(Ver)stimmungen

Eine Reportage von Andreas Speit und Sascha Schmidt
Magazin »der rechte rand« Ausgabe 175 - November / Dezember 2018

#Buchmesse

Auf der Buchmesse in Frankfurt offenbart sich der Konflikt innerhalb der »Neuen Rechten«. Der Clou von Götz Kubitschek gefällt nicht allen aus dem Milieu.

Magazin der rechte rand

Bilder der Frankfurter Buchmesse 2018:
Stand von »Tumult«

Die Laune von Andreas Lombard ist nicht die Beste. Auf der Buchmesse steht der Chefredakteur des Magazin »Cato« nicht an seinem Stand. Gebucht hat er, die Gebühr bezahlt. Den Stand wollte er vom 9. bis 14. Oktober jedoch an der von der Buchmessenleitung in Frankfurt am Main zugewiesenen Stelle in einen Gang abseits der Halle nicht eröffnen. Beim Verlag »Zu Klampen« in Halle 4.1 steht er, schaut sich um. »Wir kennen uns« fragt er, »Ja, ich war bei der Vorstellung Ihres Magazins«, wird geantwortet. »Von der taz?« »Ja, auch«. Am Freitag gegen Abend für ihn kein Grund weniger zu schimpfen. Doch nicht über seine zufälligen Gesprächspartner, auch nicht lange über die Messeleitung, sondern über die Provokationen und Skandale eines Verlegers dessen Namen er nicht nennt.

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Stand von »Manuscriptum«

In der Sackgasse
Zwei Gänge weiter steht der Mann mit seinem Stand: Götz Kubitschek. In dessen Richtung zeigt Lombard als er meint, dass die abgesonderte Platzierung vor allen dem Provokateur und den Krawallmacher geschuldet sei. Seit Jahren sind rechte bis weit rechte Verlage auf den Buchmessen in Frankfurt und Leipzig präsent, bieten Lesungen an, richten Stände aus. Rechte Bestsellerautoren wie Thilo Sarrazin stellten ihre einschlägigen Werke vor – oft in nicht-rechten Verlagen. Nach der Präsentation des »Antaios Verlag« von Kubitschek auf der Frankfurter Buchmesse 2017 hat sich die Situation verändert. Die aufgeheizte Stimmung in den gesellschaftlichen Diskursen über die Einwanderungs- und Asylpolitik, oder Erinnerungs- und Identitätskultur hatte die Buchmesse erreicht. Bei den Veranstaltungen von »Antaios« gerieten in der Stadt am Main FreundInnen des Verlages mit DemonstrantInnen gegen dessen Anwesenheit aneinander. Tumulte, die der Ausrichter der Buchmesse, der »Börsenverein des Deutschen Buchhandels«, nun in Frankfurt vermeiden wollte. Aus dem Grund hatte die Messenleitung »Cato«, »Junge Freiheit« (JF), »Tumult« und »Manuscriptum« in den abseitigen Messeweg platziert. Eine Sackgasse an dessen Ende die JF ihren Stand hatte und ihre Lesungen anbot. Am Anfang der »Gasse« stand »Tumult«. Ein gedrucktes Schild war an eine Wand gelehnt: »Achtung. Sie verlassen den politisch korrekten Sektor«. »Ich wollte nicht in dieser Ecke stehen«, sagt Lombard. Nicht ohne doch nachzuschieben, auch nicht mitten drin sein zu wollen, wenn es zu Gegenprotesten komme. »Das passt doch alles nicht zu uns«, meint der neurechte Chefredakteur, der bis 2013 noch Andreas Krause Landt hieß. Ab dem Jahr wurde er Leiter der »Manuscriptum Verlagsbuchhandlung Thomas Hoof KG«. 2017 übernahm er dann die Leitung des neu gegründeten Magazins. 2010 erschien beim »Antaios Verlag« noch sein Buch »Mein jüdisches Viertel, meine deutsche Angst«. Heute scheint das Verhältnis von Lombard, der mit Akif Pirinçci »Attacke auf den Mainstream – ‹Deutschland von Sinnen›« herausgab, zu Kubitschek mehr als abgekühlt. Dessen Clou anlässlich der Buchmesse schien ihn stattdessen zu erhitzen. Dieser Stil passt nicht zu ihrem gediegenen Image, will er ausstrahlen. Da redet man eben auch von Autor zu Autor – so irgendwie auf gleicher Ebene, jenseits der Positionen.

