Identität: Rechts
von Margarete Schlüter
Magazin "der rechte rand" Ausgabe 163 - November 2016
Im August 2016 besetzten AktivistInnen der »Identitären Bewegung« in Berlin das Brandenburger Tor. Nahezu zeitgleich gab das Bundesamt für Verfassungsschutz bekannt, dass die Gruppe unter Beobachtung steht. Seitdem vergeht kaum ein Tag, an dem nicht von etablierten und rechten Medien über die »Bewegung« berichtet wird.
»Darf man Rechtsextreme einladen?« Die Frage hatte der österreichische Privatsender »ServusTV« mit »Ja« beantwortet. Am 21. Oktober lud er Martin Sellner zum »Talk im Hangar 7« zu eben jenem Thema ein. Sellner ist Leiter der »Identitären Bewegung Österreichs« (IBÖ). Eigentlich sollten in der Runde ein Wissenschaftler, ein Imam, ein ehemaliger Bundesrat der Grünen und ein Jugendforscher sowie der IBÖ-Vertreter über die Radikalisierung junger Muslime diskutieren. Doch drei Gäste sagten wegen Sellner ab. Der Wissenschaftler Kenar Güngör kritisierte, mit der Einladung werde »einem rechtsextremen Ideologen mit einer Neonazi-Vergangenheit die mediale Bühne gegeben«. Er wolle verhindern, »dass unsere Studie als Steilvorlage für rechtspopulistische Propaganda missbraucht wird«. Doch dem Sender war die Teilnahme Sellners so wichtig, dass das Thema geändert und zwei neue Gäste eingeladen wurden. Für den österreichischen Extrem-Sportler Felix Baumgartner war die Talkrunde ein »HISTORISCHER TAG in der deutschsprachigen TV Geschichte!« ServusTV habe »sich als ERSTES Medium europaweit (getraut) einen `Identitären´ ins Hauptabendprogramm einzuladen«. Bereits in der Vergangenheit fiel der von »Red Bull« gesponsorte Sportler durch Aussagen gegen Geflüchtete auf. Der Konzern ist Eigentümer des Senders »ServusTV«.
Präsent auf allen Bühnen
Die »Identitäre Bewegung« (IB) wurde bereits im Herbst 2012 in Deutschland und Österreich gegründet. Ihren Vorläufer hat die IB in Frankreich, ihre geistigen Vordenker findet sie in der sogenannten »Konservativen Revolution« der Weimarer Zeit, der »Nouvelle Droite« und der jüngeren »Neuen Rechten«. Ihre AktivistInnen sind jung, vornehmlich männlich, viele von ihnen studieren und sind Burschenschafter. Um auf die neuen Bewegungen in der extremen Rechten – wie zum Beispiel PEGIDA – und die aktuellen Debatten um Geflüchtete aufzuspringen, rief die IBÖ im Mai 2015 die Kampagne »Der große Austausch« ins Leben. Der Begriff geht auf den französischen Rechten Renaud Camus und dessen Werk »Le grand remplacement« (in etwa: der große Bevölkerungsaustausch) zurück. Die »Identitären« glauben, es finde zur Zeit ein regelrechter Bevölkerungsaustausch statt: »Österreich als Sprach- und Kulturgemeinschaft, die Österreicher als Volk verschwinden aber heute und werden ausgetauscht.« Es gehe daher »heute um alles oder nichts, also um unsere nackte Existenz und Identität«. Der Kampf gegen den »Großen Austausch«, das sei »die zentrale Frage der heutigen Zeit«. Sie fordern eine »freie, offene und neutrale Debatte über den »Großen Austausch« und ein Ende »der Hetze gegen Patrioten«, »ein Ende der verlogenen Propaganda von ‹Integration›, ‹Bereicherung› und ‹Multikulti›«, einen »sofortigen Zuwanderungsstopp (sowie) die Abschaffung des maroden Asylsystems«.
