Festivals of hate

von Kai Budler
Magazin "der rechte rand" Ausgabe 168 - September 2017

Mit bislang knapp 8.500 TeilnehmerInnen ist die diesjährige RechtsRock-Open-Air-Saison in Thüringen noch nicht zu Ende. Bei vier Freiluftveranstaltungen im Mai und Juli konnten Neonazis ihre temporären »No-Go-Areas« durchsetzen.

© Kai Budler

Die Reihe der Open-Air RechtsRock-Konzerte in Thüringen wurde wie in den Vorjahren vom »Eichsfeldtag« des NPD-Landesvorsitzenden Thorsten Heise in Leinefelde eröffnet. Angemeldet wurde das RechtsRock-Event von Marco Borrmann, der lange Zeit im niedersächsischen Harz wohnte und als enger Heise-Vertrauter gilt. Der Ordner-Dienst wurde von Neonazis aus Nordthüringen und Südniedersachsen gestellt. Zu den Bands in Leinefelde gehörten »Nahkampf«, »Die Lunikoff Verschwörung« und »Randgruppe Deutsch«. Auch die Schweizer RechtsRock-Band »Amok« stand auf der Bühne, sie war erst zwei Monate zuvor bei dem von einer »Blood&Honour«-Gruppe organisierten Konzert »Night of Terror« im polnischen Grodziszcze aufgetreten. Am Abend nach der Beendigung des »Eichsfeldtages« kam es zu einer rassistischen Gewaltattacke in einem Zug von Leinefelde nach Nordhausen.

»Rock für Deutschland« meldet sich zurück
»Amok« sollte neben »TreueOrden« und »Pugillato« aus Spanien ursprünglich auch auf dem für Juni in Gotha angekündigten »Thüringentag der nationalen Jugend« in Gotha auftreten, doch der Neonazi Marco Zint zog seine Anmeldung zwei Monate vorher zurück. Hingegen meldete sich der Vorsitzende des NPD-Kreisverbandes Gera, Gordon Richter, mit seinem »Rock für Deutschland« nach dreijähriger Pause zurück. 2014 war das Open Air vor dem Bahnhof in Gera frühzeitig abgebrochen worden, nachdem eine RechtsRock-Band ein indiziertes Lied angestimmt hatte. Die Bremer RechtsRock-Band »Strafmass« hatte ihren Auftritt kurz zuvor abgesagt. Doch trotz des 1992 gegründeten Headliners »Frontalkraft« aus Cottbus, der mit Hilfe von fünf weiteren Bands das Open Air bestreiten sollte, kamen am 1. Juli nur rund 800 Neonazis zum »Rock für Deutschland«, während 2009 etwa 4.000 Neonazis nach Gera gekommen waren. Neben NPD-Vertretern traten unter anderem auch der als »freier Aktivist« angekündigte Dieter Riefling und Patrick Schröder von FSN TV als Redner auf. Die Kosten für das Open Air betrugen 30 Euro pro Karte, im Vorverkauf kostete das Ticket 25 Euro.
Das erfolgreichste RechtsRock-Open-Air in Thüringen fand in diesem Jahr mit »Rock gegen Überfremdung« am 15. Juli im südthüringischen Themar statt. Vor der Bühne in einem Großraumzelt hoben Neonazis ihre Arme zum Hitlergruß und skandierten hundertfach »Sieg Heil«, wie ein Videomitschnitt beweist. Mit rund 6.000 Personen war das von Tommy Frenck organisierte Event eines der europaweit größten Neonazikonzerte seit langem. Im vergangenen Jahr hatte ein Open Air gleichen Namens mit knapp 500 Neonazis in Kirchheim im Ilmkreis stattgefunden. Dort traten Vertreter von NPD, »Europäischer Aktion«, »Thügida«, »Der ­III. Weg« und den »Hammerskins« als Redner auf, es spielten die RechtsRockbands »Lunikoff Verschwörung«, »TreueOrden«, »Uwocaust«, »Tätervolk« und »Frontfeuer«. Ein Jahr später fand das RechtsRock-Open-Air im 3.000 Einwohner Ort Themar statt, die Fläche dafür bot der AfD-Funktionär Bodo Dressel, der seine Wiese für »Rock gegen Überfremdung« und ein weiteres Open Air zwei Wochen später zur Verfügung stellte. Nachdem der Pakt öffentlich wurde, trat Dressel auf Druck aus der Partei aus. Die erneute Mischung aus RechtsRock-Bands und mehreren Rednern machte es 2017 möglich, das Event als politische Versammlung nach dem Versammlungsgesetz anzumelden.