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Ellen Kositza bei »Antaios«

Ein Clou mit Preis
In die Ecke wollte auch Kubitschek nicht. Er überlegte er sich einen Clou – und nutze die »Frankfurter Allgemeine Zeitung« (FAZ). Kurz vor Beginn der Buchmesse gab er den Verkauf des »Antaios Verlags« an den »Loci-Verlag« bekannt. Die FAZ berichtete groß und breit. Das Guerilla-Marketing glückte. Der »Antaios Verlag« war offiziell nicht auf der Buchmesse und war es doch. In Halle 4.1, Stand D 57 stellte sich der »Loci-Verlag« vor, der sich schnell als Fake-Verlag entpuppte. Durch den angeblichen Verkauf konnte »Antaios« sich mitten unter den Kleinverlagen und etwas schräg gegenüber der Leseinsel der Unabhängigen Verlage und der taz zeigen. In einer Pressemitteilung hatte Kubitschek geschrieben, seinen Verlag an den Neu-Verleger Dr. Thomas Veigel verkauft zu haben. Schon am 21. Juli will Veigel, der zeitweise Sprecher der »Alternative für Deutschland« (AfD) in Ortenau war und früher auch dem Vorstand des »Hochschulrings Tübinger Studenten« angehörte, beim Börsenverein den Stand angemeldet haben. Bei der Anmeldung überprüfte die Leitung die Verlagsunterlagen wohl nicht ganz so genau. Der Preis des PR-Clou: Ein großes Programm konnte der Verlag nicht bieten. Am Stand diskutierten Ellen Kositza mit Vera Lengsfeld und Caroline Sommerfeld. Benedikt Kaiser, Lektor des Verlages und »Sezession«-Autor betreut den Stand. Eine der Töchter von Kubitschek und Kositza filmte den Event. Kubitschek stand immer wieder mal am Rande, trank ein Glas Wein. Eine breite Entourage konnte ebenso nicht anreisen. Für Verwunderung sorgen vornehmlich die anwesenden PolizeibeamtInnen, die sich in Grüppchen in der Nähe des Standes postiert haben, um Auseinandersetzungen zu verhindern. Doch nicht mal 40 Personen verfolgen das Gespräch. Unter ihnen befinden sich Funktionsträger der hessischen AfD, wie die damalige Landtagskandidatin Alexandra Walter und das Landesvorstandsmitglied der »Jungen Alternative Hessen«, Patrick Pana. Gut die Hälfte der Anwesenden dürfte von dem Ziel einer kritischen Begleitung motiviert gewesen sein. Doch außer einzelnen verbalen Unmutsbekundungen bleibt es vergleichsweise ruhig. Nahezu zeitgleich findet am Stand der JF ein Gespräch mit dem hessischen AfD-Spitzenkandidaten Rainer Rahn statt. Auch hier bleibt es ruhig. Auch hier ist das Interesse – zieht man die anwesenden AfD-Mitglieder ab – überschaubar. Ein Umstand der auch Rainer Rahn geschuldet sein könnte: die Auftritte des Spitzenkandidaten sind wiederkehrend von Emotions- und Lustlosigkeit geprägt. Auch auf der Buchmesse bleibt er seiner Linie treu.

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Benedikt Kaiser bei »Antaios«

