Neuigkeiten rund ums Thema AfD-Verbot
von Björn Elberling
Antifa-Magazin »der rechte rand« Ausgabe 210 - September | Oktober 2024
#Verbotsverfahren
Die Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen zeigen anschaulich, welche Gefahr für die Demokratie und für viele Menschen in Deutschland von der AfD ausgeht. Grund genug, nach dem aktuellen Stand zum Thema AfD-Verbotsverfahren zu schauen.
Auch wenn es aktuell nicht danach aussieht, dass die AfD in Thüringen oder in Sachsen direkt an der Regierung beteiligt werden wird: Schon die in Thüringen sicher erreichte Sperrminorität von mehr als einem Drittel der Landtagssitze und die mit dem Status als größte Fraktion einhergehenden parlamentarischen Rechte werden es der Partei erlauben, die demokratischen Parteien weiter unter Druck zu setzen und ihre Strategie der Zerstörung zivilgesellschaftlicher Strukturen und langfristig des demokratischen Systems voranzutreiben. Dass gerade zwei der Landesverbände, die am offensten faschistisch auftreten und deswegen seit Jahren als »gesichert rechtsextrem« eingestuft werden, Stimmenanteile von über 30 Prozent erhalten, zeigt erneut, dass Versuche, die Partei »politisch zu stellen«, gescheitert sind und dass zur Abwehr der Gefahr für die Demokratie und die vielen Menschen, die im Falle einer (weiteren) Umsetzung von AfD-Politik gefährdet wären, ein Antrag auf ein Parteiverbot zu fordern ist (s. drr Nr. 203). Einige Entwicklungen in den letzten Monaten lassen Hoffnung aufkommen, dass Bewegung in die Sache kommt.
Einstufung durch Verfassungsschutz bestätigt
Mit Spannung erwartet worden waren insbesondere die Berufungsurteile des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Münster zu der Frage, ob das Bundesamt für Verfassungsschutz die AfD und ihre Jugendorganisation JA als »Verdachtsfall« und den parteiinternen »Flügel« als gesichert »rechtextremistisch« einstufen durfte. Nach einer langen mündlichen Verhandlung, die vor allem von Verzögerungsversuchen der Rechtsanwälte der AfD geprägt war, hat das Gericht mit Urteilen vom 13. Mai 2024 alle drei Einstufungen bestätigt. Und die Anfang Juli mitgeteilten schriftlichen Urteilsgründe zeigen deutlich, dass dieses Verfahren durchaus als wegbereitend für einen Verbotsantrag gelten kann.
Das OVG Münster sieht insbesondere »konkrete und hinreichend verdichtete Anhaltspunkte dafür (…), dass nach dem politischen Konzept der [AfD] jedenfalls Flüchtlingen und anderen Zuwanderern, deutschen Staatsangehörigen mit Migrationshintergrund und deutschen und ausländischen Staatsangehörigen islamischen Glaubens die Anerkennung als gleichberechtigte Mitglieder der rechtlich verfassten Gemeinschaft versagt werden soll.« Es sieht deutliche Anhaltspunkte dafür, dass es sich bei entsprechenden Äußerungen von Parteifunktionär*innen »nicht um einzelne Entgleisungen, sondern um eine charakteristische Grundtendenz« der AfD handelt.
Das Gericht stellte dabei insbesondere ab auf »die Verknüpfung eines ‹ethnisch-kulturellen Volksbegriffs› mit einer politischen Zielsetzung, mit der die rechtliche Gleichheit aller Staatsangehörigen in Frage gestellt wird« – mit anderen Worten: auf die völkisch-rassistische, auf Ausgrenzung von (nicht nur) migrantischen Menschen gerichtete Politik der AfD. Genau eine solche Politik war es aber auch, die zur Einstufung der NPD als verfassungsfeindlich durch das Bundesverfassungsgericht geführt hat (s. drr Nr. 205).
Das OVG zitiert in seinem Urteil eine ganze Reihe von Aussagen führender AfD-Politiker*innen zu dieser Politik, die auch Menschen mit deutschem Pass ausgrenzt, und macht deutlich, warum Beteuerungen der Partei, das doch alles nicht so gemeint zu haben, wenig glaubhaft sind. Solche Aussagen, so das Gericht, haben bereits zum Zeitpunkt der Einstufung als Verdachtsfall im Jahr 2021 zahlreich vorgelegen, die Anzeichen haben sich in der Folgezeit weiter verdichtet. All das wohlgemerkt auf Grundlage von Tatsachenfeststellungen, die vor den Enthüllungen über die Teilnahme hochrangiger Parteifunktionäre an den Potsdamer Treffen, vor den beiden Strafverfahren gegen Björn Höcke wegen NS-Parolen, vor Beginn der Hauptverhandlung im Terrorverfahren gegen die ehemalige AfD-Bundestagsabgeordnete Birgit Malsack-Winkemann und andere abgeschlossen waren.
