Innerparteilicher Machtkampf geht vor Gericht
von Emma Blum
Magazin »der rechte rand« Ausgabe 183 - März / April 2020 - online only
#Saarland
Ende März war es mal wieder soweit. Nach 2016 wurde der Landesvorstand der AfD Saar ein zweites Mal durch den Bundesvorstand aufgelöst. In einer Telefonkonferenz stimmten 10 Mitglieder für die Auflösung, drei enthielten sich der Stimme. Der Landesverband soll zunächst von einem „Notvorstand“ geleitet werden, der sich aus den Bundesvorstandsmitgliedern Carsten Hütter (MdL Sachsen), Joachim Paul (MdL Rheinland-Pfalz) und Stephan Protschka (Bayern, MdB) zusammensetzt.
Dem Landesverband um den Vorsitzenden Josef Dörr wird vorgeworfen, sowohl die Aufnahme von Mitgliedern als auch die Satzung in seinem Sinne manipuliert zu haben. Demnach zahlten neue, aus dem neonazistischen Milieu stammende, Mitglieder lediglich einen Mitgliedsbeitrag von 2,50€. Währenddessen soll die Aufnahme anderer Interessierter bewusst verzögert oder gar ausgesetzt worden sein.
Familienfilz und politischer Machtklüngel
Schon länger wurde Dörr zudem vorgeworfen, Familienmitglieder und befreundete Personen in einflussreiche Positionen innerhalb der Partei zu bringen und gleichzeitig mögliche Kritikerinnen und Kritiker von diesen Posten fernzuhalten. So kam es im Juni 2019 zu einem Eklat zwischen dem Kreisvorstand Merzig-Wadern und dem Landesverband. Letzterer berief eine Mitgliederversammlung ein, um den Vorstand des Kreisverbands abzusetzen, da dieser keine Aktivitäten entwickeln würde. Daraufhin schritt der Bundesvorstand ein, der mit einer erneuten Auflösung des Vorstands des Landesverbands drohte. Dörr und sein Umfeld mussten – nach einer gescheiterten Klage, welche die Rechtmäßigkeit der einberufenen Mitgliederversammlung negieren sollte – letztlich einlenken.
Ein wichtiger Widersacher Dörrs ist der Bundestagsabgeordnete Christian Wirth. Bereits nach den Landtagswahlen 2017 konkurrierte Wirth gegen den Sohn von Joseph Dörr, Michael Dörr, um den Listenplatz 1 bei der Bundestagswahl. Zwar schaffte Christian Wirth den Einzug in den Bundestag, dennoch blieb er mit der Familie Dörr im offenen Zwist. Schließlich wurde im Juni 2019 ein Parteiausschlussverfahren gegen Wirth beantragt, nachdem dieser den Landesvorstand als „Politbüro“ bezeichnet hatte. Nun, ein dreiviertel Jahr später, dürfte Christian Wirth die Auflösung des lästig gewordenen Landesvorstands sehr entgegen kommen.
Maaßen empfiehlt – Petry reagiert
Bereits im Jahr 2016 wurde der Landesvorstand der AfD Saar von dem Bundesvorstand, damals noch unter Beteiligung von Frauke Petry, aufgelöst. Auslöser waren Kontakte von Dörr zur extrem rechten Kleinstpartei „Freie Bürger Union“ sowie zu damaligen NPD-Kadern. Diese Kontakte hatten die Erarbeitung einer politischen Zusammenarbeit zum Ziel. Darüber hinaus wurde bekannt, dass Rudolf Müller – heute Landtagsabgeordneter – in seinem Antiquitätengeschäft in Saarbrücken NS-Devotionalien verkaufte. Der damaligen Bundes-Ebene reichten diese Vorfälle noch aus, um den gesamten Landesvorstand aufzulösen. Wie die AfD- Aussteigerin Franziska Schreiber in ihrem Buch „Inside AfD“ berichtet, hatte der damalige Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Hans- Georg Maaßen, Frauke Petry diesen Schritt empfohlen, um einer Einstufung der AfD als Verdachtsfall durch den Verfassungsschutz zu entgehen.
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Allerdings hob das Bundesschiedsgericht im Oktober 2016 den Parteibeschluss mit Hilfe der „Patriotischen Plattform“ wieder auf. Der Landesvorstand Saar wurde neu gewählt und Dörr in seinem Amt bestätigt. Schon dies konnte als Anzeichen für die Nähe von Dörr zum „Flügel“ verstanden werden. Deutlich erkennbarer wurde diese Nähe durch Dörrs Teilnahme an der vom „Flügel“ im September 2018 in Chemnitz organisierten Demonstration. Dort marschierte Dörr Seite an Seite mit Björn Höcke und Andreas Kalbitz.
Rückzug oder Runde drei?
Nach der jüngsten Auflösung des Landesvorstands bleibt es spannend, wie es weitergeht. Dörr hat bereits angekündigt, erneut vor das Bundesschiedsgericht ziehen zu wollen. Wenn ihm eine Widerrufung dieses Mal nicht gelingt, könnte Christian Wirth endgültig als Gewinner aus diesem Machtkampf hervorgehen. Wirth, Jurist und ehemaliges FDP Mitglied, gilt als politisch gemäßigt. Gleichwohl scheint dies in keinem Widerspruch zu seiner ausgeprägten Toleranz gegenüber Reaktionen in seinem engeren politischen Umfeld zu stehen. Wirth ist Mitglied der extrem rechten Burschenschaft „Ghibellinia zu Prag“ in Saarbrücken, aus deren Reihen Mitglieder in der Vergangenheit durch geschichtsrevisionistische, nationalistische und rassistische Positionen in Erscheinung traten.
Es bleibt also offen, ob die Zeiten von Joseph Dörr, der sich offen zu neonazistischen Kontakten und der Nähe zum „Flügel“ bekannte, und dabei die AfD Saar von einem internen Zerwürfnis in das nächste brachte, nun vorbei sind. Wenn dem so ist, könnte der Landesverband durch Christian Wirth tatsächlich in ein ruhigeres Fahrwasser geleitet werden.