Eine (unvollständige) Chronik des NSU

Das antifaschistische Magazin »der rechte rand« begleitet das Thema NSU seit Auffliegen der Taten intensiv. In den Ausgaben wurden seit Ende 2011 zahlreiche eigene Recherchen, Fotodokumentationen, Interviews und Chroniken dazu veröffentlicht.
Antifa-Magazin »der rechte rand« Ausgabe 192 - September | Oktober 2021

#NSU

Schwarza – Treffpunkt- »Zum Goldenen Löwen« des Thüringer Heimatschutz (THS) © Mark Mühlhaus / attenzione

1994

Erstmalig wird die »Anti-Antifa Ostthüringen« im Bericht des Thüringer LfV erwähnt. Das Führungsmitglied der »Anti-Antifa Ostthüringen« und des späteren THS, Tino Brandt, wird vom Thüringer LfV bis 2001 als V-Mann geführt.

1995

Die »Anti-Antifa Ostthüringen« agiert seit 1995 auch unter dem Namen »THS«.In der Neonazi-Szene wird über die Bildung terroristischer Gruppen diskutiert.

Heilsberg – Versammlungsort des THS. Bei einer Hausdurchsuchung fand die Polizei ein umfangreiches Waffenarsenal. © Mark Mühlhaus / attenzione

1996

13.04.: Uwe Böhnhardt hängt an einer Brücke einen Puppentorso mit Davidstern und Schild (»Jude«) sowie einer Bombenattrappe auf, die im Folgejahr verhängte Jugendstrafe tritt er nie an

Herbst: Aggressiver Auftritt unter anderem von den THS Aktivisten Böhnhardt, Mundlos, André Kapke und Ralf Wohlleben bei einem Prozess in Erfurt.

6.10.: In Jena wird eine weitere Bombenattrappe gefunden.

30.12.1996 – 2.01.1997: Bei Behörden und einer Zeitung gehen in Jena Briefbomben-Attrappen mit Hakenkreuzen ein. Gegen mehrere Mitglieder des THS wird ermittelt

1997

2.09.: Vor einem Theater in Jena wird in einem mit einem Hakenkreuz bemalten Koffer eine Bombe mit 10 Gramm TNT gefunden.

24.11.: Das LfV Thüringen beginnt eine Observierung Böhnhardts bis zum 1. Dezember.

26.12.: An der Gedenkstätte für den antifaschistischen Widerstand in Jena wird eine Bombenattrappe in einem Koffer mit Hakenkreuz gefunden.

1998

26.01.: Hausdurchsuchungen bei Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe. Es werden u.a. vier Rohrbomben, 1,4 kg TNT und Propagandamaterial in einer Garage gefunden. Böhnhardt entfernt sich, anschließend tauchen die drei unter.

Jena. Hier wurde die erste Bombe von Mitgliedern des Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) gebaut. Der Garagenkomplex “An der Kläranlage” Garage “H54” wurde von der Polizei durchsucht. © Mark Mühlhaus / attenzione

28.01.: Internationaler Haftbefehl für Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe ausgestellt und Zielfahndung angeordnet.

September: Das LfV Brandenburg meldet, ein Neonazi beschaffe Waffen für Böhnhardt und Zschäpe.

September: Zielfahnder des LKA Thüringen sollen Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe in Chemnitz ausfindig gemacht haben, ein geplanter Zugriff wurde wieder abgesagt.

1998 oder 1999 sollen dem Trio über einen V-Mann und eine dritte Person 2.000 DM für falsche Ausweise zugeleitet werden. Das Vorhaben scheitert. Ein Mann aus Chemnitz soll den Untergetauchten Unterkunft und Papiere überlassen haben, damit sei ein Reisepass für Mundlos ausgestellt worden.

1999

Frühjahr: Der Generalbundesanwalt kann bei der Gruppe von Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe keine terroristische Vereinigung erkennen und somit nicht die Ermittlungen übernehmen.

6. und 27.10.: Erste Banküberfälle in Chemnitz

2000

15.05.: Bei einer Observation in Chemnitz wird ein Foto von Böhnhardt gemacht, die Identifizierung dauert mehrere Wochen.