Grundlagen für Verbot
Auch wenn das OVG an verschiedenen Stellen betont, dass es in diesem Verfahren nur einen Verdacht entsprechender Bestrebungen bei der AfD zu prüfen hatte und damit deren Vorliegen nicht abschließend festgestellt hat, ergibt sich doch schon ein ganz erheblicher Bestand an Belegen. Diese Belege dürften zum einen genügen, die von vielen bald erwartete Einstufung der Gesamtpartei als »gesichert rechtsextremistisch« zu begründen, sie taugen aber genauso auch als Grundlage für einen Antrag ans Bundesverfassungsgericht, die AfD als verfassungsfeindliche Partei zu verbieten. Als ein weiterer Beleg können dabei auch die beiden Strafverfahren gegen den Thüringer Landeschef und AfD-Chefideologen Björn Höcke wegen Verwendung einer verbotenen SA-Parole dienen. Höcke wurde vom Landgericht Halle mit zwei Urteilen vom 14. Mai und vom 1. Juli 2024 jeweils zu Geldstrafen verurteilt, weil er bei Wahlkampfveranstaltungen die SA-Parole »Alles für Deutschland« gerufen beziehungsweise das Publikum dazu animiert hatte. Diese Verfahren sind zum einen relevant, weil damit ein führender Exponent der den Verbotsantrag tragenden Politik in der AfD wegen Verwendung von NS-Parolen verurteilt wurde. Zum anderen wurde auch die oft bemühte »Metapolitik« durch die Urteile greifbar. Höcke fordert in seinem Buch selbst eine Strategie, die die Grenzen des Sag- und Machbaren verschiebt, und setzt dies hier mit der Verwendung von NS-Parolen ganz konkret in die Realität um. Und genau weil diese Verwendung Teil einer von ihm skizzierten Strategie ist, werden auch seine Revisionen gegen die Urteile erfolglos bleiben. Genug Gründe also, dafür zu kämpfen, dass ein Antrag auf ein Parteiverbot beim Bundesverfassungsgericht gestellt wird, um die Millionen Menschen zu schützen, die von einer Umsetzung von Höckes NS-Parolen, von einer Umsetzung der AfD-Programmatik in konkrete (Regierungs-)Politik betroffen wären.
Verzerrtes »Neutralitätsgebot«
Gerade für die in Vereinen organisierte Zivilgesellschaft, etwa für Trägervereine von Bildungs- und Demokratiearbeit und Wohlfahrtspflege, ist ein solches Engagement indes immer auch mit gewissen Gefahren verbunden. Denn die AfD führt seit Jahren einen Zermürbungskampf gegen zivilgesellschaftliche Organisationen – und das nicht immer ohne Erfolg. Unter Verweis etwa auf angebliche Verletzungen des »Neutralitätsgebots« greift sie Vereine nicht nur publizistisch an, sondern versucht auch, für den Entzug von Fördermitteln oder der Einstufung als gemeinnützig zu sorgen. Entsprechende Sorgen waren zuletzt befeuert worden durch einen Bericht des Sächsischen Rechnungshofs zur Förderpraxis unter der Landesrichtlinie »Integrative Maßnahmen«. Dieser zu Beginn des Sächsischen Landtagswahlkampfs lancierte Bericht nahm neben der Sächsischen Sozialministerin und SPD-Spitzenkandidatin auch die Trägerlandschaft deutlich ins Visier – was natürlich die AfD dankbar aufgriff und im Landtag die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zum von ihr so bezeichneten »Fördersumpf« durchsetzte.
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Ein von zivilgesellschaftlichen Organisationen in Auftrag gegebenes Gutachten des Mainzer Staatsrechtsprofessors und ehemaligen Landesverfassungsrichters Friedhelm Hufen unter dem Titel »Zur Bedeutung des sogenannten Neutralitätsgebots für zivilgesellschaftliche Vereine der Demokratie- und Jugendarbeit« räumt mit den zu Grunde liegenden Thesen auf, wonach das »Neutralitätsgebot« einer Kritik an der AfD sehr enge Grenzen ziehe. Es zeigt, dass aus einem verfassungsrechtlichen Blick auf die Arbeit solcher Träger sogar eher das Gegenteil folgt. Einige der Kernaussagen des Gutachtens, das etwa auf der Homepage des Kulturbüros Sachsen heruntergeladen werden kann: »Politische Bildung und Demokratiearbeit sind stets auf ethische Werte und Verfassungsziele gerichtet und deshalb nie ‹neutral›«. Dafür dürfen freie Träger »Gefahren für die Menschenwürde, für die freiheitliche demokratische Grundordnung, für die Grundrechte auch und gerade dann abwehren,« wenn sie von Parteiprogrammen ausgehen. Eine sachliche Auseinandersetzung mit den Positionen politischer Parteien ist daher in jedem Fall erlaubt – »auch wenn die entsprechende Partei oder führende Funktionäre konkret benannt werden.«
Initiativen für Verbotsantrag
Vereine, die diese Ausführungen zum Anlass nehmen wollen, die Gefährdung ihrer Tätigkeit und der von ihnen geschützten Werte und Menschen durch die AfD öffentlich zu thematisieren, können das etwa im Bündnis »AfD-Verbot jetzt« tun, das mit einer Pressekonferenz am 17. Juni 2024 offiziell seine Arbeit aufgenommen hat. Unter den Stichworten »Menschen schützen – Demokratie schützen – Nie wieder ist jetzt« will das Bündnis, in dem unter anderem »Engagierte aus der Zivilgesellschaft, Jurist:innen, Sozialarbeiter:innen, gewerkschaftlich Aktive, Klimabewegte« mitwirken, Druck auf die offizielle Politik aufbauen, ein Verbotsverfahren einzuleiten.
Und auch dort kommen die Dinge langsam in Bewegung – dort arbeiten seit einiger Zeit Abgeordnete mehrerer Fraktionen an einem fraktionsübergreifenden Gruppenantrag, der das Thema auf die Agenda des Bundestages setzen würde. Nach Zeitungsaussagen des Initiators der Kampagne, des sächsischen CDU-Abgeordneten Marco Wanderwitz, könnte ein solcher Antrag voraussichtlich im Oktober 2024 eingebracht werden. Abgeordnete der Linken, Grünen, SPD, FDP, Union und SSW haben sich bereits öffentlich für einen solchen Antrag positioniert.
Dr. Björn Elberling ist Anwalt für Strafrecht, Presse- und Urheberrecht.