»Einige meiner besten Freunde«
von Lara Schultz
Magazin "der rechte rand" Ausgabe 167 - Juli 2017
Alexander Tassis, der damalige Bundessprecher der »Homosexuellen in der AfD«, möchte beispielsweise im Schulunterricht lieber die Nennung von schwul-lesbischen Vorbildern sehen, als die Frage nach gesellschaftlicher Akzeptanz von alternativen Lebensentwürfen zu thematisieren: »Wir wollen das Thema Homosexualität auf traditionelle Art behandeln. Zum Beispiel durch die Nennung von großen Vorbildern aus der deutschen Geschichte. Alexander von Humboldt, Franz Schubert etc. Was nutzen denn dem Schüler irgendwelche Rechenbeispiele oder absurde soziologische Modelle? Der will doch Vorbilder haben. Ein Schubert-Liebeslied richtet sich immer an einen Mann. Schubert war stockschwul und ist einer der großen Kulturträger der österreichisch-deutschen romantischen Tradition. Das sind doch Dinge, mit denen man anfangen kann, um Homosexuelle als normal erscheinen zu lassen.« Hier lässt dann Freud grüßen: Für Tassis sind Homosexuelle eben nicht normal. Aber man könne sie möglichst normal erscheinen lassen.
Besorgte MigrantInnen
Die Einforderung ihrer Etabliertenvorrechte wird auch von Menschen mit Migrationsgeschichte erhoben: Ihr Rassismus richtet sich dabei gegen neue Einwanderungsgruppen, insbesondere gegen Geflüchtete, im Sinne einer Nützlichkeitsargumentation. Man selbst habe sich integriert, genügsam und fleißig in der Arbeit. Manche Menschen mit Migrationshintergrund, gerade solche mit rechtskonservativem oder streng katholischem Weltbild, teilen die Vorstellungen der AfD, wenn sie ein antimodernes Familien- und Geschlechterbild vertritt. Hiermit kann die Partei auch bei manchen Russlanddeutschen punkten, die sich als »Russlanddeutsche in der AfD« zusammengeschlossen haben: »Die Russlanddeutschen befinden sich momentan nach der Suche nach einer Partei, die ihre Belange und Interessen vertritt und für konservative sowie christliche Werte eintritt. Die Partei soll für die Interessen der Familien, gegen eine potentiell bedrohende Islamisierung Deutschlands und für eine ausgewogene Innen- und Außenpolitik im Interesse Deutschlands stehen.« Und während die AfD einerseits Deutsch als Pflichtsprache fordert, übersetzt sie andererseits Flyer und sogar diverse Wahlprogramme auf Russisch.
In ihrer Minderheitenpolitik hat die AfD vor allem deutsche Minderheiten im Blick, ganz in der Tradition extrem rechter Parteien. Neben den Russlanddeutschen hat sich im März 2017 auch eine »Vereinigung der Vertriebenen, Aussiedler und deutschen Minderheiten in der Alternative für Deutschland – VAdM« gegründet. In der Gründungserklärung wird die besondere Bedeutung und das »schwere Schicksal« in der Nachkriegsgeschichte der »Volksdeutschen« betont. Im Mai gründeten sich dann – zumindest auf Facebook – die »Migranten in der AfD–Neudeutsche Hoffnungsträger«, ein Netzwerk aus »persisch-, polnisch-, bosnisch-, türkisch-, afrikanisch- und griechischstämmige(n) Menschen als stolze Deutsche«. Ziel dieser Vereinigung: für »Einwanderer aus aller Herren Länder ein kraftvolles, integrierendes, gemeinsames, geisterfülltes Deutschsein auf Grundlage der deutschen Leitkultur als Erfolgsmodell vorzuleben und konzeptuell anzubieten.« Am Beispiel der Integrationspolitik zeigt sich dann auch, wie die AfD Minderheiten gegeneinander ausspielt. Vorrangig ginge es ihr um die »soziale Lage behinderter Bürger«, die zu verbessern sei – statt »eine Million Neubürger zu alimentieren.« Ob die Partei letztendlich bereit wäre, so genannte »Nicht-Deutsche« als Teil ihrer rassistischen »Volkgemeinschaft« zu akzeptieren, bleibt somit dahingestellt.
Der autoritäre Charakter
Die scheinbare Sensation – Schwarze, Homosexuelle und andere Minderheiten in der AfD – ist gar keine. Doch dies lässt sich in Anlehnung an die Sozialwissenschaftler Theodor Adorno und Max Horkheimer mit dem widersprüchlichen Wunsch der autoritären Persönlichkeit, sowohl Teil der Autorität und des dominanten Kollektivs zu sein, als auch sich dieser Autorität zu unterwerfen, erklären.
Noch besser bringt der AfD-Kreisverband Bodensee, das Hin und Her der Partei und diesen Widerspruch, gleichzeitig Mehr- und Minderheit zu sein, auf den Punkt: »(D)ie AfD (vertritt) in vielen entscheidenden Fragen Mehrheitspositionen und in anderen entscheidenden Fragen Positionen relevanter Minderheiten«.