Verbote & Verfahren

Redaktion
Antifa-Magazin »der rechte rand« Ausgabe 205 - November | Dezember 2023

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Hammerskins © Mark Mühlhaus / attenzione

Verbot der »Hammerskins« in Deutschland
Nachdem das Innenministerium am 19. September 2023 die »Hammerskins« und ihre Unterstützer-Gruppe »Crew 38« in Deutschland verbietet, werden die Wohnungen von 28 mutmaßlichen Funktionsträger*innen in zehn Bundesländern durchsucht. Im Einsatz waren rund 700 Polizeibeamt*innen. Zur Verbotsbegründung heißt es, die Organisation agiere gegen die verfassungsmäßige Ordnung, ihr Zweck laufe den Strafgesetzen zuwider. In Mecklenburg-Vorpommern beschlagnahmten die Ermittler*innen unter anderem Sprengstoff, mehrere Lang- und Kurzwaffen, scharfe Munition und Übungsmunition. Durchsucht wurde ein Grundstück in Jamel, auf dem der Neonazi Sven Krüger lebt. Er soll zum Führungskreis der »Hammerskins« gehören, die in Deutschland seit 1992 bestanden und bis zum Verbot bundesweit 14 Chapter unterhielten. Von den Maßnahmen nicht betroffen war Nils Budig, dessen Firma im nordthüringischen Artern drei »Hammerskin«-Labels und die Zeitschrift »Frontmagazin« verantwortet. Budig gilt als Vermögensverwalter der Geschäfte der »Hammerskins« im RechtsRock-Bereich. Gegen das Verbot erhoben zwölf Personen aus neun Bundesländern Klage beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig.

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Sven Krüger bei der Hausdurchsuchung im September 2023
© Endstation Rechts

Verbot der »Artgemeinschaft – Germanische Glaubens-Gemeinschaft wesensgemäßer Lebensgestaltung e. V.«
Nach dem Verbot der »Artgemeinschaft« am 27. September 2023 finden in zwölf Bundesländern Hausdurchsuchungen in 26 Wohnungen von 39 Vereinsmitgliedern und in Räumlichkeiten des Vereins statt, um das Verbot zu vollstrecken. Die Beamt*innen beschlagnahmen entsprechende Literatur, Devotionalien, Bargeld und Gold sowie in Thüringen und Baden-Württemberg Armbrüste, andere Waffen und Munition. Im Einsatz waren rund 700 Polizist*innen der Länder, das Vereinsverbot war seit mehr als einem Jahr vorbereitet worden. Innenministerin Nancy Faeser bezeichnet die »Artgemeinschaft« als eine neonazistische, rassistische, fremden- und demokratiefeindliche Vereinigung. Sie richte sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung und insbesondere aufgrund antisemitischer Inhalte auch gegen den Gedanken der Völkerverständigung. Die »Artgemeinschaft« wurde 1951 von Wilhelm Kusserow gegründet und 20 Jahre lang von dem langjährigen Neonazi und NPD-Funktionär Jürgen Rieger geleitet. drr-Autorin Andrea Röpke warnt vor dem »StiftungsWerk Zukunft Heimat e.  V.« als Nachfolgestruktur nach dem Verbot der Artgemeinschaft.

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Jürgen Rieger als Redner beim Rudolf-Heß-Marsch 2004 in Wunsiedel © Mark Mühlhaus / attenzione

Scheinauflösung von Neonazi-Gruppen
Nach dem Verbot der »Hammerskins« und der »Artgemeinschaft« gibt der Neonazi Thorsten Heise am selben Tag die Auflösung der Gruppen »Arische Bruderschaft«, »Arische Bruderschaft Supporter«, »Brigade 12« und der »Kameradschaft Northeim« bekannt. Später kursiert die Meldung, auch die »Division 45« habe sich ebenso aufgelöst wie die »Brothers of Honour«, eine Nachfolgestruktur aus den verbotenen Netzwerken »Blood&Honour« und »Combat 18«. Einen Tag später verkündet das Vernetzungsprojekt »Zusammenrücken« seine Selbstauflösung. Offenbar wollen die Neonazis mit diesem Schritt das Vorgehen der Behörden erschweren und ihre Geschäfte und Strukturen vor einem möglichen Verbot schützen, während die Strukturen weiter bestehen.

