In der Wagenburg

von Günter Born
Magazin "der rechte rand" - Ausgabe 162 - September 2016

Fachhochschule Polizei Sachsen-Anhalt veröffentlichte Studie zum »Polizeilichen Umgang mit migrantischen Opferzeugen«, die unter anderem zu dem Schluss kommt, dass »mangelnde Sensibilität im polizeilichen Umgang mit migrantischen Opferzeugen (…) bei politischer Kriminalität nicht von der Hand zu weisen ist.«
In den verschiedenen Einrichtungen fanden und finden zudem wiederholt Diskussionsveranstaltungen zum NSU und den Folgen für die Sicherheitsbehörden statt, zu denen auch externe »polizeikritische« ReferentInnen eingeladen wurden. Die Initiativen hierfür gehen jedoch häufig von einzelnen Dozierenden aus, eine übergreifende, institutionalisierte Auseinandersetzung lässt sich kaum beobachten. Bemerkenswert ist die teilweise erhebliche Differenz zwischen den programmatisch postulierten, sich häufig an bürgerpolizeilichen Leitbildern orientierenden Ausbildungszielen und den tatsächlich vermittelten Inhalten und Haltungen, mit denen die BeamtInnen die polizeilichen Bildungseinrichtungen letztlich verlassen.
Im nordrhein-westfälischen NSU-Untersuchungsausschuss verwies Reinhard Mokros, Präsident der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung in NRW, auf die vorläufigen Erkenntnisse einer bislang unveröffentlichten Studie, der zufolge unter den künftigen PolizistInnen des bevölkerungsreichsten Bundeslandes Einstellungen im Hinblick auf einzelne Syndrome gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit im Laufe des Studiums zunehmen würden – obwohl freilich das Gegenteil intendiert sei. Offenkundig erweisen sich zum einen also die vorwiegend theoretischen Aspekte der Ausbildung im Vergleich zu deren Praxisanteilen auf den Wachen und in den Dienstgruppen – dort also, wo nach Auffassung der BeamtInnen »richtige Polizeiarbeit« stattfindet – als wenig prägend. Zum anderen attestieren KritikerInnen den Fachhochschulen der Polizei selbst Teil des Problems zu sein. Der an der Akademie der Polizei in Hamburg lehrende Soziologe Rafael Behr bezeichnet etwa die Bildungseinrichtungen als »Ausbildungsstätten für ein schnelles Funktionieren in der Praxis«.

Ernüchternde Bilanz

Der kursorische Blick auf die Konsequenzen, die die Polizei aus dem NSU-Desaster gezogen hat, muss demnach bisher ernüchternd ausfallen. Von der geforderten Fehler- und Kritikkultur scheinen die Polizeibehörden noch weit entfernt. Solange »Rassismus« nicht »Rassismus« genannt und als solcher analysiert wird, kann es aus der Polizei heraus kaum eine ernsthafte Auseinandersetzung mit den vielfach durch rassistische Bilder und Projektionen geprägten Ermittlungen im Zusammenhang mit dem NSU geben. Mehr noch: Dass sich derartige Ermittlungspraktiken fortsetzen und reproduzieren, scheint unter diesen Voraussetzungen allzu wahrscheinlich. Da helfen auch die Beschwörungen vermeintlicher »interkultureller Kompetenz« wenig. Die Polizei täte gut daran, die Wahrnehmungen und die Kritik, aber auch die vielen konstruktiven Vorschläge, die aus der Zivilgesellschaft, von BürgerInnen- und Menschenrechtsorganisationen an die Behörden herangetragen werden, ernst zu nehmen. Vereinzelte Ansätze hierzu gibt es durchaus, denn auch die Polizei ist keineswegs ein »homogener« Apparat.