Der Internetausdrucker
von Robert Andreasch
Magazin "der rechte rand" Ausgabe 172 - Mai / Juni 2018
#Rechtskonservativ
Zurück zum Printformat: Seit eineinhalb Jahren verkauft Roland Tichy parallel zum gleichnamigen Onlineblog sein Magazin »Tichys Einblick« im Zeitschriftenhandel.
Roland Tichy war bis Ende 2014 Chefredakteur der »Wirtschaftswoche«, danach leitete er die redaktionellen Angebote des Business-Netzwerks XING und schrieb eine wöchentliche Wirtschaftskolumne für die »BILD am Sonntag«. Im Jahr 2015, als sich die rassistische Stimmung verschärfte und PEGIDA, »Demo für Alle« & Co. Zehntausende mobilisierten, gründete Roland Tichy von Frankfurt am Main aus das Blog »www.tichyseinblick.de«. Er beschwor den Online-Journalismus: »Wir arbeiten nicht mehr für die Druckerei und die Papierfuzzis, wir arbeiten für Inhalte.« Die ideologische Rolle rückwärts hatte Tichy, der 1990 mit seinem Buch »Ausländer rein« noch für mehr Zuwanderung geworben hatte, längst gemacht und auch schon für das ultrarechte-marktradikale Blatt »eigentümlich frei« geschrieben. Jetzt warb er AutorInnen für seinen Blog an, die bereits mit rechten Inhalten aufgefallen waren, darunter Matthias Matussek, Bettina Röhl, AfD-Redner Imad Karim, Norbert Bolz, Birgit Kelle, den ehemaligen ZDF-Moderator Wolfgang Herles sowie ehemalige PolitikerInnen wie Frank Schäffler und Kristina Schröder.
Online-Blogs versprachen damals, nicht zuletzt angesichts der anwachsenden »sozialen Bewegung von rechts«, eine hohe Reichweite. Tichys Internet-Angebot soll nach eigenen Angaben rund 400.000 User im Monat erreichen. Wie so oft in der rechten Publizistik ist auch hier ein Shop angeschlossen. Der Versand, der neben allerlei Gesundheits- und Wellness-Artikeln auch Bücher der Blog-AutorInnen anbietet, wird von der »Quell-Verlag GmbH« betrieben, für die Roland Tichys Ehefrau Andrea verantwortlich zeichnet.
Am 10. Oktober 2016 startete Roland Tichy das monatlich erscheinende Printmagazin »Tichys Einblick« und ließ nach eigenen Angaben 65.000 Exemplare von der 100-Seiten starken Erstausgabe drucken. Ein Fünftel der Blog-Beiträge sollten von nun an parallel im 8 Euro teuren Heft veröffentlicht werden. Mit dem Münchner »Finanzenverlag« – in dem auch die Börsenmedien »Euro« und »Börse Online« erscheinen – als Herausgeber hat das Heft eine starke Institution im Hintergrund. Roland Tichy versuchte, seinen Strategiewechsel wie folgt zu erklären: »Andere Verlage verstehen Internet als Vertriebskanal, wir bringen Internet ins Print.« Das Zeitschriften-Branchenportal »Turi 2« verpasste ihm dafür die Bezeichnung »Der Internetausdrucker«. Sein Heft bewirbt Tichy seither folgendermaßen: »Tichys Einblick ist ein Monatsmagazin für die liberal-konservative Elite; eine Zielgruppe, die die Nase voll hat vom bevormundenden Mainstream-Journalismus.« Warum braucht es ausgerechnet dieses Magazin? Tichy: »Fast überall ist man um politische Korrektheit bemüht, weshalb fast alle Kommentare gleichförmig und schablonenhaft klingen.« Er selbst veröffentlichte Anfang 2017 in seinem Blog einen Artikel des Hamburger Bloggers und »Merkel muss weg«-Demo-Redners Jürgen Fritz. Dessen Thesen (»Grün-linke Gutmenschen sind – und ich sage das nicht einfach so dahin – krank. Nicht körperlich, sondern geistig-psychisch.«) lösten im XING-Netzwerk massive Proteste gegen Tichy aus, worauf dieser im Februar 2017 seinen Posten abgab.
Die Themen, die im Heft verhandelt werden, sind auf dem rechten Printmedienmarkt alles andere als originell: Rassistische Hetze gegen Geflüchtete, die Klage über »political correctness« und Internetzensur, das nimmermüde »Merkel muss weg« sowie der Kampf gegen die Feindbilder »Gender«, EU, Cannabis und »Umweltschutz«: »Selbst in den Städten war die Luft nie so rein wie heute, dennoch drehen Umweltaktivisten am Rad, und die Politik lässt sich ins Bockshorn jagen. Wann hört der Irrsinn endlich auf?« Nicht mehr ganz so typisch in der extremen Rechten ist die marktradikale Grundierung des Hefts. In der Mai-Ausgabe 2018 dominiert sie sogar über die rassistischen Ressentiments: »Weil das Volk über die Geldverschwendung an Flüchtlinge murrt, soll der Ärger nun ebenso mit Geld erstickt werden. Dieses Nochmehr-Sozialstaat gefährdet letztendlich die soziale Sicherheit.« »Tichys Einblick« verzichtet dabei sprachlich meist auf die aggressiv-hämischen Ausfälle von »politically incorrect« oder den völkisch-avantgardistischen Ton der »Sezession«. Matthias Matussek grenzte sich hier im Juni 2017 von der radikaleren Konkurrenz im eigenen Lager ab und schrieb über »rechte Spinner und Verschwörungsirre wie Jürgen Elsässer, der über ‹Finanzkapital› schwadroniert, wobei jedem klar ist, dass er das jüdische meint«.
Damit dürfte das Magazin bei den Zielgruppen ankommen und diese nicht verschrecken. Eigenen Angaben nach sind es »62 % Männer, 38 % Frauen, überwiegend älter als 40 Jahre, gut gebildet, beruflich in Führungspositionen, entsprechend hohes Haushaltsnettoeinkommen (Durchschnitt über 4.500 €/monatlich). (…) Mittelständische Unternehmer sowie Inhaber und Geschäftsführer größerer Unternehmen sind überproportional in der Zielgruppe vertreten«. Auffällig viel Werbung – eine ganzseitige Annonce kostet zurzeit 8.000 Euro – scheint das zu bestätigen.
Im Februar 2018 holte Tichy den ehemaligen Grünen- und CDU-Politiker Oswald Mezger in die Heftredaktion. Ob der das Blatt nach vorne bringt? Die Auflage von »Tichys Einblick« ist jedenfalls bisher keine Erfolgsgeschichte: Eineinhalb Jahre nach dem Start beträgt die Druckauflage nach eigenen Angaben zurzeit nur noch 35.000 Exemplare, von denen zudem lediglich 11.000 Hefte verkauft werden.