Staatlich geförderte Kaderschmiede

von Matthias Jakubowski
Antifa-Magazin »der rechte rand« Ausgabe 192 - September | Oktober 2021

#Stiftung

Mit dem erneuten Einzug der »Alternative für Deutschland« in den Deutschen Bundestag am 26. September 2021 steigt die Wahrscheinlichkeit, dass die parteinahe »Desiderius-Erasmus-Stiftung« in den kommenden Jahren mit staatlichen Mitteln in Millionenhöhe finanziert wird. Damit sollte die Frage der programmatischen und personellen Ausrichtung der Stiftung in den Mittelpunkt des gesellschaftlichen Interesses rücken.

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Als am 30. Juni 2018 der Bundesparteitag der »Alternative für Deutschland« (AfD) mit 64,4 Prozent der Stimmen beschloss, die »Desiderius-Erasmus-Stiftung« (DES) als offizielle parteinahe Stiftung anzuerkennen, beendete dies einen innerhalb der Partei geführten Konflikt nach Fragen des »Ob« und »Wie« einer Stiftungsgründung. So bezeichnete im Januar 2017 der damalige DES-Vorsitzende Konrad Adam Parteistiftungen noch als »Misswuchs der bundesrepublikanischen Demokratie«. Am Ende setzte sich der Wunsch nach finanzieller Waffengleichheit mit Blick auf die Existenz anderer parteinaher Stiftungen durch. Die heutige Vorsitzende Erika Steinbach sagte diesbezüglich, man könne nicht mit einer Friedenspalme durch die Lande laufen, wenn die anderen »ein Maschinengewehr in der Hand« hielten.

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Nach eigenen Angaben möchte die Stiftung in fünf Tätigkeitsbereichen aktiv werden. Erstens einem »Bildungswerk«, zweitens einer »Politischen Akademie«, drittens durch Förderung von Wissenschaft und Forschung, viertens mit einem Stipendienprogramm sowie Förderung von Kunst und Kultur, um die »kulturelle Identität unseres Landes zu bewahren« und fünftens mit Auslandsaktivitäten »zur Vertretung deutscher Interessen in der Welt«. Während das Stipendienprogramm vor allem für Studierende aus dem Umkreis der Nachwuchsorganisation der AfD – »Junge Alternative« – attraktiv sein dürfte, sind »Bildungswerk« und »Politische Akademie« die zentralen Bausteine in den Plänen der DES. Laut einem internen Konzept der DES aus dem Jahr 2018 geht die Stiftung insgesamt von einem Personalbedarf von 921 Stellen aus. Davon sollten 528 Fachleute in der politischen Akademie sowie 325 Mitarbeiter*innen und Referent*innen im »Bildungswerk« zum Einsatz kommen. Das »Bildungswerk« soll in Zukunft vor allem AfD-Kader in den Bereichen Rhetorik und Argumentationstechniken sowie zum Einsatz von ­Social Media und Umgang mit Medien schulen. Die »Politische Akademie« soll hingegen Tagungen durchführen und Veröffentlichungen vorantreiben. Als selbsterklärte »Ideen- und Konzeptschmiede« soll sie dabei eine »Brückenfunktion« zwischen Theorie und Praxis einnehmen und laut Erika Steinbach »als ›Sperrbrecher‹, die bestehenden Ausgrenzungen, Diskursblockaden, Berührungsängste und Tabuisierungen abbauen« sowie »Image und Kompetenzprofil verbessern«.

Publikationen

Die DES gibt die Schriftenreihe »Faktum« heraus, von der bisher drei Ausgaben erschienen sind. In diesen publizierten nicht nur AfD-Politiker*innen und Vorstands- sowie Kuratoriumsmitglieder, sondern etwa auch die Ex-Bürgerrechtlerin und heute dem Umfeld der »Neuen Rechten« sowie der AfD zuzurechnende Vera Lengsfeld oder der ehemalige Chefredakteur der »Preußischen Allgemeinen Zeitung«, Jan Heitmann. Die hier behandelten Themen waren bisher »Meinungsfreiheit« (1/2020), »Bundeswehr« (2/2020) und der »150. Gründungstag des Deutschen Reiches« (1/2021). Einen Überblick über die für die Stiftung wichtigen Themen gibt auch der YouTube-Kanal. Hier werden regelmäßig Aufzeichnungen von Vorträgen, die auf DES-Veranstaltungen gehalten wurden, veröffentlicht. Die Videos tragen Titel wie »Sicherheitsrisiko Migration?«, »Die Vertreibung der Deutschen unter dem Aspekt des Völkerrechts«, oder »Deutschland hat strategisch den Ersten Weltkrieg gewonnen!«. Auch der ehemalige österreichische Innenminister und Politiker der extrem rechten »Freiheitlichen Partei Österreichs« (FPÖ), Herbert Kickl, ist hier mit einem Vortrag vertreten.