Juni: Enttarnung des Neonazis Thomas Dienel, der als V-Mann des LfV Thüringen tätig war, und Suspendierung des verantwortlichen VS-Präsidenten Helmut Roewer.

EX VS Chef Thüringen – Helmut Roewer @ Mark Mühlhaus / attenzione

10.08.: Anschlag auf einen türkischen Imbiss in Eisenach, Verurteilung von Patrick Wieschke (THS) 2002 zu einer Haftstrafe von zwei Jahren und neun Monaten wegen Anstiftung zur Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion.

9.09.: Mord an Enver Simsek in Nürnberg mit der Ceská 83, die auch bei den weiteren NSU-Morden verwendet wird.

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Hier wurde am 9. September 2000 der Blumenverkäufer Enver Simsek ermordet. © Mark Mühlhaus / attenzione

30.09.: Beamte des VS zeichnen zwei der untergetauchten Neonazis in Chemnitz bei einer automatisierten Videoobservation auf. Ein Zugriff unterbleibt.

30.11.: Banküberfall in Chemnitz

2001

Mai: Enttarnung des stellvertretenden NPD-Landesvorsitzenden und THS- Kaders Tino Brandt als langjähriger V-Mann des LfV Thüringen.

19.01.: Explosion eines Sprengsatzes in dem Geschäft einer deutschiranischen Familie in Köln. Auf der 2011 gefundenen Bekenner-DVD des NSU wird auf dieses Attentat verwiesen.

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Beim Sprengstoffanschlag des Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) am 19. Januar 2001  auf ein Kölner Lebensmittelgeschäft wurde die deutsch-iranische Tochter des Besitzers schwer verletzt. © Mark Mühlhaus / attenzione

26.02.: Die Thüringer Landesregierung sieht keine Anhaltspunkte dafür, dass Thüringer Rechtsextremisten an rechtsterroristischen Aktivitäten beteiligt sind und auch keine Ansätze für solch eine Struktur.

13.06.: Ermordung von Abdurrahim Özüdogru in Nürnberg.

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Abdurrahim Özüdogrus Änderungsschneiderei befand sich inmitten eines Wohngebietes. © Mark Mühlhaus / attenzione

27.06.: Ermordung von Süleyman Tasköprü in Hamburg.

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Süleyman Tasköprü wurde am 27. Juni 2001 in Hamburg, also nur 14 Tage nach dem zweiten Mord in Nürnberg, vom NSU erschossen. Sein Vater fand ihn im Lebensmittelladen der Familie im Stadtteil Bahrenfeld. © Mark Mühlhaus / attenzione

5.07.: Banküberfall in Zwickau.

29.08.: Ermordung von Habil Kilic in München.

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An dieser vierspurigen Straße im Münchener Stadtteil Ramersdorf ermordete der NSU am 29. August 2001 in seinem Gemüsegeschäft Habil Kilic. © Mark Mühlhaus / attenzione

Zschäpe zieht nach Zwickau (2001 bis 2008).

2002

25.09.: Banküberfall in Zwickau

2003

23.06.: Verfolgungsverjährung wegen der Vorbereitung eines Sprengstoff- Verbrechens 1996/97 tritt ein, die Staatsanwaltschaft stellt die Ermittlungen gegen das Trio ein.

23.09.: Banküberfall in Chemnitz.

2004

25.02.: Ermordung von Mehmet Turgut in Rostock.

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Mehmet Turgut wurde am 25. Februar 2004 in Rostock vom Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) ermordet. © Mark Mühlhaus / attenzione

14. und 18.05.: Banküberfälle in Chemnitz.

9.06.: Detonation einer Nagelbombe in Köln mit 22 Verletzten.

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Durch die Nagelbombe wurden am 9. Juni 2004 in der Kölner Keupstaße 22 Menschen zum Teil lebensgefährlich verletzt. Durch die Wucht der Bombe wurde ein Friseursalon fast vollständig zerstört. © Mark Mühlhaus / attenzione

2005

9.06.: Ermordung von Ismail Yazar in Nürnberg. Nach dieser Tat geht das BKA von der Möglichkeit aus, »dass die Opfer in Verbindung mit türkischen Drogenhändlern aus den Niederlanden standen«.

