Mit Rechten reden?
von Andreas Speit
Magazin "der rechte rand" Ausgabe 169 - November 2017
Gesellschaft und Medien verkennen die Diskurs-Strategien der
»Neuen Rechten«
»Wozu sich erklären? Wozu sich auf ein Gespräch einlassen, auf eine Beteiligung an einer Debatte? Weil Ihr Angst vor der Abrechnung habt, bittet Ihr uns nun an einen Eurer runden Tische? Nein, diese Mittel sind aufgebraucht, und von der Ernsthaftigkeit unseres Tuns wird Euch kein Wort überzeugen, sondern bloß ein Schlag ins Gesicht«. Diese klare Kriegserklärung formulierte einer jener neu-rechten Herren, die sich derzeit für ein offenes Gespräch stark machen, es war Götz Kubitschek.
In dem schmalen Buch »Provokation« führte der von den Medien zum »Schwarzen Ritter« aufgewertete Verleger aus: »Wir halten nicht viel von langwierigen Begründungen, von Herleitungen, von der systematischen Stimmigkeit unseres Handlungsantriebs.« Mit Bezug auf den spanischen Staatsphilosophen Donoso Cortes, der für eine »Diktatur des Säbels« plädierte, schrieb Kubitschek 2007: »‹Diskussion ist der Name des Todes, wenn er beschließt, inkognito zu reisen› sagt Donoso Cortes. Schaut Euch doch um! Was gibt es da noch zu fragen und zu quatschen?« Hat er seine Position seitdem verändert? Hin zum offenen Dialog mit der Intention einer kritischen Reflexion der eigenen Positionen? Hat der Text für ihn an Relevanz verloren? Nein. In dem Sammelband »Die Spurbreite des schmalen Grats« hat Kubitschek die Verneinung einer pluralen, demokratischen und multikulturellen Gesellschaft vor einem Jahr erneut veröffentlicht. Nicht die Position, sondern die Taktik der Diskurs-Gewinnung wurde modifiziert. Mit dem Buch »Deutschland schafft sich ab« von Thilo Sarrazin hat sich seit 2010 auch in der Mitte der Gesellschaft das Sag- und Wählbare stetig nach weit rechts geöffnet. »Sarrazin war ein Rammbock«, sagte Kubitschek in dem von Ellen Kositza und ihm 2015 herausgegebenen Gesprächsband »Tristesse Droite«.
Diese Öffnung will das neu-rechte Milieu – vom »Institut für Staatspolitik« über die Wochenzeitung »Junge Freiheit« und das neue Magazin »Cato« bis zur »Alternative für Deutschland« (AfD) – schon länger nutzen, um sich selbstreflektiert und gesprächsbereit zu geben. Seit dem Auftritt des »Verlag Antaios« von Kubitschek auf der Frankfurter Buchmesse in diesem Jahr halten sie einen weiteren Aufbruch für möglich. Ihr Credo, man könnte miteinander reden, hallt erfolgreich nach. Aus der Kritik etlicher Feuilletons, man solle miteinander reden, droht längst die Diktion zu werden: Man muss miteinander reden! Die Annahme dahinter: Erst die Ausgrenzung rechter Ressentiments hätte deren Etablierung verstärkt. Die »Political Correctness« der »Gutmenschen« wäre zu weit gegangen, ist nur die populärste Vorhaltung. Diejenigen, die vor den rassistischen, antiliberalen und antidemokratischen Konnotationen warnen, erscheinen nun als autoritär und undemokratisch.
Diese Umkehrung aus der gesellschaftlichen Mitte feiern die neuen Rechten. Neue »Rammböcke« haben sie bereits ausgemacht. Dieses Personal folgt oft dem Opfermythos, angeblich aus öffentlichen Diskursen ausgegrenzt zu sein. Ganz so, als wären die ihnen nahestehenden PublizistInnen keine BestsellerautorInnen, AfD-FunktionärInnen, Talkshowgäste und GesprächspartnerInnen in Medien. Im Magazin »Der Spiegel« durfte unlängst Kubitschek die Position seines Freundes Björn Höcke, Thüringer AfD-Chef, zu Auschwitz erklären. Und im »Heute Journal« des ZDF konnte jüngst der alte neu-rechte Vordenker Karlheinz Weißmann den AfD-Erfolg als Teil einer größeren Bewegung würdigen. Dass der Politikwissenschaftler Claus Leggewie und der Soziologe Armin Nassehi mit Kubitschek per Brief eine politische Auseinandersetzung suchten, wird ignoriert – genauso, dass Kubitschek dort zwar sich und sein Milieu erklärte, aber keine eigenen Positionen hinterfragte oder revidierte. Eine Debatte bedingt jedoch Dialogbereitschaft. Doch sie wollen nicht nur reden, sie wollen Recht bekommen.
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Diese seit Jahrzehnten zu erlebende Erfahrung wird bei der Forderung »Man muss miteinander reden« nicht bloß ausgeblendet. Sie wird ausgehebelt, wenn das Reden an sich für einen Wert gehalten wird. Reden um des Redens Willen kann im Privaten als Labern ohne Folgen abgetan werden. Im Politischen führt das aber zu der Konsequenz, bestimmte Positionen im Diskurs als legitim erscheinen zu lassen. Dabei wird ignoriert, dass genau das zur Strategie der IdeologieproduzentInnen der »Neuen Rechten« gehört: Im vorpolitischen Raum durch Themensetzung und Tonlagen ihre autoritären, antiliberalen und homogenen Visionen durchsetzen zu wollen. Wer nicht unterscheidet zwischen IdeologieproduzentInnen und Kadern einerseits sowie WählerInnen und Enttäuschten andererseits, erkennt nicht den schmalen Grat des Gesprächs-Konsens. Dieser Konsens ist aber nicht gegeben, wenn zur autoritären Revolte gegen die liberale Realität aufgerufen wird. Eine pauschale Unterstellung? Vielleicht sollte Kubitschek ernst genommen werden: »Unser Ziel ist nicht die Beteiligung am Diskurs, sondern sein Ende als Konsensform, nicht ein Mitreden, sondern eine andere Sprache, nicht der Stehplatz im Salon, sondern die Beendigung der Party.« Warum werden diese Kampfansagen den die Diskussionen Einfordernden und den Neu-Rechten nicht vorgehalten?
1993 bewegten die ersten Diskurs-Erfolge der »Neuen Rechten« liberale PhilosophInnen und linke PublizistInnen in Frankreich zum »Appell an die Wachsamkeit«. Sie warnten, dass nur »Neu-Rechte« die Profiteure des grenzenlosen Dialogs unter dem Deckmantel des Pluralismus sein würden. Maurice Olender, der Initiator des Appells, formulierte, was heute vergessen scheint: »Man kann über alles, aber nicht mit allen reden«.