bundestag einziehen soll, ist Martin Renner, Co-Landessprecher des Landesverbandes. Auf den zweiten Platz wurde der Kölner Rechtsanwalt Jochen Haug gewählt, der sich zum »liberalen Flügel« der Partei zählt. Harald Weyel, Professor an der Technischen Hochschule Köln, konnte den dritten Platz einnehmen. Auf dem vierten Platz landete Pretzells ursprünglicher Wunschkandidat Kay Gottschalk, Gründungsmitglied der AfD aus Hamburg und ehemaliges SPD-Mitglied, der in seiner Bewerbungsrede explizit betonte, »nicht in interne Streitigkeiten« verwickelt zu sein und Neutralität versprach. Das ehemalige CDU-Mitglied Jörg Schneider wurde auf Platz fünf gewählt, er bezeichnete seine Partei einmal als »nicht rechtsaußen« und ist ebenfalls dem Lager um den ersten Sprecher Markus Pretzell zuzurechnen.
Schmutzige Flügelkämpfe
Die Wahl der Spitzenkandidaten war ein relativ zäher Prozess, was mit den vielzitierten internen »Flügelkämpfen« innerhalb der AfD zu tun hat. Diese schlagen sich seit langem auch im Landesverband Nordrhein-Westfalen deutlich nieder, Pretzell sprach sogar davon, der »Machtkampf in der Bundespartei« werde in Nordrhein-Westfalen ausgetragen. Während er selbst bemüht ist, den »realpolitischen« Kurs seiner Ehefrau Frauke Petry durchzusetzen, suchte Renner beispielsweise durch lobende Worte für Björn Höckes Rede zum Holocaust-Mahnmal die Nähe zum Thüringer Landesverband. Der damit einhergehende Konflikt wurde in der Vergangenheit wiederholt mit »unsauberen« Methoden ausgetragen. Bereits 2016, im Vorfeld der Landtagswahlen, wollten Pretzell nahestehende Mitglieder die Abstimmungen zu ihren Gunsten über eine geheime WhatsApp-Gruppe steuern und so Renners Rechtsaußen-Lager ausstechen – was auch gelang, die begehrtesten Listenplätze konnten sie für sich reklamieren. Das geleakte geheime Protokoll des Chatverlaufs offenbarte mit unschönem Vokabular, wie tief der Graben zwischen den beiden verfeindeten Lagern sein muss. Bei einem Parteitag in Rheda-Wiedenbrück wurde Pretzell vorgeworfen, Stimmen seiner KonkurentInnen unterschlagen zu haben. Im Januar dieses Jahres hatte er dann auf dem Parteitag in Oberhausen versucht, seinen Vize mit einem Abwahlantrag auszuschalten, konnte dafür jedoch nicht die erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit erlangen. Unter dem Motto »Einigkeit für NRW« setzten Pretzell und Renner ihre »Schlammschlacht« aus und traten dann doch formal gemeinsam zum Wahlkampf an.
Stimmenfang rechts von der SPD
Bei der Landtagswahl in NRW am 14. Mai erhielt die AfD 7,4 Prozent und damit 16 Sitze im Parlament. Während der Partei zuvor in Umfragen zeitweilig bis zu 13 Prozent prognostiziert wurden, blieb sie damit insgesamt unter Pretzells selbstgestecktem Ziel eines zweistelligen Ergebnisses. Nennenswert sind dennoch Ausnahmen in einigen Wahlbezirken in Ruhrgebiets-Städten, wo die AfD mit Spitzenzahlen über 20 Prozent noch vor der Wahlsiegerin CDU lag. Laut Auswertungen des Meinungsforschungsinstituts infratest dimap sollen etwa 60.000 ehemalige SPD-WählerInnen zur AfD gewechselt sein. Der NRW-Wahlkampf in den strukturschwachen Regionen war darauf ausgerichtet, enttäuschten sozialdemokratischen WählerInnen eine sozialpolitische Alternative zu bieten. Als Zugpferd wurde dafür der Gelsenkirchener Guido Reil, ehemaliger Bergbau-Arbeiter, von Pretzell vorgeschickt, der aufgrund seiner Unzufriedenheit mit deren Flüchtlingspolitik im Sommer 2016 aus der SPD aus- und in die AfD eingetreten war. Reil engagierte sich besonders in der »Alternative(n) Vereinigung der Arbeitnehmer e.V« (AVA), die intern jedoch in Konkurrenz zu Höckes »Alternativen Arbeitnehmerverband Mitteldeutschland« (ALARM!) steht. Auf Stimmenfang im Straßenwahlkampf durfte Reil zwar gehen, sein Einzug in den Landtag war jedoch durch seinen Listenplatz 26 von vornherein unwahrscheinlich. Reil brachte auch ein wenig Farbe in den ansonsten eher schwachen Wahlkampf der AfD, nicht nur weil er sich – ganz authentisch – mit kohleverschmiertem Gesicht auf Plakaten zeigte. Selbst zu groß angekündigten Veranstaltungen mit AfD-Prominenz kamen im Höchstfall wenige Hundert Interessierte. Begleitet wurden die Auftritte regelmäßig von starkem Gegenprotest, wenn sie denn stattfanden. In einigen Fällen wurden Räumlichkeiten für Veranstaltungen durch die VermieterInnen gekündigt, in anderen Fällen, wie am 11. Mai in Köln, sagte die AfD eine öffentliche Kundgebung selbst ab und präsentierte sich stattdessen am »Online-Infostand« im Facebook-Livestream. Auffälliges Werbemittel waren auch in NRW kommerzielle Plakatwände, die allerdings nicht von der AfD selbst, sondern vom »Verein zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit und der bürgerlichen Freiheiten« finanziert wurden.
Unter den rechten Parteien ist die AfD in NRW inzwischen weitestgehend konkurrenzlos – Republikaner und NPD waren hier nie besonders stark, »Die Rechte« ist eher ein regionales Phänomen. »Pro NRW«, die zuvor das Themenspektrum rund um Islamkritik, EU-Feindlichkeit und Stimmungsmache gegen Geflüchtete abdeckte, trat 2017 erst gar nicht zur Landtagswahl an. Offiziell, um die AfD nicht zu schwächen, die zuvor aber schon den Zuspruch jener geerntet hatte, denen »Pro NRW« mit ihrer größtenteils extrem rechten politischen Herkunft als unwählbar erschien. Eine weitere Besonderheit ist der relativ starke Verband der »Junge(n) Alternative« (JA) in Köln. Bemerkbar machte die JA sich vor allem durch die Einladung des UKIP-Politikers Nigel Farage (s. drr Nr. 149) und zuletzt durch einen Flashmob im Stil der »Identitären«, bei dem sie, in Burkas gekleidet. durch die Kölner Innenstadt zogen. Sven Trischler, auch Bundesvorsitzender der JA, sitzt nun für die AfD im Landtag. NRW wird gerne als Gradmesser für die Bundestagswahl herangezogen, da ein Fünftel der Wahlberechtigten hier beheimatet ist. Nachdem die Umfragewerte der AfD zur Bundestagswahl kurz zuvor im Sinkflug waren, wurde die NRW-Wahl trotz des im Vergleich zu anderen Bundesländern niedrigen Ergebnisses als Erfolg bewertet. Ein zweistelliges Ergebnis hätte Aufwind für den »Petrykurs« bedeutet, so setzt sich aber auch hier der Bundestrend zum weiteren Rechtsruck fort.