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Hier wurde Ismail Yazar ermordet. © Mark Mühlhaus / attenzione

15.06.: Ermordung von Theodoros Boulgarides in München.

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Mitten in München wurde am 15. Juni 2005 Theodoros Boulgarides in seinem Laden vom Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) erschossen. © Mark Mühlhaus / attenzione

22.11.: Banküberfall in Chemnitz.

2006

4.04.: Ermordung von Mehmet Kubasik in Dortmund.

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Mehmet Kubasik wurde hier ermordet. © Mark Mühlhaus / attenzione

6.04.: Ermordung des Internet-Café Betreibers Halit Yozgat in Kassel. Im Café befand sich ein Mitarbeiter des LfV Hessen mit dem Spitznamen »Klein-Adolf«, bei einer Durchsuchung werden bei ihm Waffen, Munition und NS-Material gefunden.

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Besonders brisant bei diesem Mord in Kassel: Ein ehemaliger Mitarbeiter des VS war zur Tatzeit im Cafe und hat angeblich nichts von der Tat des Nationalsozialistischen Untergrundes (NSU) mitbekommen. © Mark Mühlhaus / attenzione

5.10.: Banküberfall in Zwickau.

7.11.: Banküberfall in Stralsund.

2007

18.01.: Banküberfall in Stralsund.

20.04.: Die Bundesregierung erklärt, das BKA und die eingesetzte »Sonderkommission Bosporus« ermittelten bisher erfolglos wegen der Morde seit 2000.

25.04: Ermordung der Polizistin Michèle Kiesewetter in Heilbronn.

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Das letzte bekannte Opfer der Naziterroristen vom Nationalsozialistischen Untergrund NSU ist die Polizistin Michle Kiesewetter, die am 25. April 2007 in Heilbronn auf Streife in ihrem Dienstwagen ermordet wurde. Ihr Kollege überlebte schwer verletzt. © Mark Mühlhaus / attenzione

2008

Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe beziehen in Zwickau eine Wohnung.

2011

7.09.: Banküberfall in Arnstadt.

4.11.: Banküberfall in Eisenach, Mundlos und Böhnhardt erschießen sich in ihrem brennenden Wohnmobil. Zschäpe legt in der Zwickauer Wohnung einen Brand. Die Polizei findet u.a. Waffen, Bekenner-DVDs und weitere Tatmittel.

8.11.: Zschäpe stellt sich in Jena in Begleitung eines Anwaltes der Polizei.

11.11.: Der Generalbundesanwalt übernimmt die Ermittlungen wegen des dringenden Verdachts der Bildung der terroristischen Vereinigung »Nationalsozialistischer Untergrund«.

13.11.: Festnahme von Holger Gerlach als mutmaßlicher Helfer des NSU.

24.11.: Festnahme von André Eminger als mutmaßlicher Unterstützer des NSU.

29.11.: Festnahme von Ralf Wohlleben wegen Beihilfe zu sechs Morden und einem versuchten Mord des NSU.

9. Dezember: Nach Aufforderung durch das BKA soll die Bundespolizei Handy-Daten von André Eminger gelöscht und damit Beweismittel vernichtet haben.

10.12.: Festnahme von Matthias Dienelt, weil er die Verbrechen des NSU »zumindest billigend in Kauf genommen« habe.

Dezember: Ermittlungen gegen Mandy Struck und Max-Florian B. wegen Unterstützung des NSU.

Dezember: Bei der Auswertung eines Online Forums werden NSU-Verbindungen von Thomas Gerlach, Mitorganisator des »Festes der Völker« und ehemaliger THS-Aktivist, deutlich.

30.12.: Der Vorsitzende des »Zentralrats der Juden « in Deutschland, Dieter Graumann, wirft den Behörden schweres Versagen vor.

https://www.der-rechte-rand.de/archive/3410/das-netzwerk-nsu-grafik/

2012

16.01.: Nach Medienberichten sollen mindestens fünf V-Leute über den THS informiert haben. Neben dem Thüringer LfV seien drei weitere Bundesbehörden, das BfV und der MAD tätig gewesen.