»Keinen einzigen Fascho zu Wort kommen lassen«
In Halle 4.1 lässt gegen 17 Uhr der Messetrubel scheinbar nach. Im Rolltreppenhaus stehen 100 Menschen an den Geländern und beobachten, wie Sicherheitskräfte und PolizeibeamtInnen in Schutzausrüstung die Zugänge versperren. Sämtliche Fahrstühle werden abgeschaltet, alle Notausgänge durch Sicherheitspersonal gesperrt. Der wiederkehrenden Frage der Anwesenden im Treppenhaus nach dem Grund der Sperrung folgt die Antwort: »Björn Höcke kommt«. Dieser wird in einem fensterlosen Raum im Zwischengeschoss seinen Gesprächsband mit Sebastian Hennig »Nie zweimal in denselben Fluss« vorstellen. Vor fast leeren Rängen, wie Mitarbeiter des Verlages Manuscriptum tags darauf am Stand beklagen werden. Die verschiedenen Sicherheitsgruppen lassen kaum jemand in den Saal. Vornehmlich finden sich geladen Gäste, darunter viele Parteimitglieder, ein. VertreterInnen der Presse müssen mit Nachdruck dafür sorgen, an der Veranstaltung teilnehmen zu können. Nicht alle erhalten Zugang. Diejenigen, die es schaffen, sollen in ihrer Berichterstattung behindert werden: Ton- und Bildaufnahmen werden untersagt. Das geht einer anwesenden Vertreterin der Buchmesse dann doch zu weit. Sie verweist auf den vermeintlich öffentlichen Charakter der Veranstaltung und ermutigt die Presse: »Machen sie ihre Arbeit.«
Ehe Höcke zu seinem Buch spricht, echauffiert er sich über die Ankündigungen verschiedener Verfassungsschutzämter, die AfD zum Prüffall zu erklären.
Ebenso wie vor den Ständen der JF und »Antaios« bleibt es auch im Treppenhaus weitgehend ruhig. Dafür sorgen auch zahlreiche BeamtInnen in Zivil, die mal mehr oder weniger aggressiv auf verbale Unmutsbekundungen reagieren. Für Heiterkeit sorgen die Satire-Fraktionen. »Die Partei«-Chef Martin Sonneborn kommt in Wehrmachtsuniform als Hitler-Attentäter Graf von Stauffenberg. Mit sich trägt er eine lederne Aktentasche – in einer solchen hatte Stauffenberg die Bombe versteckt, die Adolf Hitler töten sollte. Doch Sonneborn scheitert mit seinem Vorhaben an den BeamtInnen. Zeitgleich zum Auftritt von Sonneborn segeln Flugblätter der Zeitschrift »Titanic« durch das Treppenhaus. Unter dem Motto »Über Rechte reden«, wird zur »großen Abendgala« geladen und angekündigt, »keinen einzigen Fascho zu Wort kommen zu lassen«.

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Rainer Rahn (AfD) bei der »Jungen Freiheit«

Verstimmungen am Rande
Bei »Zu Klampen« hat sich Lombard derweil hingesetzt. Locker ist er im Gespräch mit den MitarbeiterInnen, zusammen trinken sie Wein. Man kennt sich, man schätzt sich. Nicht wenig später setzt sich Michael Klonovky dazu. Bekommt ein Glas. Entspannt führt der ehemalige Focus-Redakteur Gespräche mit den Anwesenden. Dass er mal für die frühere AfD-Bundesvorsitzende Frauke Petry arbeitete und heute für den AfD-Bundestagsfraktions- und Bundesvorsitzenden Alexander Gauland tätig ist, stört nicht. Der Schriftsteller und Berater hat gerade »Bunt wie ein Niqab – Reaktionäres vom Tage. Acta diurna 2017« bei »Manuscriptum« veröffentlicht.
Einen Tag nach der Buchmesse erklärte Kubitschek auf »sezession.net«: »Natürlich sind Kositza und ich auch weiterhin die Besitzer unseres Verlags, und natürlich werden wir weiterhin diesen Verlag führen«. Die bibliographischen Angaben zu den Loci-Büchern – Preis 19.18 Euro und 124 Seiten – hätte als Datum erkannt werden können. Am 12. April 1918 verlas Richard Huelsenbeck in Berlin das »Dadaistische Manifest«. So sei das in der »Gesellschaft des Spektakels« schreibt er weiter, es würde einfach nicht mehr nachgedacht und nicht mehr »eins und eins« zusammen gezählt. Und er tritt gegen FAZ und deren Autor Justus Bender nach: »Das Exklusive, das Aufgeladene, das Sensationsgeile – es räumt selbst in der FAZ Spalten frei, und nun wird man ein neues Wort verwenden können: jemandem etwas aufbendern«. Der kurzfristige Clou könnte sich für Kubitschek als nachhaltiges Problem herausstellen. Seine vermeintliche Glaubwürdigkeit hat er selbst jetzt in Zweifel gezogen. In der »Neuen Rechten« um Lombard kommen seine Provokationen schon lange nicht besonders an. Diese Strategie war einer der Gründe, warum Karlheinz Weißmann das mit Kubitschek aufgebaute »Institut für Staatspolitik« verließ. Nach der Trennung, sagte Weißmannm der eng mit der JF und »Cato« verbunden ist, dass Kubitschek »eigentlich kein politischer Kopf« sei. Da »verwechselt jemand Literatur mit Staatslehre und Ästhetik mit Politik. Was selbstverständlich fatale Konsequenzen nach sich zieht, wenn der betreffende trotzdem Politikberatung treibt«.

 

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