© Kai Budler

Ordnerdienst mit Wurzeln in »Hammerskins« und »Blood&Honour«
Zum Ordnerdienst gehörte die Gruppierung »Turonen/Garde 20«, die für die Durchführung des ersten Aufgusses des Konzertes am 20. August 2016 in Kirchheim gesorgt hatte. Seit Ende 2015 tritt die Gruppe offen auf, deren Wurzeln teilweise bis ins »Blood&Honour«- und »Hammerskins«-Netzwerk reichen. Viele Mitglieder sind bereits gerichtsbekannt und in knapp 20 Delikten in Erscheinung getreten, unter anderem Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat, gefährliche Körperverletzung und Verstöße gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz und gegen das Sprengstoffgesetz. Unter den »Turonen« befinden sich auch Neonazis, die im Mai 2017 im »Ballstädt-Prozess« zu Haftstrafen zwischen zwei Jahren und zwei Monaten bis hin zu drei Jahren und sechs Monaten verurteilt wurden. Die Richter sahen es als erwiesen an, dass die Neonazis im Februar 2014 die Feier einer Kirmesgesellschaft im thürigischen Ballstädt überfallen hatten. Dabei wurden zehn Menschen verletzt, einige davon schwer. Auch Neonazis aus anderen Bundesländern gehörten dem rund 200-köpfigen Ordner-Team in Themar an, die teilweise ebenfalls aus Strukturen wie »Hammerskins« und »Blood & Honour« stammten.

Hundertfach »Sieg Heil«
Als Bands spielten die RechtsRock-Formationen »Stahlgewitter«, »Lunikoff Verschwörung«, »Sleipnir«, »TreueOrden«, »Uwocaust«, »Flak« und »Division Germania«. Die Band »Blutzeugen« hatte in Themar einen Bonusauftritt, während dessen der Sänger »Sieg Heil« ins Mikrofon skandierte und eine Vielzahl der Neonazis mit Hitlergrüßen, »Sieg Heil« beziehungsweise »Heil«-Rufen reagierte.
Bei einem Preis von 35 Euro pro Ticket dürfte das Open Air »Rock gegen Überfremdung« in Themar eine Goldgrube für seine Organisatoren gewesen sein. Schätzungsweise gingen allein für die Eintrittsgelder knapp 200.000 Euro auf das Konto des Neonazis Maximilian Warstat ein, der sowohl den »Turonen« als auch der Gruppierung »Anti-Antifa Ostthüringen« angehört. Zu ihr gehört auch David Henlein, auf dessen Konto die Eintrittsgelder für den ersten Teil des Open Airs 2016 geflossen waren. Auf Henleins Konto waren auch die Gelder für das RechtsRockkonzert in Unterwasser in der Schweiz mit rund 5.000 Neonazis gesammelt worden. Das Recherche-Portal »Thüringen rechtsaußen« schätzt: »Abzüglich der Kosten für Anmietung von Toiletten, Bühnen, Getränke und Verpflegung, Briefmarken für den Ticketversand, Honorare und Fahrtkosten für Bands können die Veranstalter am 15. Juli 2017 so zwischen 100.000 Euro und 200.000 Euro Gewinn erzielt haben.« Mit der Beteiligung von Neonazis aus Strukturen, die sich sonst teils gegeneinander abgrenzen, gelang es Organisator Tommy Frenck, BesucherInnen aus unterschiedlichen Lagern zu seinem Konzert zu holen. Dass dieser Burgfrieden aber sehr fragil ist, zeigt die Kritik von Vertretern der Partei »Der III. Weg«, die von Frenck und den »Turonen« explizit eingeladen worden waren.

Kritik an Kommerz-Veranstaltung
In einem anschließend veröffentlichten Beitrag des »Stützpunkts Thüringer Wald/Ost« der Partei wird vor allem der Kommerzcharakter kritisiert. Dort heißt es, das Konzert sollte »jeden halbwegs intelligenten Menschen mit einem Schaudern erfüllt haben« und die TeilnehmerInnen werden als »mehrheitlich nur Konsum- und Szenezombies« bezeichnet. »Das Spektakel in Themar hat nur deutlich aufgezeigt, mit welchem Menschenmaterial wir es zu tun haben. Man musste sich für sehr viele Besucher dieser Veranstaltung schämen. (…) Mit Politik haben diese ‹Events› nicht im Geringsten etwas zu tun. (…) Am besagten Sonnabend und den unzähligen anderen Wochenenden, an denen ebenfalls derartige Musikveranstaltungen stattfinden, ging es den meisten nur darum, ihren Drang nach Spaß und Konsum zu befriedigen.« Kritik, die sich auch gegen Vertreter der eigenen Partei richtet, denn für den zweiten Parteistützpunkt in Ostthüringen nahm dessen stellvertretender Leiter Nico Metze teil, der mit dem im NSU-Prozess angeklagten André Eminger nach Themar reiste. Besonders in den sozialen Netzwerken häufte sich die Kritik, die Verwendung der Gelder sei undurchsichtig. Ein Teilnehmer des Ordnerdienstes entgegnet bei Facebook: »Die Kommerzialisierung der Musikszene hat aber nunmal auch seine guten Seiten, dieses Klientel muss auch bedient werden, um eben jene Kassen zu füllen, die für Infrastrukturen usw. benötigt werden. Wer will es denn sonst finanzieren? Sie sind Mittel zum Zweck und sollten auch als solches gesehen werden. Die Verantwortung liegt somit bei den Veranstaltern. Wer in die eigene Tasche wirtschaftet, sei es durch nen Szeneversand, Konzerte usw., um sich damit einen luxuriösen Lebensstandard zu finanzieren, ist ein Arschloch! Die Kohle hat zum größten Teil wieder zurückzukommen! Und ich rede vom größten Teil, und nicht irgendwelchen Alibi-Zahlungen, wo trotzdem 90 Prozent in die nächste fette Karre investiert werden.«

