Rechtsschwenk Marsch – Die Jugend von Karl Eckhard Hahn

von Damian Ott
Antifa-Magazin »der rechte rand« Ausgabe 192 - September | Oktober 2021 - online only

#Gildenschaft

Dass sich der Leiter des wissenschaftlichen Dienstes der CDU-Landtagsfraktion und Vorstandsmitglied der »Deutschen Gildenschaft«, Karl Eckhard Hahn, bereits seit seinem Studienbeginn in extrem rechten Kreisen bewegt hat, ist bekannt. Sein Engagement für den rechten Rand begann jedoch bereits im Schulalter und geriet zwischenzeitlich in Vergessenheit.

Antifa Magazin der rechte rand
ehemaliger Regierungssprecher Karl- Eckhard Hahn (CDU) war Vordenker der »Neuen Rechten« und Funktionär der »Deutschen Gildenschaft« @ Thüringer Staatskanzlei

Kurz nach dem Dammbruch von Thüringen, also der Wahl Thomas Kemmerichs (FDP) zum Ministerpräsidenten mithilfe der Stimmen von CDU und der »Alternative für Deutschland« (AfD), rückte auch Karl Eckhard Hahn wieder kurz in den Fokus der Öffentlichkeit. Der ehemalige Regierungssprecher hatte auf dem selbsternannten Debattenmagazin »The European« die (partielle) Zusammenarbeit von CDU und AfD postuliert, mithilfe derer die Wiederwahl von Bodo Ramelow verhindert und gemeinsame Projekte durchgesetzt werden sollten. Dementsprechend zügig wurde seine Vernetzung in die neurechte Szene thematisiert. Hahn entstammt, genau wie Karlheinz Weißmann, Götz Kubitschek und Dieter Stein der »Deutschen Gildenschaft«. Insbesondere mit Weißmann hat Hahn eine längere gemeinsame Vergangenheit: Beide schrieben unter anderem für die extrem rechten Blättchen »Zirkel« und »Phönix«, in denen sie die Vordenker des Nationalsozialismus – Vertreter der »Konservativen Revolution« – positiv besprachen. (s. @derrechterand Nr. 143). Hahns rechte Vergangenheit lässt sich jedoch noch weiter zurückverfolgen. Bereits als Schüler verteidigte er seine rechten Lehrer – Holocaust-Leugner und ehemalige SS-Mitglieder – gegen Kritik.

Die »Kausch«-Affäre am Hann. Mündener Grotefend-Gymnasium

Im Herbst 1978 wurde bekannt, dass am Hann. Mündener Grotefend-Gymnasium drei extrem rechte Lehrer ihr Unwesen trieben. Der Schulleiter Karl-Heinz Kausch – ein ehemaliges Mitglied der Waffen-SS – verfasste unter anderem ein Vorwort für den Erinnerungsband »Ein anderer Hitler« – welcher im rechten »Druffel Verlag« erschien – und Texte für die Verbandszeitschrift der »Hilfsgemeinschaft auf Gegenseitigkeit der Angehörigen der ehemaligen Waffen-SS e.V.« (HIAG), die Veteranenorganisation der SS. Darüber hinaus sprach er auf den »Lippoldsberger Dichtertagen« des nationalkonservativen und revisionistischen Autoren Hans Grimm („Volk ohne Raum“) und kandidierte auf einer gemeinsamen Liste mit der »Deutschen Reichspartei«, einer Vorläuferorganisation der heutigen NPD. Sein Kollege Karl Krah – ebenfalls ehemaliges Waffen-SS- und damaliges HIAG-Mitglied – verschenkte an Schüler*innen das offen antisemitische Buch »Grundgedanken der nationalsozialistischen Weltanschauung«. Der jüngere Dritte im Bunde, Heiner Luthardt, verteilte Texte, die den Holocaust leugneten und vermerkte handschriftlich, wo sich die entsprechenden Passagen zur »6-Millionen-Legende« finden lassen würden. Daneben baute er die Pfadfinder-Gruppe »Zugvogel« auf und versorgte deren Gruppenführer gezielt mit neonazistischer Literatur. Einige Personen dieser Gruppe unterhielten Kontakte zur »Wehrsportgruppe Hoffmann« und waren im Oktober 1978 an einem Angriff auf eine antifaschistische Filmvorführung beteiligt.

