Die »Neue Stärke Partei« am 1. Mai

von Kai Budler
Antifa-Magazin »der rechte rand« Ausgabe 196 - Mai | Juni 2022

#Erfurt

In der Thüringer Landeshauptstadt konnte die junge »Neue Stärke Partei« nahezu ungestört einen Aufmarsch zum »nationalrevolutionären Arbeiterkampftag« durchführen. Ihre Präsenz in den Sozialen Netzwerken kann aber nicht über Misserfolge in der Mobilisierung hinwegtäuschen.

© Kai Budler

Knapp 140 Personen sind am 1. Mai dem Aufruf der neonazistischen »Neue Stärke Partei« (NSP) zu einem Aufmarsch in Erfurt mit dem Motto »Kein Frieden mit System und Kapital« gefolgt. Die Anmeldung für einen »revolutionären Arbeiterkampftag« erfolgte bereits im vergangenen Jahr, nachdem die Neonazis am 1. Mai 2021 in der Landeshauptstadt lediglich eine Kundgebung mit etwa 150 Teilnehmer*innen durchführen konnten. Für dieses Jahr hatte die NSP auch für den 30. April einen zweiten Aufmarsch angemeldet, die Neonazis zogen von einem nördlichen Stadtviertel aus in die Erfurter Innenstadt. Nach einer Zwischenkundgebung brachen sie zu ihrem zweiten Aufmarsch auf und zogen ungestört über Umwege zum Hauptbahnhof, wo der Aufmarsch endete. Auf der dortigen Kundgebung wurde bekannt, dass der NSP-Aufmarsch zum 1. Mai 2023 in Leipzig stattfinden soll.

Abspaltung von »Der III. Weg«

Kurz zuvor hatte das Verwaltungsgericht Weimar einige Auflagen der Stadt Erfurt gekippt und es den Neonazis ermöglicht, während des insgesamt rund elf Kilometer langen Aufmarschs über Regenbogenfahnen und Fahnen der ehemaligen Sowjetunion zu trampeln. Redner*innen und Teilnehmer*innen stammten unter anderem aus Thüringen, Baden-Württemberg, Mecklenburg-Vorpommern und Rheinhessen. Die Initialzündung für die neue Partei ging von langjährig aktiven Neonazis aus Erfurt und Thüringen wie Enrico Biczysko und Michel Fischer aus, die schon andere neonazistische Parteien durchlaufen und sich von ihnen meist im Streit getrennt hatten. Das Pfund, mit dem sie wuchern konnten, waren Räumlichkeiten in einer alten Kaufhalle in Erfurt, die sie 2016 als Verein »Volksgemeinschaft« angemietet hatten. Die Räume boten viel Platz für neonazistische Aktivitäten und wurden schnell zu einem festen Anlaufpunkt auch für Veranstaltungen von NPD, Die Rechte und zuletzt »Der III. Weg« ­(DIIIW). Mit dieser Partei überwarfen sich die Thüringer Akteure ebenso und traten seit Mai 2020 als »Neue Stärke Erfurt« (NSE) auf. Geblieben sind Auftreten und Symbolik des DIIIW, die sich am historischen Nationalsozialismus orientieren, auch das Selbstverständnis als »nationalrevolutionär« hat die NSE übernommen. Wie DIIIW bezieht die Partei im Ukraine-Krieg eine pro-ukrainische Position und organisiert angeblich Hilfsangebote in Form von Sach- und Geldspenden.

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Kleinstpartei als Sammelbecken

Im Mai 2021 veranstalteten die Neonazis den Gründungsparteitag der NSP. Zu einem Aufmarsch im August 2021 kamen etwa 100 Teilnehmer*innen nach Weimar, im November 2021 fand ein Bundesparteitag in Magdeburg statt. Die Parteigründung erfolgte vor allem aus strategischen Gründen, um so einem möglichen Vereinsverbot zu entgehen, denn ein Parteiverbot unterliegt wesentlich strengeren Voraussetzungen als ein Vereinsverbot. Die NSP gilt als Resterampe heimatloser, langjährig aktiver Neonazis, die fast alle anderen Organisationen durchlaufen haben und in rechten Strukturen marginalisiert sind. Ein Blick auf die von der Partei erwähnten Gliederungen in Landes- und Regionsebenen in Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen zeigt, dass die Strukturen nur von wenigen Personen getragen werden. Die NSP tritt mit dem Anspruch an, einen »organisationsübergreifenden Widerstand zu leisten«. Ob sie damit Sammelbecken für Neonazis aus der subkulturellen Szene wird oder wie andere Kleinstparteien zur Zersplitterung des extrem rechten Parteienspektrums beiträgt, bleibt abzuwarten. Besonders für Geflüchtete und engagierte Personen bleibt die Partei mit ihren Anhänger*innen höchst gefährlich. So läuft gegen Mitglieder aus Erfurt ein Verfahren wegen eines brutalen Überfalls im Sommer 2020 vor dem damaligen Sitz der »Neuen Stärke« auf drei Männer aus Guinea, einer davon wurde dabei schwer verletzt. Die bundesweit begehrten Räumlichkeiten in Erfurt sind seit Ende 2020 Geschichte. Neue Räume in einem Industriegebiet im Süden Erfurts, die die NSP seit April 2022 als Bundesgeschäftsstelle angemietet hat, wurden der Partei vom Vermieter bereits gekündigt.