In der Wagenburg
von Günter Born
Magazin "der rechte rand" - Ausgabe 162 - September 2016
Selbstviktimisierung statt Fehlerkultur
An dieser Haltung änderte auch der im August 2013 veröffentlichte Abschlussbericht des Bundestagsuntersuchungsausschusses wenig. Vermied der gemeinsame Bericht – im Gegensatz zu den Sondervoten von SPD, »Bündnis 90/Die Grünen« und »Die Linke« – in Bezug auf das Handeln der Polizeibehörden zwar den Begriff des »Rassismus«, kam er aber gleichwohl zu dem Schluss, dass der »Umgang mit den Opfern und ihrem Umfeld im Rahmen der Ermittlungen in vielen Fällen nicht angemessen und sachgerecht« gewesen sei. Die »Empfehlungen für den Bereich der Polizei« konstatierten einen Handlungs- und Reformbedarf in der polizeilichen Aus- und Fortbildung. Gefördert werden sollten demnach »interkulturelle Kompetenz« und eine »Arbeitskultur, die anerkennt, dass (…) selbstkritisches Denken kein Zeichen von Schwäche ist. Es müsse eine »Fehlerkultur« gefördert werden, um der »Tendenz entgegenzuwirken, dass sich Dienststellen abschotten.« Diese Empfehlungen stießen bei den Polizeigewerkschaften überwiegend auf Skepsis.
Zwar betonte vor allem die GdP die Notwendigkeit, entschieden gegen Rechtsextremismus vorzugehen, ihr Bundesvorsitzender Oliver Malchow beharrt aber bis heute darauf, dass es keinen »strukturellen Rassismus« in der Polizei gebe. Aus seiner Sicht seien derartige Vorwürfe nicht zuletzt deshalb gefährlich, da sie dazu beitragen könnten, die Autorität der Polizei in Frage zu stellen und somit »zunehmend gewaltsame Übergriffe« auf PolizistInnen zu fördern. Diese Argumentation kann als charakteristisch für die Polizeigewerkschaften insgesamt gelten. Sie setzt darauf, gleichsam einen selbstviktimisierenden »Gegendiskurs« zur Kritik an polizeilichen Strukturen und Ermittlungspraktiken im Kontext des NSU-Komplexes zu etablieren, der darauf abzielt, PolizistInnen zu Opfern ungerechtfertigter Anschuldigungen, »nachträglicher Besserwisserei« (Rainer Wendt) und nicht zuletzt einer angeblich steigenden Gewaltbereitschaft zu stilisieren. Verwunderlich ist daher kaum, dass es in den Verlautbarungen der GdP und der DPolG bis heute keine über polemische Zurückweisungen hinausgehende Auseinandersetzung mit dem »institutionellen Rassismus« der Polizeibehörden gegeben hat. Konsequenterweise werden auch teilweise schon vor der Selbstenttarnung des NSU diskutierte Reformvorschläge von BürgerInnen- und Menschenrechtsorganisationen wie beispielsweise die Einrichtung unabhängiger Polizeibeschwerdestellen beziehungsweise Polizeibeauftragter rigoros abgelehnt. Ohnehin benötige man keinen »Nachhilfeunterricht« von amnesty international, die Polizei selbst, so lautet eine von Rainer Wendt regelmäßig kolportierten Plattitüden sei »die größte Menschenrechtsorganisation« in Deutschland. Als Ausdruck einer Fehler- und Kritikkultur lassen sich derartige Haltungen freilich nicht bezeichnen.
»Interkulturelle Kompetenz« als Leerformel
Die Polizeigewerkschaften wissen sich in diesen Punkten meist im Einklang mit den Innenministerien und den Behördenleitungen in Bund und Ländern. Von »institutionellem Rassismus« und fragwürdigen polizeilichen Praktiken wie dem »Racial Profiling« wird auch hier nicht gesprochen. Stattdessen sah die Bundesregierung die Polizei und den Verfassungsschutz bereits in einem im Februar 2014 veröffentlichten Bericht über den Umsetzungsstand der Empfehlungen des Bundestagsuntersuchungsausschusses auf einem guten Weg. Die »Schulung in komplexen und interkulturellen Kommunikationsprozessen« gehöre schon heute zum »Kernbestandteil des Berufsbildes« der Polizeibehörden des Bundes. Verwiesen wird zudem auf die verstärkte Einstellung von Menschen mit Migrationshintergrund bei den Sicherheitsbehörden. Was allerdings unter »interkultureller Kompetenz« verstanden und wie sie vermittelt werden soll, bleibt nicht nur in dem Bericht der Bundesregierung höchst unklar. Der Terminus erscheint als weitgehend inhaltsleere Floskel, die im Zweifelsfall kulturalisierende Deutungsmuster reproduziert. Der Begriff des Rassismus taucht indessen nur in Verbindung mit »Rechtsextremismus« und »politisch motivierter Kriminalität« auf.
Ansprüche und Realitäten polizeilicher Ausbildung
Die Empfehlungen des Ausschusses sowie die öffentlichen Debatten um die Aufarbeitung des NSU-Komplexes fanden noch am ehesten in den Aus- und Fortbildungseinrichtungen der Polizei in Bund und Ländern Beachtung. Hier entstanden auch einige Forschungsarbeiten, die sich beispielsweise dem Problem des »institutionellen Rassismus« zumindest annäherten. Zu nennen ist hier die August 2014 an der