Erneute Festnahmen bei »Vereinten Patrioten«
Während sich seit Mai 2023 fünf mutmaßliche Mitglieder der Gruppierung »Vereinte Patrioten« vor dem Oberlandesgericht Koblenz wegen der Gründung beziehungsweise Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung verantworten müssen, vollstreckt die Polizei am 10. Oktober 2023 fünf weitere Haftbefehle gegen Mitglieder oder Unterstützer*innen der Gruppe. In Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen, Thüringen, Hessen, Bayern und Baden-Württemberg werden zahlreiche Wohnungen von Verdächtigen aus dem »Reichsbürger«-Milieu durchsucht. Ein 41-Jähriger aus Wolfratshausen wollte der Gruppierung in Kroatien Schusswaffen besorgen, ein 61 Jahre alter Mann aus Hessen hatte seine Garage als Zwischenlager für Waffen angeboten. Ein 49-Jähriger aus dem Kreis Mettmann soll eine regionale Führungsrolle in der Gruppe bei der Umsetzung der geplanten Anschläge auf Energieversorger in Deutschland gespielt haben. Ein 52-jähriger Mann und eine 32 Jahre alte Frau aus Rheinland-Pfalz hatten offenbar bereits Hochspannungsleitungen für Sabotageaktionen ausgekundschaftet sowie Dokumente mit Anleitungen zur Herstellung von Sprengstoff erstellt. Die »Vereinten Patrioten« sollen die Entführung von Gesundheitsminister Karl Lauterbach und einen politischen Umsturz geplant haben, um die Demokratie zu beseitigen und eine neue Verfassung nach dem Vorbild des Deutschen Kaiserreichs 1871 zu erstellen.

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Das Justizwunder Thorsten Heise bei seiner Lieblingsbeschäftigung – Geld machen mit Nazi-Musik. © Mark Mühlhaus / attenzione

Razzien gegen RechtsRock-Netzwerk
Im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens der Generalstaatsanwaltschaft Celle unter anderem wegen des Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung führt die Polizei am 26. Oktober 2023 bei zwölf Beschuldigten Hausdurchsuchungen in Niedersachsen, Hamburg, Berlin, Thüringen, Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und auf Mallorca durch. Als Kopf der Gruppe nimmt sie den 34-jährigen Lasse Bruno Krüger im Landkreis Lüneburg fest, der seit Anfang des Jahres Geschäftsführer der »Dee-Jay Schallplatten GmbH« mit Sitz in Hamburg ist. Neben ihm sollen weitere drei Neonazis zur »Kerngruppe« einer »bundesweit agierenden Tätergruppierung« gehören. In dem Verfahren geht es um die Produktion sowie den nationalen und internationalen Vertrieb von RechtsRock als »strafrechtlich relevante, volksverhetzende rechtsextreme Musik«. Im Fokus stehen Nachpressungen von Tonträgern aus den 1990er und 2000er Jahren von sehr bekannten RechtsRock-Bands. Den vermutlichen Erlös aus den Plattenverkäufen schätzen die Behörden auf 199.000 Euro. Bei den Durchsuchungen stellen die Ermittler*innen mehrere zehntausend Tonträger, elektronische Kommunikationsmittel und Speichermedien, einen fünfstelligen Bargeldbetrag und schriftliche Unterlagen sicher. Unter den elf übrigen Beschuldigten befindet sich der gebürtige Berliner Jens Hessler, der inzwischen auf Mallorca einen Versandhandel für RechtsRock betreibt. Eine Hausdurchsuchung fand auch bei Thorsten Heise in Thüringen statt.

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Vier eingestellte Verfahren in Norddeutschland
Im Oktober 2023 wird bekannt, dass Strafverfolgungsbehörden in Norddeutschland vier große Verfahren gegen extrem Rechte eingestellt haben, weil sie keine Beweise für kriminelle Organisationen gefunden hätten. Zwei Fälle davon fallen in die Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft Lüneburg. Sie ermittelte seit 2021 gegen 14 Beschuldigte, die in Kreisen von Bundeswehrreservisten eine Wehrsportgruppe gegründet haben und sich damit einer bewaffneten Gruppe angeschlossen beziehungsweise diese befehligt haben sollten. Gegen einzelne Beschuldigte wird wegen Verstößen gegen das Waffen- und das Sprengstoffgesetz weiter ermittelt. Im Fokus eines zweiten Verfahrens standen 13 Beschuldigte, die in einem extrem rechten Netzwerk mit Waffen gehandelt haben sollten. Gegen sie ermittelte die Staatsanwaltschaft Lüneburg wegen des Verdachts des Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontroll-, Waffen- und Sprengstoffgesetz. Auch hier erhärtete sich der Verdacht für das Vorliegen einer kriminellen oder terroristischen Vereinigung nicht, gegen einzelne Verdächtige wird jedoch weiter ermittelt. In einem Verfahren gegen acht Neonazis wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung hat die Generalstaatsanwaltschaft Celle die Ermittlungen eingestellt. Die Neonazis waren Teil der »Calenberger Bande« in der Region Hannover und stammten teilweise aus den Reihen der im September 2012 verbotenen neonazistischen Gruppierung »Besseres Hannover«. Gegen einzelne Beschuldigte laufen noch Verfahren wegen anderer Straftaten. Auch die Ermittlungen gegen 16 Neonazis aus dem »Aryan Circle« um den Neonazi Bernd Töter aus Bad Segeberg wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung wurden von der Staatsanwaltschaft Flensburg eingestellt.

 

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