Drei Jahre Prozess

Interview
mit dem Rechtsanwalt und Nebenklagevertreter Björn Elberling

Magazin "der rechte rand" - Ausgabe 162 - September 2016

Ich würde sagen, es ist einfach Staatsräson, dass der NSU eine einmalige Ausnahmeerscheinung war und nicht ein logischer Ausfluss der Entwicklungen und Diskussionen in der Neonazi-Szene, aber auch der politischen Gesamtstimmung in der BRD der 1990er. Das ist ja nichts Neues: Schon seit den 1950er Jahren gab es immer wieder bewaffnete Gruppen und Handlungsstrategien in der Neonazi-Szene, gezielte Tötungsaktionen, Amoktaten, Sprengstoffanschläge – und schon immer haben Polizei, Staatsanwaltschaften und der Inlandsgeheimdienst das als Einzeltäteraktionen abgetan. Diese Strategie wird nun fortgesetzt.

Zu Beginn des Interviews hast Du die Erwartungshaltungen der Angehörigen und Betroffenen genannt. Was braucht es, um diese umzusetzen?
Ich würde gerne ein wenig von den Erwartungshaltungen der einzelnen Betroffenen abkommen – auch weil die genau wissen, dass sie nicht als Individuen, sondern als Teil einer verhassten Gruppe angegriffen wurden. Ich finde es wichtig, die Bedürfnisse der migrantischen Communities in Deutschland allgemein anzusprechen, denn die lassen sich ohnehin nicht mit diesem Prozess durchsetzen, und auch nicht mit noch zwei Untersuchungsausschüssen. Die Bekämpfung des alltäglichen Rassismus, des systemischen wie des individuellen auf der Straße, im Büro, in der Schule, ist zum Beispiel eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, da gehört der Kampf gegen die AfDisierung der Politik genauso dazu wie die Aufklärung der NSU-Taten. Und wir dürfen nicht vergessen, dass der NSU nur einer der vielen Ausflüsse der »Generation Hoyerswerda« ist, also der Generation von Neonazis, die in den 1990ern gemerkt haben, dass sie mit Gewalt ihre politischen Ziele durchsetzen können, und die genau das auch aktuell wieder mit Gewalttaten gegen Geflüchtete und ihre Unterkünfte versuchen.

Danke Dir für das Interview und viel Erfolg bei der Nebenklage im NSU-Prozess.

Zusammen mit dem Rechtsanwalt Alexander Hoffmann betreibt Björn ­Elberling das Blog www.nsu-nebenklage.de, auf dem über jeden Prozesstag auf Deutsch, Englisch und Türkisch berichtet wird.