Editorial der 170

Eure Redaktion

Magazin "der rechte rand" Ausgabe 170 - Januar 2018

Liebe Leserinnen und liebe Leser,

es sind ungewohnte Allianzen entstanden. Der Aufstieg und Erfolg der extrem Rechten hat das gewohnte politische Feld durcheinander gerüttelt. Auf der Rechten findet zusammen, was lange getrennt war. Doch der Rechtsruck polarisiert die gesamte Gesellschaft: Für oder gegen die »Alternative für Deutschland« (AfD)? Für oder gegen rassistische Hetze? Für Gleichheit, Freiheit und Solidarität oder für reaktionären Rückschritt?

Magazin der rechte rand Ausgabe 170

Proteste gegen eine homophobe Demonstration in Stuttgart
© Roland Geisheimer / attenzione

Der massive Anstieg von verbalen und tätlichen Angriffe auf Geflüchtete, auf FlüchtlingshelferInnen, auf VerteidigerInnen der bundesrepublikanischen Parteiendemokratie und natürlich auf Linke aller Strömungen sowie die verbreitete Auffassung, Rassismus und rechte Ideologie müssten sanktionslos verbreitet werden dürfen, führt zu Widerstand. Auch weil plötzlich Menschen betroffen sind, die bisher nicht zur Zielscheiben wurden. So gerieten zum Beispiel konservative KatholikInnen ins Visier von AfD und »Wutbürgern«, weil sie aufgrund ihres Glaubens Geflüchtete als gleichwertige Menschen ansehen, die Hilfe brauchen. Sie fordern die Einhaltung des Grundgesetzes und bis dato gewohntgeglaubter Menschlichkeit. Für die Rechte ist schon das zu viel.

Mit teils ungewohnt deutlichen Worten kritisierten Kirchen auch die Asyl- und Flüchtlingspolitik von CDU/CSU. Schnappatmung folgte. Die Kirchen hätten sich nicht in die Politik einzumischen, befanden hochrangige PolitikerInnen der beiden Parteien mit dem »C« im Namem. Die Aufforderungen, sich aus diesen Fragen herauszuhalten, klangen bei AfD, CDU und NPD fast wortgleich. Doch die Attacken kommen auch »von rechtskonservativen Kreisen« in der Kirche, beklagte der liberal-konservative Katholik und Publizist Andreas Püttmann jüngst in dem linker Agitation unverdächtigen »Domradio«.
Klare Kante gegen Rassismus und Demokratiefeindlichkeit im Zuge zugespitzter Debatten ist eine Seite der Medaille.

Zugleich haben fundamentalistische Evangelikale international Zulauf.

Rechte ChristInnen sind in verschiedenen Ländern in Regierungsämtern. Der Antisemitismus von Luther spielte im Gedenkjahr 2017 für den Reformator zwar eine Rolle, ging aber in den Jubelfeiern unter. Die Ablehnung des Reformationstags als gesetzlichen Feiertag in Niedersachsen durch die Jüdischen Gemeinden zeigt die anhaltende Aktualität dieser Frage. Und auch rechte Strömungen in den Amtskirchen scheinen Mut gefasst zu haben – am bekanntesten wohl die »Lebensschützer«. Andere hoffen unterdessen, Rechte durch Gespräche auf den Pfad der Tugend zurück zu führen, etwa beim letzten »Evangelischen Kirchentag«. Das betonte auch die ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche, Margot Käßmann, als sie der neu-rechten Wochenzeitung »Junge Freiheit« (JF) im Oktober 2017 ein Interview gab. Im Gespräch hielt sie zwar deutlich dem rechten Sprech der JF und den Thesen der AfD entgegen. Doch ihre Hoffnung, dass »Mit Rechten reden« helfe, geht fehl. »Gegenseitiger Respekt« als einzige Bedingung für die Debatte ist nicht ausreichend.

Die extreme Rechte will nicht reden, sie will dominieren und Raumgewinne einfahren – notfalls mit Gewalt. Das ist mit dem Interview gelungen. Das prominent platzierte Gesicht von Käßmann auf dem Titel des rechten Blattes bescherte der Zeitung Reputation und Aufmerksamkeit.

Politik und Gesellschaft haben sich polarisiert – auch die Verhältnisse von Kirche, Christentum und extremer Rechter. Grund genug, sie zu vermessen und Bruchstellen aufzuspüren.

Eure Redaktion vom Magazin »der rechte rand«