Patrick Schröder gegen Makss Damage
Auf demselben Grundstück in Themar fand zwei Wochen später bereits das nächste RechtsRock-Open-Air statt, dieses Mal vom »FSN TV«- und »Ansgar Aryan«-Betreiber Patrick Schröder mit dem Titel »Rock für Identität« für 750 Personen angemeldet. Tatsächlich kamen am 29. Juli rund 1.000 Neonazis nach Themar, um sich für 30 Euro die RechtsRockbands »Phönix«, »Sturmwehr«, »Frontalkraft«, »Faust« und »Blutlinie« anzuschauen. Die vorher angekündigte »Überraschungsband« entpuppte sich als »Sköll Dagaz« aus Thüringen, die nach einer achtjährigen Pause jüngst ein neues Album bei »Patriotic Store« veröffentlicht haben. Die Liste der RednerInnen war ähnlich wie zwei Wochen vorher der Versuch, unter dem Motto »Sturm auf Themar« Neonazis aus unterschiedlichen Spektren auf die Bühne zu bringen. Und genauso wie beim RechtsRock-Open-Air von Tommy Frenck gab es auch heftige Kritik an dem von Schröder angemeldeten Event. Kurz vor dem Konzert kritisierte der Neonazi-Rapper »Makss Damage« (Julian Fritsch) im Netz, dass Schröder »nachweislich Kameraden bei der Polizei verpfeift«. Es gehe dem Organisator nicht um »Gemeinsamen Kampf für Deutschland, (…) sondern um die Erweiterung seines Geschäftsfeldes und seiner Absatzmärkte, mit denen er regelmäßig ungeheure Geldsummen verdient. Ihm geht es nicht um eine gesunde(!) Reformierung der Bewegung, sondern um die noch unerschlossenen Marktlücken im grade frisch entstehenden neurechten Musik- und Konzertsektor«. Auf Unverständnis stieß auch die im Vergleich zum Event zwei Wochen vorher doppelt so hohe Zahl der Verkaufsstände auf dem Gelände. Ein Neonazi postet daraufhin bei Facebook: »Hmm, so viele Verkaufsstände auf einer politischen Kundgebung!?! Da ist es ja schon offensichtlich, worum es dem Hr. Schröder wirklich geht! Geld! Geld! Geld! Aber nicht um die Bewegung voran zu bringen! Kapitalisten Sekten Scheiss!« Auch nach dem Konzert sparte der Neonazi-Rapper Fritsch nicht mit Kritik und veröffentlichte bei YouTube den Song »FCK F$N«, in dem er Schröder und seinem Co-Moderator Daniel Franz Verrat an der »nationalen Bewegung« vorwirft. Schröder habe die Gästeliste eines seiner Konzerte an den Staatsschutz weitergeleitet, Franz habe bereits in der Silvesternacht 2009/2010 mit Aussagen bei der Polizei einen seiner »Kameraden« schwer belastet.

Die massive Kritik zeigt zwar die aktuelle Diskussion bei Neonazis über ihre Subkultur, Schröder und Frenck aber dürfte sie nicht geschadet haben. Frenck kündigte noch in diesem Jahr eine »Kundgebung in Themar mit Rednern und Fußballturnier« an, Schröder meldete für den 28. Oktober eine »Kundgebung« mit dem Titel »Rock gegen links« in Themar an. Auf dem Flyer werden gleich acht RechtsRock-Bands angekündigt, darunter die australische Band »Fortress« und »Confident of Victory« aus Brandenburg, die beide aus dem Hammerskins-Netzwerk stammen. Auf der Bandliste für den 28. Oktober stehen außerdem: »Frontalkraft«, »Oidoxie« aus Dortmund, »Projekt Chaos«, »Hausmannskost« aus dem westfälischen Hamm, »Germanium« und erneut »Sköll Dagaz«.