»Wider die Multikulti-Apologie«

Thüringens Regierungssprecher Karl-Eckhard Hahn und die »Deutsche
Gildenschaft« stehen unter Druck.
von Georg Fuchs im @derrechterand Ausgabe 144

Die Verteidigung ehemaliger SS-Mitglieder…

Karl-Eckhard Hahn besuchte in dieser Zeit das Mündener Gymnasium und tat sich als exponierter Verteidiger der rechten Lehrer hervor. So gab er unter anderem die Schülerzeitung »Die Hinterwelt« heraus und trat gegenüber einem Presseteam des NDR als »Gruppenführer« auf. Dem NDR unterstellte er bereits damals, Fakten zu verdrehen – das Wort Lügenpresse war noch nicht populär – und forderte seine Mitschüler*innen auf, dieser Linie zu folgen. In den beiden Ausgaben der »Hinterwelt« stellte Hahn dann seine Sicht auf diese »Rufmordkampagne« ausführlich dar. Die Waffen-SS wurde zu einer »reine[n] Fronttruppe, die als Elite der Wehrmacht eingesetzt wurde« verklärt. Sie hatte – nach Hahns Zeitschrift – »nicht das Geringste mit SD-, Polizei- oder KZ-Wachverbänden« zu tun. Eine Aussage, die bereits damals nicht dem Forschungsstand entsprach: So marschierten beispielsweise im Jahr 1978 unweit von Hann. Münden in Arolsen die früheren Angehörigen der Waffen-SS-Division »Totenkopf« auf, die von Theodor Eicke, dem »Inspekteur der Konzentrationslager«, befehligt worden und maßgeblich aus den KZ-Wachverbänden hervorgegangen war. Dementsprechend wird die HIAG in dem Heft als harmlose Veteranenorganisation verklärt und sogar ein Bundesvorstandsmitglied interviewt. Dass Schulleiter Kausch in einer Rede bei der HIAG unter anderem die Aufrüstungspolitik von Adolf Hitler rechtfertigte und behauptete, »daß die Nürnberger Paragraphenwillkür niemals und nirgends auf der Welt den mindesten Ansatz von Allgemeingültigkeit hat erlangen können«, ist für Hahn kein Thema. Dabei bediente Kausch hier rechte Topoi, die sich bis heute in der extremen Rechten unter dem Schlagwort »Siegerjustiz« großer Beliebtheit erfreuen. Und auch die anderen Umtriebe seines Schulleiters verteidigte er vehement: Das Buch »Ein anderer Hitler« des NS-Architekten Hermann Giesler wird als relevante Quelle gewürdigt, weswegen das Vorwort Kauschs gerechtfertigt sei. Der Quellenwert wird dabei mit Verweis auf den britischen Holocaust-Leugner David Irving gerechtfertigt. Das Gutachten des renommierten Münchner Instituts für Zeitgeschichte, welches das Buch als »Propagandapamphlet mit nur geringem Quellenwert« bezeichnet, wird ignoriert.

…und der Kampf gegen die Aufarbeitung des Nationalsozialismus

Doch nicht nur die Verstrickungen von Altnazis leugnete Karl-Eckhard Hahn: Auch damalige Neonazis in Hann. Münden waren für ihn kein Thema: So schrieb er in der rechten Zeitschrift »Phönix«, deren Redakteur er war, dass »die Vergangenheitsbewältigungsprofis« dringend eine »Nazi-Szene« benötigten, damit so »von der gängigen Auffassung abweichende historische Meinung zum Dritten Reich unter Strafe gestellt« werden könnten. Dahinter liegt der kaum verhüllte neurechte Wunsch, ein deutsches Nationalbewusstsein auf den „Trümmern der KZ-Gedenkstätten“ zu errichten. Dementsprechend forderte Hahn für die rechten Lehrer: »Solidarität mit den Opfern solcher Kampagnen ist das Gebot der Stunde.« Dass es in Hann. Münden in den späten 1970er Jahren eine militante Neonazi-Szene gab, haben Antifaschist*innen hinlänglich belegt (s. @derrechterand Nr. 138). Die Szene wurde unter anderem durch den Leiter des Jugendbundes »Zugvogel« und Lehrer des Grotefend-Gymnasiums, Heiner Luthardt, aufgebaut. Dieser hatte Kontakte zum »Bund Heimattreuer Deutscher Jugend« (BHJ). Der Lehrer versorgte nicht nur die »Gruppenführer« seiner Jugendgruppe mit geschichtsrevisionistischer Literatur, sondern auch seine Schüler*innen.

Karl-Eckhard Hahns Behauptung, er habe sich von seiner extrem rechten Jugend distanziert, wird unter diesem Eindruck nicht glaubwürdiger. Mit Heiner Luthardt war Hahn noch lange organisiert. Beide waren Mitglied der „Deutschen Hochschulgilde«, die Luthardt erst 2010 verließ, da die Göttinger Gliederung den damaligen Multi-Funktionär und späteren Aussteiger Andreas Molau aus der Gilde ausgeschlossen hatte. Eine inhaltliche Distanzierung Hahns von Luthardt und den anderen rechten Lehrern ist nicht bekannt.