1.02.: Mit Carsten S. wird ein fünfter mutmaßlicher NSU-Helfer festgenommen

9.02.: Der NSU-UA im Bundestag nimmt seine Arbeit auf. Im Thüringer Landtag beginnt der UA am 16. Februar.

18.02.: Generalbundesanwalt Harald Range kündigt an, im Herbst 2012 wegen der Mordserie des NSU Anklage zu erheben, sieht aber kein neonazistisches »Netzwerk«

18.02.: Semiya Simsek, die Tochter des ersten Mordopfers des NSU, erhebt öffentlich schwere Vorwürfe gegen die Sicherheitsbehörden.

15.03.: Gegen den früheren Chef des THS und Spitzel des Thüringer LfV, Tino Brandt wurden in vier Jahren insgesamt 35 Ermittlungsverfahren geführt, die alle eingestellt wurden.

 

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Coburg. Restaurant Delphi. Hier traf sich der Nazi-V-Mann Tino Brandt wöchentlich mit seinen Vertrauensleuten vom Thüringer Verfassungsschutz – sie saßen meist in der hinteren Ecke an der Wand. © Mark Mühlhaus / attenzione

25.03: Generalbundesanwalt Harald Range sagt, dass 13 von ihm bei Amtsantritt im November 2011 überprüfte Fälle seit 1995 in seiner Zuständigkeit »aus heutiger Sicht einen Bezug zum ›NSU‹-Verfahren« aufweisen. Allerdings hätte er noch im November »in allen Fällen […] die Auskunft bekommen, ein rechtsterroristischer Zusammenhang sei nicht anzunehmen«

17.04.: Der NSU-UA im Sächsischen Landtag kommt erstmals zusammen.

23.04.: Im UA des Thüringer Landtags attestieren fast alle geladenen Wissenschaftler*innen, Expert*innen und Antifaschist*innen den Behörden und der Landesregierung Versagen beim Kampf gegen Rechts in den 1990er Jahren.

26.04.: Mit Durchsuchungen in Hessen, Sachsen und Thüringen soll u.a. die Herkunft der Waffen des NSU geklärt werden.

3.05. 2012: Durchsuchung der Räume von David Petereit in Mecklenburg-Vorpommern. Er war Herausgeber des Neonazi-Fanzines »Der Weiße Wolf«, in dem 2002 ein Hinweis auf den NSU erschienen war. Bei der Razzia findet sich ein Exemplar eines 2002 vom NSU verfassten Briefs.

15.05.: Die Thüringer »Schäfer-Kommission« attestiert den Behörden schwere Fehler. Der Neonazi und Spitzel Tino Brandt erklärt, er sei vom LfV mehrfach vor Razzien gewarnt worden.

24.05.: Bayerns früherer Innenminister und Ministerpräsident Günther Beckstein (CSU) streitet im NSU-UA des Bundestags Versäumnisse der Bayerischen Polizei ab.

5.06.: Nach Angaben des »Gasser-Berichts« hat sich das Thüringer LfV unter Helmut Roewer der Kontrolle durch das Innenministerium entzogen.

Juni: Medien berichten berichtet von der »Operation Rennsteig«, einer gemeinsamen Aktion von BfV, TLfV und MAD zwischen 1997 und 2003 mit Ziel THS. Kurz darauf wird bekannt, dass das BfV Ende 2011 Akten zur »Operation Rennsteig« vernichtet hat.

2.07.: Heinz Fromm, Chef des BfV, erklärt seinen Rücktritt.

3.07.: Thüringens Innenminister Jörg Geibert (CDU) entlässt den Präsidenten des LfV Thomas Sippel. Er habe das Vertrauen des Parlaments verloren.

10.07.: Der Präsident des sächsischen LfV, Reinhard Boos, tritt zurück. Sein Amt hatte Akten zum NSU zurückgehalten und Unterlagen nach dem Auffliegen des NSU vernichtet.