Auch die »Identitären« in Deutschland haben den Begriff und die Definition übernommen. Mit dem »Großen Austausch« gehe »eine Brutalisierung der Gesellschaft einher, welcher wir nicht schutzlos ausgeliefert sein wollen«. Man gibt sich als Opfer aus, um »die Anderen« als Täter darstellen zu können: »Wir Identitäre wollen keine Schafe sein, die sich ohne Gegenwehr einfach niederwalzen lassen. Wer den Geist schult, muss auch seinen Körper härten. Wir kämpfen nicht, weil wir den Kampf lieben, sondern weil er uns aufgezwungen wird. Weil wir uns verteidigen müssen, wenn wir in Frieden leben wollen.« Daher wird von der IB auch Kampfsporttraining angeboten.
Im Internet und auf der Straße
Seit ihrer Gründung nutzt die IB das Internet intensiv, um ihre rechten Überzeugungen zu verbreiten und Aktionen mit Fotos oder Videos zu dokumentieren. Neben Internetseiten, wie »Identitäre Generation«, existieren Dutzende regionale Facebook-Seiten. Real verfügen die »Identitären« über wenig Aktive. Bei einer Auswertung veröffentlichter Bilder und Videos fällt auf, dass zu den Aktionen oft AktivistInnn aus anderen Städten anreisen. Um künftig »die gesamte strategische Planung von den technischen Voraussetzungen über die Finanzplanung bis zum Aktivismus auf der Straße« der IB besser zu gestalten, traf sich die deutsche »Bewegung« im März 2016. Zur Finanzierung der Aktivitäten ruft sie dazu auf, Fördermitglied in dem Verein »Identitäre Bewegung Deutschland e. V.« (IBD) zu werden. Der Verein wurde 2014 gegründet und hat seinen Sitz in Paderborn. Ihm stehen seit der Gründung Nils Altmieks und seit dem bundesweiten Treffen im März Sebastian Zeilinger vor.
Identitäre Lebenswelt
Seit Oktober 2013 können AnhängerInnen der »Identitären« über den »Phalanx-Europa-Versand« Babylätzchen, T-Shirts, Aufkleber und Bücher aus dem »Verlag Antaios« bestellen. Registriert ist der Versand auf Patrick Lenart, neben Sellner Leiter der IBÖ. Betrieben wird der Versand jedoch maßgeblich von Sellner. Anfang 2014 wurde auf der neu-rechten Internetseite »Blaue Narzisse« ein Interview mit den Machern des Versandes veröffentlicht, in dem sie dessen Gründung als politische Tat betrachten. Dazu verweisen sie auf ein Zitat von Philippe Vardon, einem Gründer des französischen »Bloc Identitaire«: »Wir müssen unsere eigene Kultur schaffen, denn unsere Werte sind nicht die des Systems, und wir müssen alle Möglichkeiten nutzen, um diese, unsere eigene Kultur zu verbreiten. Ich appelliere dabei an alle von uns, einen Baustein zu dem Gebäude beizutragen, das wir errichten wollen. Sei es als freier Filmemacher, als freier Sänger und meinetwegen als freier Tätowierer oder als freier Modedesigner.« Und genau diesem Spektrum unterbreiten die »Identitären« mit ihren Aktionen, Lagern, Feiern und Schulungen ein Angebot.
Vernetzt
VertreterInnen treten bei Veranstaltungen der »Alternative für Deutschland« (AfD) auf, reden bei PEGIDA-Aufmärschen oder veröffentlichen Artikel in neu-rechten Magazinen oder den »Burschenschaftlichen Blättern«. Schulungen und Veranstaltungen zeigen aber auch, wie eng die IB mit der Neuen Rechten zusammenarbeitet. »Identitäre« reisten zu den Sommer- und Winterakademien des neu-rechten »Instituts für Staatspolitik« (IfS) nach Schnellroda. So war Martin Sellner als Referent zu der »16. Winterakademie« Ende Januar 2016 unter dem Motto »Widerstand« eingeladen.
Ausblick
Die »Identitären« geben sich in ihren Aktionen und ihrem Auftreten selbstbewusst, grenzen sich verbal von der »Alten Rechten« und NS-NostalgikerInnen ab. Doch wer den »Großen Austausch« zu seinem Arbeitsschwerpunkt macht, die »Reconquista« zum Vorbild hat, die «Remigration« fordert, sein ideologisches Rüstzeug bei der »Konservativen Revolution« holt und keine Berührungsängste mit Rechten jeglicher Couleur hat, bedient eine weitere Spielart des Faschismus.