Antifeministische Anwält*innen-Organisation

von Lucius Teidelbaum
Antifa-Magazin »der rechte rand« Ausgabe 199 - November | Dezember 2022

Bisher weitgehend unbemerkt von einer kritischen Öffentlichkeit ist in Europa mit »ADF International« ein Ableger der antifeministischen »Alliance Defending Freedom« aus den USA aktiv.

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Screenshot der deutschen ADF Seite vom 19. April 2024

Mutterorganisation von »ADF International« ist die 1993 als Gegenorganisation zur progressiven »American Civil Liberties Union« gegründete »Alliance Defending Freedom« (ADF) mit Sitz in Scottsdale, Arizona. Zu ihr gehört auch der 2000 initiierte »Blackstone Fellowship«, der Stipendien für konservative Jura-Student*innen anbietet. Die 2010 gegründete »ADF International« operiert laut eigenen Angaben in über 100 Ländern. Die Organisation hat ihren Sitz in Wien. In der Septemberausgabe 2022 ihres Blatts »Impact« heißt es harmlos: »Auf nationaler Ebene arbeiten wir mit lokalen Partnern zusammen, bilden sie aus und bieten kostenlosen Rechtsbeistand zum Schutz und zur Förderung der Glaubensfreiheit, des Lebensrechts, der Familienrechte sowie der Meinungs- und Redefreiheit.«

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Doch das Southern Poverty Law Center charakterisiert die ADF als »anti-LGBT hate group«. Die Ursache für die Einordnung liegt darin, dass die ADF versucht, die Kriminalisierung von Homosexualität aufrechtzuerhalten, zum Beispiel in Belize oder Jamaika. Zudem wird sich für sogenannte Konversationstherapien eingesetzt und gegen Transgenderrechte agitiert. Angestellte der ADF müssen sich »dem Festhalten an dem inspirierten, irrtumslosen und maßgeblichen Wort Gottes in der Heiligen Schrift« verschreiben – ein fundamentalistisches Bibelverständnis.
Senior Counsel der »ADF International« ist der Anwalt Dr. Felix Böllmann, mit einer Kanzlei in Leipzig. Laut Ankündigung trat er am 23. Februar 2019 in München bei dem Symposium »Elternrecht versus Staat auf: Wohin führen ‹Kinderrechte› im Grundgesetz?«, ausgerichtet von der Organisation »Demo für Alle«.
Sophia Kuby, Tochter der bekannten katholischen Antifeministin Gabriele Kuby, ist »Director of Strategic Relations & Training ADF International« der Anwält*innen-Allianz. Sie wurde 2012 als Vize-Bundesvorsitzende in den Vorstand der »Christdemokraten für das Leben« gewählt.

Christlich-fundamentalistischer Rechtskampf
»ADF International« kann auf relativ viel Geld zurückgreifen. Allein in den Jahren 2020 und 2021 soll die Organisation zehn Millionen US-Dollar für Kampagnen in der Europäischen Union ausgegeben haben. Beispielsweise wurde in Zusammenarbeit mit der »Evangelischen Allianz in Deutschland« und »Christ & Jurist e. V.« die Broschüre »Rede frei! – Mit Recht über das Evangelium sprechen« herausgegeben. Mit dem Geld werden Anti-Abtreibungs-Organisationen in ihren juristischen Auseinandersetzungen unterstützt. Nicht selten handelt es sich um die Verteidigung von Antifeminismus im Mantel der Religions-, Meinungs- und Versammlungsfreiheit. So entschied im März 2022 der Verwaltungsgerichtshof Kassel (VGH) die als »Gebetsmahnwache« deklarierte Dauer-Kundgebung der Gruppe »40-Tage-für-das-Leben (Euro Pro Life e. V.)« vor einer Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle von Pro Familia in Frankfurt/Main sei rechtens. Zuvor hatte die Stadt Frankfurt die Gruppe mit Auflagen belegt, die laut VGH deren Versammlungsfreiheit einschränkten. Diesen Rechtskampf unterstützte »ADF International« durch mehrere Instanzen. Böllmann freute sich: »Angesichts der Vorhaben der Bundesregierung, Menschen zu kriminalisieren, die an friedlichen Gebetsversammlungen in der Nähe von Abtreibungsorganisationen teilnehmen, gibt diese Entscheidung Hoffnung.«

Ähnliche Unterstützung erhielt auch die Pforzheimer Gruppe »40-Tage-für-das-Leben«. Die Stadt Pforzheim hatte ihr verboten, Kundgebungen in Seh- und Hörweite einer Abtreibungsberatungsstelle abzuhalten. In zweiter Instanz erhielt man schließlich vor dem Verwaltungsgerichtshof Mannheim Recht mit der Klage gegen die Abweisung einer Klage vor Gericht. Demnach dürfen die Gebetsmahnwachen in Sichtweite und während der Öffnungszeiten von Pro-Familia-Niederlassungen stattfinden.
Weitere Rechtskämpfe dürften in der Bundesrepublik anstehen, denn im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP auf Bundesebene heißt es: »Sogenannten Gehsteigbelästigungen von Abtreibungsgegnerinnen und Abtreibungsgegnern setzen wir wirksame gesetzliche Maßnahmen entgegen.« Konkrete Vorschläge der Bundesregierung sind allerdings noch nicht bekannt.
Andere Aktivitäten der ADF in Deutschland erscheinen dagegen erst einmal unproblematisch, etwa wenn sie sich gegen eine drohende Abschiebung christlicher Konvertiten in den Iran einsetzen. Das unterstützt auch die Inszenierung als »weltweit tätige Menschenrechtsorganisation«. Doch findet immer eine Verengung auf Menschenrechte für Christ*innen statt. Das steht im Widerspruch zum universellen Anspruch der Menschenrechte. Schließlich geht es der Gruppe um die Durchsetzung einer antifeministischen, homo- und transphoben Agenda, die sie mit ihrem fundamentalistischen Verständnis des Christentums legitimiert. Ihr Weg ist vor allem ein juristischer und die Kassen für diesen Rechtskampf scheinen gut gefüllt zu sein.