15.07.: In den Archiven der Thüringer Kriminalpolizei werden tausende Dokumente zum THS und dem Umfeld des NSU gefunden. Die Akten standen vorher den UA und dem BKA nicht zur Verfügung.

19.07.: Nachdem die Vernichtung von Akten im BfV bekannt geworden ist, fordern die Mitglieder des NSU-UA des Bundestages die Behörden auf, das Schreddern einzustellen, die Rede ist von einer „Vertuschungsaktion“.

27.08.: Ein Polizist soll Ende der 1990er THS-Mitglieder vor Polizeiaktionen gewarnt haben, wurde aber vom Thüringer LfV als V-Mann-Führer übernommen.

13.09.: Der Chef des VS Sachsen-Anhalt, Volker Limburg, tritt zurück. In dem Amt war eine angeblich verschwundene Kopie einer MAD-Akte aufgetaucht, in der es um Mundlos geht, der während des Wehrdienstes durch neonazistische Aktivitäten auffiel.

17.09.: Bundeskanzlerin Angela Merkel kritisiert, die NSU-Aufklärung laufe »an etlichen Stellen nicht so, wie wir es für richtig halten«.

18.09.: Der Neonazi Thomas R. (»Corelli«) aus Sachsen-Anhalt war V-Mann des BfV, hatte Kontakt zu den NSU-Mitgliedern und gewährte ihnen Unterkunft.

22.09.: Der MDR veröffentlicht Fotos von einer Kreuzverbrennung im Stil des KKK, die 1996 bei Jena stattfand. Mit dabei u. a. Böhnhardt, Zschäpe und Wohlleben.

27.09.: Der UA des Bundestages kritisiert die Ermittlungen gegen die Mörder der Polizistin Michèle Kiesewetter. Eine Spur zur Tatwaffe sei nicht verfolgt worden, stattdessen hätte sich die Polizei auf türkische Waffenkäufer konzentriert.

28.09.: Thüringen hat dem UA des Bundestags 778 Ordner mit ungeschwärzten Akten des LfV geschickt. Um ihre Übergabe zu verhindern, hätten mehrere Bundesländer versucht, die LKWs zu stoppen.

17.10.: Das BfV hat nach dem Auffliegen des NSU 310 Akten zum Teil mit Informationen zum Umfeld des NSU geschreddert.

https://www.der-rechte-rand.de/ausgaben/ausgabe-187/

4.11.: Ein BKA-Papier von 1997 vermerkt, dass der VS in den 1990ern Neonazis, die als V-Leute tätig waren, offenbar systematisch vor Strafverfolgung geschützt und sie erst handlungsfähig gemacht hat.

7.11.: Die Bundesanwaltschaft erhebt Anklage gegen Zschäpe. Weitere Beschuldigte sind Wohlleben, Carsten S., Eminger und Gerlach.

14.11.: Nach Bekanntwerden weiterer Aktenvernichtungen beim Berliner VS tritt die Amtschefin Claudia Schmid zurück.

2013

21.01.: Laut Sachsens Vizepräsident des LfV, Olaf Vahrenhold, steht der Schutz von Quellen (V-Leute) über der Verfolgung und Verhinderung von Straftaten.

28.01.: Gegen den mutmaßlichen NSU-Unterstützer André Kapke wird ein Verfahren eingeleitet.

28.02./1.03.: Ermittler*innen des BKA haben 1998 Adress- und Telefonlisten nicht ausgewertet, die bei der Razzia gegen die späteren NSU-Mitglieder gefunden worden waren, weil sie »für das Ermittlungsverfahren ohne Bedeutung« gewesen seien.

11.03.: Der NSU-UA Thüringen stellt seinen Zwischenbericht der Öffentlichkeit vor.

https://www.der-rechte-rand.de/archive/1655/aufklaerung/

17.03.: Es wird bekannt, dass die Polizei entgegen der Angaben des Innenministeriums zwischen 2005 und 2006 in Jena einen Neonazi als V-Person geführt hat.

24.03.: Das BKA hat mit dem BfV eine Liste von 129 Personen zusammengestellt, die den NSU direkt oder über Mittelsleute unterstützt oder zu ihm Kontakt gehabt haben sollen.

