Nächster Etappensieg
von Kai Budler
Magazin "der rechte rand" Ausgabe 167 - Juli 2017
Es sind noch einige Wochen bis zur Bundestagswahl am 24. September 2017. Alle Parteien stecken in den Startlöchern, um das Terrain für den Wahlkampf abzustecken – auch die »Alternative für Deutschland«.
Auch im Bundestagswahlkampf werden die Brüche in der Selbstwahrnehmung der »Alternative für Deutschland« (AfD) sichtbar, wie ein Blick auf die Wahlkampagne zeigt, die der Bundesvorstand abgesegnet hatte. Die zentrale Losung der Kampagne lautet »Trau Dich, Deutschland«. In dem Begleitpapier wird der AfD ein »Riesen-Image-Problem« attestiert, weiter heißt es: »Sie ist das Gegenteil von dem, was sich in der Werbung ein happy product nennt.« Die Partei repräsentiere das Problem statt es zu lösen, ihr Image sei in der Außenwahrnehmung vorwiegend negativ und das von ihr vermittelte Lebensgefühl sei »unangenehm«. Schonungslos heißt es zum Gesamtbild der Partei: »Der sympathisierende Wähler erkannte in Köln erstmals das Bild einer zerstrittenen Partei, deren Machtkämpfe zum Selbstzweck geworden sind.« Um die von der AfD als WählerInnen anvisierten bürgerlichen Kreise zu erreichen, soll an die Stelle der Panikmache »eine Lifestyle-Kampagne« treten, in der sich die Partei »bewusst harmlos« präsentieren will. Es ist schwer zu übersehen, dass sich ein solches Vorgehen an Frauke Petry orientiert, die fordert, mit einem »realpolitischen« Ansatz bürgerliche WählerInnen-Kreise nicht ganz zu verlieren. Und so zielt die Kampagne darauf ab, »netter zu sein, sympathischer, menschlicher, weiblicher, aber nicht weicher«, um den Eindruck zu erwecken, »dass die AfD längst in der Gesellschaft angekommen ist«. Erwartungsgemäß stieß die zentrale Kampagne nicht bei allen Landesverbänden auf Wohlwollen, so dass der Bundesvorstand den Landesverbänden grünes Licht gab, auch eine »abweichende Kampagnenlinie« fahren zu dürfen.
Noch am 1. Mai wurde auf dem AfD-Aufmarsch in Erfurt großspurig die Parole »Hol dir dein Land zurück« als Slogan für die Bundestagswahl ausgegeben, doch die Parole der Landesverbände Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Thüringen scheint wenig Anklang gefunden zu haben. Björn Höcke hatte an diesem Tag außerdem gefordert: »Ich will, dass wir einen knallharten Anti-Establishment-Wahlkampf machen«. Bei dem Aufmarsch in Erfurt hatte die AfD die Gründung eines »Alternativen Arbeitnehmerverbands Mitteldeutschland« (ALARM!) bekannt gegeben. Der neue Verband soll in Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Thüringen aktiv werden, als Gründer gilt Jürgen Pohl, der bei der Bundestagswahl auf Platz zwei der AfD-Landesliste in Thüringen antritt. Weitere Gründungsmitglieder von »ALARM!« sind Andreas Kalbitz und Birgit Bessin vom AfD-Landesverband Brandenburg sowie Martin Reichardt und Oliver Kirchner aus der AfD in Sachsen-Anhalt. Zwei ebenfalls am 1. Mai geplante Aufmärsche der »Arbeitnehmer in der AfD« (AidA) und der »Alternativen Vereinigung der Arbeitnehmer« (AVA) waren kurz zuvor wieder abgesagt worden.
Rassismus als Kernthema
Nachdem Flüchtlinge und Migration in der Öffentlichkeit längst nicht mehr so schrill thematisiert werden, scheint der AfD ihr »Kernthema« abhanden zu kommen. Eine rassistische Kernkompetenz beweist sie aber ungebrochen beim Stichwort »Islam« mit ihren antimuslimischen Beißreflexen. Dies zeigte auch die AfD-Vizevorsitzende Beatrix von Storch nach dem Terroranschlag von London, als sie pauschal gegen den Islam hetzte und Heiko Maas und Angela Merkel beschimpfte. Doch nicht nur von Storch teilte heftig aus, auch Alexander Gauland fiel in den antimuslimischen Chor mit ein und forderte »sichere Grenzen und rigorose, sofortige Abschiebungen«. Der Spitzenkandidat der AfD erklärte, »Politiker, die eine falsche Toleranz vorschieben, um ihr Unvermögen und ihren Unwillen, unsere Gesellschaft wirksam vor islamischer Masseneinwanderung zu schützen, zu kaschieren, müssen abgewählt werden«. Gauland kündigte an, »die Innere Sicherheit in all ihren Facetten« zum Wahlkampfthema Nr. 1 zu machen. Seine Co-Spitzenkandidatin Alice Weidel, die als liberales Gesicht der AfD für die Öffentlichkeit gehandelt wurde, steht dem in nichts nach. Sie hatte bereits im Oktober 2016 in der »Jungen Freiheit« von einer »Islamisierung unserer Gesellschaft« halluziniert.
Mittlerweile scheint das noch zu Jahresbeginn postulierte Ziel »20 Prozent plus X« bei der Bundestagswahl unrealistischer denn je. Weidel sprach von 15 Prozent als »persönliche Zielmarke«. Doch der AfD schaden auch die Kontakte und Kooperationen ihrer Jugendorganisation »Junge Alternative« (JA) mit der »Identitären Bewegung« (IB). In einer Sitzung des Berliner Ausschusses für Verfassungsschutz wies Niklas Schrader (»Die Linke«) auf Beispiele der Zusammenarbeit hin und erklärte, offensichtlich gebe es viele Verbindungen und Überschneidungen zwischen der IB und der AfD. AfD-Mitglieder bestätigen die ideologischen Gemeinsamkeiten mit der IB. Diese nehme eine Scharnierfunktion zwischen der AfD und der extremen Rechten ein, so Schrader. Zwar heißt es im Unvereinbarkeitsbeschluss des Bundesvorstandes von Juli 2016: »Anhänger der ›Identitären Bewegung‹ dürfen nicht in die AfD aufgenommen werden.« Der großzügig ausgelegte Beschluss scheint eher der Beruhigung der KritikerInnen zu dienen als einer politischen Überzeugung zu entspringen. Und wenn ein Mitglied die Partei verlassen muss, dann liegen strategische Gründe nahe. Wie bei dem kurzzeitig per Haftbefehl gesuchten damaligen Schatzmeister der JA Berlin, Jannik Brämer. Im Zusammenhang mit der Mitte Mai versuchten Besetzung des Bundesjustizministeriums durch die IB wird ihm gefährliche Körperverletzung an einem Polizisten vorgeworfen.
Und die Vorsitzende?
Von dem von Frauke Petry selbst erhobenen Anspruch, aus der AfD eine ernstzunehmende Partei mit nationalem Anstrich zu machen, ist die Partei inzwischen so weit entfernt wie noch nie seit dem Bruch mit dem ehemaligen Bundesvorsitzenden Bernd Lucke. Und auch die parteiinterne Gerüchteküche läuft auf Hochtouren, seitdem Spekulationen die Runde machen, Petry wolle eine alternative Partei zur AfD gründen.