Personal

Einen Eindruck der zukünftigen Ausrichtung der Stiftung gibt ein Blick auf die bisher bekannten Funktionär*innen. Der Vorstand besteht derzeit aus neun Personen. Neben der Vorsitzenden Erika Steinbach, die als bekanntes Gesicht der Stiftung fungiert, gehörten zumindest bis Oktober 2021 unter anderem Klaus Peter Krause als stellvertretender Vorsitzender sowie die Beisitzer Hans Hausberger, Jan Moldenhauer und Sebastian Wippel dem Vorstand der Stiftung an. Klaus Peter Krause veröffentlicht regelmäßig Texte für »eigentümlich frei« und auf seiner eigenen Homepage, deren Inhalte mit Schlagwörtern wie »Neue Weltordnung« an bekannte Verschwörungserzählungen anknüpfen. Zudem bewegt er sich im Umfeld von Klimawandelleugner*innen. Hans Hausberger war in den 1990er Jahren Vorsitzender der »Franz-Schönhuber-Stiftung« – die der Partei »Die Republikaner« nahe stand – und verfügte über gute Kontakte zum Organisator der »Düsseldorfer Herrenrunde«, Carl Zimmerer. Der Gesprächskreis diente als Ort der Vernetzung rechtskonservativer bis extrem rechter Akteure aus Politik und Wirtschaft. Hier nahmen unter anderem NPD-Gründer Adolf von Thadden oder der damalige Vorsitzende der FPÖ, Jörg Haider, teil. Hausberger war zudem Mitbegründer des »Ring Freiheitlicher Studenten« sowie zeitweise deren Vorsitzender auf Bundesebene. Jan Moldenhauer ist Vorsitzender der AfD-nahen sachsen-anhaltischen »Friedrich-Friesen-Stiftung«. Er schrieb für die »Sezession« und die »Wissenschaftliche Reihe« des »Instituts für Staatspolitik« (IfS) und trat auch als Referent bei IfS-Veranstaltungen auf. Der AfD-Landtagsabgeordnete Sebastian Wippel war Mitbegründer der parteiinternen »Patriotischen Plattform« und gründete unter anderem mit dem neu-rechten Aktivisten und Publizisten Felix Menzel sowie dem ehemaligen PEGIDA-Mitorganisator Achim Exner den Verein »Extremismusfreies Sachsen«. In einer Rede im sächsischen Landtag nach den islamistischen Terroranschlägen von Würzburg und Ansbach im Jahr 2016 bedauerte er, dass es nicht die Verantwortlichen in der Politik getroffen habe. Während des Zuckerfestes im Juni 2018 verteilte er in Görlitz Flyer mit der Aufschrift »Syrien vermisst euch«. Beachtenswert ist die Personalie Thore Stein. Der Oberstleutnant der Reserve trat für die AfD Mecklenburg-Vorpommern erfolgreich zur Landtagswahl an und ersetzte im Mai 2020 den Geschäftsführer des IfS, Erik Lehnert, als Schriftführer im Vorstand der DES. Nach außen sollte der Personalwechsel wohl den Eindruck einer Distanz zur extremen Rechten bewirken. Innerhalb der Szene könnte die Personalie Stein jedoch ein Signal sein, dass man an der politischen Linie festhält. Stein selbst hat eine Vergangenheit in extrem rechten Burschenschaften, wie der »Halle-Leobener Burschenschaft Germania«. Während seines Studiums musste er den »Ring Christlich Demokratischer Studenten« verlassen, nachdem sein Engagement in der »Alten Breslauer Burschenschaft der Raczeks zu Bonn« bekannt geworden war (s. drr Nr. 111). Am ersten Oktoberwochenende wurde über Twitter und Facebook bekannt, dass der rheinlandpfälzische AfD-Landtagsabgeordnete Martin Schmidt neu in den Vorstand der Stiftung gewählt wurde. Schmidt ist ehemaliges Redaktionsmitglied der »Jungen Freiheit« und Mitglied der »Deutschen Gildenschaft«. Auch neu mit dabei ist Angelika Wöhler-Geske aus Kiel. Ende 2020 gehörten dem Kuratorium der Stiftung 30 Personen an – die Liste wurde mittlerweile von der Webseite gelöscht.

Unter den Mitgliedern findet man nicht wenige, die in der Vergangenheit für neu-rechte Publikationen, wie die »Junge Freiheit«, die »Sezession« oder die von Caspar von Schrenck-Notzing gegründete Zeitschrift »Criticón« geschrieben haben. Ebenso lassen sich eine Vielzahl an Querverbindungen zu neu-rechten Organisationen, wie dem »Institut für Staatspolitik«, dem Verein »Ein Prozent«, der »Förderstiftung Konservative Bildung und Forschung« oder dem »Studienzentrum Weikersheim« belegen. Personalien wie zum Beispiel der als Vordenker der »Neuen Rechten« geltende Mitbegründer des IfS Karlheinz Weißmann, der Mitbegründer von »Ein Prozent« Karl-Albrecht Schachtschneider oder die immer wieder durch geschichtsrevisionistische Inhalte aufgefallenen Lothar Höbelt sowie Alfred Maurice de Zayas lassen erahnen, in welche Richtung sich die politischen Aktivitäten der Stiftung entwickeln werden.

Der vorliegende Text fasst einige Grunderkenntnisse der von Arne Semsrott und Matthias Jakubowski im Auftrag der Otto Brenner Stiftung verfassten, im Oktober 2021 erscheinenden Studie »Desiderius-Erasmus-Stiftung – Politische Bildung von Rechtsaußen« zusammen.

Hier geht es zur Studie bei FragDenStaat