6.05.: Der Prozess gegen Zschäpe und die mutmaßlichen NSU-Unterstützer beginnt vor dem OLG München.

13.05.: Im UA des Thüringer Landtages wird bekannt, dass die fehlerhafte Kommunikation zwischen LKA und LfV zum Fluchterfolg der späteren NSU-Mitglieder beitrug, weil sich die Razzia im Januar 1998 dadurch verzögerte.

16.05.: Der NSU-UA des Bundestages stellt den Behörden ein miserables Zeugnis aus: in den Verfassungsschutzämtern sei »für den Rechtsextremismus nicht unbedingt das qualifizierteste Personal vorhanden«.

10.06.: Vor dem Thüringer NSU-UA sagt ein Polizist, der 1998 ermittelt hatte, aus, die Beamt*innen hätten während der Garagendurchsuchung die »Ansage gehabt«, niemanden festzunehmen.

11.06.: Die Staatsanwaltschaft prüft einen weiteren ungeklärten Anschlag in Nürnberg im Juni 1999 im Zusammenhang mit dem NSU. Derweil räumt die BAW ein, dass es eine aktualisierte Liste mit 500 Personen aus dem Umfeld des NSU gibt.

18.06.: Im NSU-UA des bayerischen Landtages wird bekannt, dass die ermittelnden Behörden schon 2007 von einer Gruppe namens »NSU« gehört hatten.

20.06.: Nach dem Auffinden neuer, bisher nicht registrierter Akten zum NSU-Komplex beim Sächsischen VS wird dessen stellvertretender Präsident Olaf Vahrenhold entlassen.

27.06.: In den Akten des Thüringer UA taucht ein Hinweis auf eine weiteres, 1998 bei Böhnhardt gefundenes »Telefonnummernverzeichnis relevanter Personen« auf. Die Liste wurde nie ausgewertet und ist offenbar vernichtet worden.

10.07.: Nach Medienangaben hat das Thüringer LfV 2001 versucht, den NSU-Helfer Carsten S. als Informanten zu gewinnen.

https://www.der-rechte-rand.de/archive/3345/geld-widerstandsbewegung-nsu/

17.07.: Der Bayerische Landtag diskutiert den Abschlussbericht des NSU-UA, der den Behörden Fehler bei der Fahndung wegen der Morde des NSU in Bayern vorwirft. Der VS sei ahnungslos, ineffizient und voreingenommen gewesen.

04.08.: In Erfurt werden erst jetzt Akten zur versuchten Anwerbung von Carsten S. als Spitzel in einem Panzerschrank des VS gefunden.

22.08.: Der UA des Bundestages stellt in seinem Abschlussbericht ein »beispielloses Versagen der Behörden« fest.

9.09.: Im Thüringer UA sagt der frühere Leitende Oberstaatsanwalt in Gera, es habe in seiner Behörde immer Spekulationen gegeben, dass der VS die Fahndung nach den Abgetauchten sabotiert habe.

16.09.: Der 21-jährige Florian H. verbrennt in seinem Auto in Stuttgart-Bad Cannstatt. Er sollte vom LKA Baden-Württemberg zu möglichen NSU-Kontakten befragt werden.

2014

4.02.: Der »Zentralrat Deutscher Sinti und Roma« erstattet Anzeige, weil in Polizeiakten zum NSU die Rede von »Negern« und »Zigeunern« ist, die »typischerweise lügen«.

12.02.: Laut dem Bericht des LKA Baden-Württemberg zum NSU sei keine weitere Aufklärung nötig.

25.02.: Nach Medienberichten wurde nach dem Abtauchen des NSU 1998 Böhnhardts Handy vier Wochen lang abgehört. Auf Anweisung der Staatsanwaltschaft Gera seien die aufgezeichneten Gespräche gelöscht worden.

13.06.: Der VS in Thüringen hat seit 2002 V-Leute von einer konspirativen Außenstelle in Erfurt geführt. Der NSU-UA Thüringen wurde über diese Nebenstelle nicht informiert.

29.06.: Der sächsische NSU-UA ist beendet. Im Bericht der Oppositionsparteien Grüne, LINKE und SPD ist die Rede von einem Behördenversagen.

6.08.: Zwei Beamte werfen im NSU-UA dem hessischen VS Behinderung bei den Ermittlungen zum Mord an Halit Yozgat in Kassel vor.

5.11.: Der Landtag in Baden Württemberg beschließt einstimmig die Einsetzung eines NSU-UA.

17.12.: Der NSU-UA in Nordrhein-Westfalen nimmt seine Arbeit auf.

2015

2.02.: Bei den Ermittlungen des Innenausschusses des Bundestages zum Tod des V-Mannes Thomas Richter verweigert der Justizminister Nordrhein-Westfalens, Thomas Kutschaty, die Freigabe der medizinischen Gutachten

19.02.: Der NSU-UA Hessen tagt das erste Mal öffentlich und fordert Akten zu Florian H. an, der 2013 in seinem Auto verbrannte.

24.03.: Die Vorsitzende des NSU-UA in Nordrhein-Westfalen tritt zurück, weil sie als Anwältin 1999 den Dortmunder Neonazi Michael Berger vertreten hatte, der 2000 drei Polizisten und sich selbst tötete.

22.04.: Der zweite NSU-UA in Thüringen konstituiert sich.

https://www.der-rechte-rand.de/archive/1635/nsu-muehsame-aufklaerung/

12.05.: Im NSU-Prozess wird der erste Raubüberfall des NSU in Chemnitz verhandelt. Es wird bekannt, dass die Akten dazu von den sächsischen Behörden geschreddert wurden.

13.05.: Der zweite NSU-UA Sachsen konstituiert sich.

11.11.: Die Abgeordneten des Deutschen Bundestags stimmen für die Einsetzung eines neuen NSU-Untersuchungsausschusses.

14.11.: Das Thüringer Innenministerium findet bisher unbekannte NSU-Dokumente u.a. zu zwei Banküberfällen des NSU.

7.12.: Der NSU-UA Baden-Württemberg hält seine letzte öffentliche Sitzung ab. Ein neuer Untersuchungsausschuss soll nach der Wahl im März 2016 die Arbeit fortsetzen.

17.12.: Der zweite NSU-UA im Bundestag hält seine erste öffentliche Sitzung ab.

https://www.der-rechte-rand.de/archive/3341/nsu-schrei-nach-liebe/

2017

18.07.: nach 373 Verhandlungstagen geht vor dem OLG München die Beweisaufnahme im NSU-Prozess zu Ende

2018

11.07.: Zschäpe wird zu lebenslanger Haft verurteilt, die anderen Angeklagten erhalten Strafen zwischen zweieinhalb und zehn Jahren. Die Verteidiger von vier Angeklagten kündigen Revisionen an, die BAW will gegen das Strafmaß für Eminger vorgehen.

2.08.: Die Rechtsanwältin Seda Basay-Yildiz erhält den ersten mit „NSU 2.0“ unterzeichneten Drohbrief. Es folgen weitere Schreiben an andere Adressat*innen

2020

13.10.: Das Bundesverfassungsgericht entscheidet, dass das BfV bestimmte Antworten über geschredderte NSU-Akten nicht länger verweigern darf

2021

19.08: Der BGH lehnt die Revisionen von Zschäpe, Gerlach und Wohlleben ab und will im Dezember über den Fall Eminger entscheiden.

Zusammengestellt vom Magazin »der rechte rand« und Kai Budler

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Glossar

BAW: Bundesanwaltschaft

BfV: Bundesamt für Verfassungsschutz

BGH: Bundesgerichtshof

BKA: Bundeskriminalamt

KKK: Ku Klux Klan

LfV: Landesamt für Verfassungsschutz

LKA: Landeskriminalamt

MAD: Militärischer Abschirmdienst

OLG: Oberlandesgericht

THS: Thüringer Heimatschutz

UA: Untersuchungsausschuss

VS: Verfassungsschutz

 

 

https://twitter.com/derrechterand