Vox: Erfolgreiche Rechte
von Carmela Negrete
Magazin »der rechte rand« Ausgabe 179 - Juli / August 2019
#Spanien
In Spanien entscheidet die Rechtspartei Vox inzwischen auf allen politischen Ebenen mit. Die Partei will Katalonien die Autonomie entziehen, Minarette verbieten, Frauen zurück an den Herd schicken und eine Politik für Reiche machen.
Bei den Wahlen 2016 hatten nur 47.000 Menschen die Partei gewählt, sie kam damals nicht ins Parlament. Doch die Krise der Konservativen und der Konflikt um Katalonien haben die Partei nun beflügelt. Zwar reichen die Ergebnisse nicht für eine rechte Mehrheit mit der PP und der rechtsliberalen Partei‚ »Ciudadanos«, aber Vox wird jetzt mehr Zeit in den Fernsehsendungen bekommen, Anfragen im Parlament stellen dürfen und auf regionaler Ebene Einfluss auf die Politik haben. Auch die neue Kommunalregierung von Madrid wäre ohne die neue Rechtspartei nicht möglich gewesen. Zudem regiert die Partei seit Anfang Juni 2019 in zahlreichen Kleinstädten in Koalitionen mit und erreichte in fünf Dörfern sogar die absolute Mehrheit.
»Rechte Feiglinge«
Vox ist eine Abspaltung der »Partido Popular«. »Feiglinge«, so nennt heute die Vox-Galionsfigur Santiago Abascal seine frühere Partei, für die er von 1999 bis 2009 Gemeinderat und Abgeordneter war. 2014 gründete er die neue Organisation mit und wurde deren Vorsitzender. Seine früheren Parteikolleg*innen nennt er »Feiglinge«, weil sie ihm nicht rechts genug sind. Nachdem im Mai 2018 ein Gericht die PP wegen ihrer zahlreichen Korruptionsaffären verurteilt hatte, wandten sich viele Wähler*innen von ihr ab und wählen nun Vox. Die Volkspartei wurde in den 1980er Jahren als eine Erneuerung der Partei »Alianza Popular« gegründet, in der viele alte Politiker aus der Zeit der Franco-Diktatur saßen. Die PP verurteilte die Diktatur nie. Im Gegenteil, sie pflegte Beziehungen zu faschistischen Vereinen, wie zum Beispiel der »Stiftung Francisco Franco«. Jahrzehntelang galt in Spanien ein Pakt des Schweigens über die Verbrechen der Diktatur, die bis heute nicht aufgeklärt und verfolgt wurden. Dennoch beschloss die sozialdemokratische Regierung 2007 unter dem damaligen Ministerpräsidenten José Luis Rodríguez Zapatero eine Initiative für das »historische Andenken«, um Massengräber zu öffnen und Opfer zu entschädigen. Die PP unternahm vieles dagegen, doch vor allem reagierte sie mit Untätigkeit. Während ihrer Regierungszeit wurden keine Gelder für diesen Zweck zur Verfügung gestellt. Vox will das Gesetz zur Aufarbeitung der franquistischen Diktatur nun wieder abschaffen. Diktator Franco solle in seinem Mausoleum mit allen Ehren begraben bleiben, dort in Cuelgamuros bei Madrid, wohin Neonazis pilgern und Gottesdienste für seine Verdienste als Staatsmann gefeiert werden.
»Einheit Spaniens«
Der Parteimitbegründer Abascal war auch Vorsitzender der Stiftung »Fundación DENAES«. Ihr Ziel: »die Verteidigung der spanische Nation«. Das Konzept der Nation ist auch für Vox ein zentraler politischer Begriff. In der »Sommerschule« seiner Stiftung erklärte Abascal 2016, dass das spanische Volk »weder das Recht noch die Fähigkeit« habe zu entscheiden, »was die spanische Nation betrifft«. Wie kann man so aber eine politische Lösung in einem Konflikt, wie den um Katalonien, finden? Vox will die politische Macht in Madrid zentralisieren und die Regionalregierungen und Regionalparlamente abschaffen. Wenn sich Katalonien abspalten wolle, dann solle man nicht mit ihren Vertreter*innen reden, sondern sie verhaften und die spanische Nation verteidigen. Die Partei sammelte auch Geld, um als Nebenklägerin im Prozess gegen die nach dem Unabhängigkeitsreferendum von 2017 inhaftierten katalanischen Politiker*innen aufzutreten. Ihr Anwalt ist in dem Verfahren der Generalsekretär der Partei Francisco Javier Ortega Smith-Molina. Ihre Haltung im Konflikt um Katalonien ist ein zentraler Punkt, warum Vox in Spanien so schnell populär werden konnte.
Frauen an den Herd
Vox glaubt, dass eine »Gender-Diktatur« Spanien im Griff habe. Die Partei behauptet sogar, dass Männer durch Programme gegen machistische Gewalt diskriminiert würden und hat damit einen weitestgehenden Konsens in der Gesellschaft gebrochen, den in dieser Frage sogar die postfranquistische PP geteilt hatte. Vox hat nun in der Region Andalusien während der Regierungsbildung sogar gefordert, dass Hilfe für Opfer häuslicher Gewalt abgeschafft werden solle – in diesem Fall erfolglos, obwohl die PP und Ciudadanos auf ihre Stimmen angewiesen waren, um an der Regierung zu bleiben. Im Dezember 2018 hatte Vox überraschenderweise dort aus den Stand zwölf Abgeordnete in den Regionalwahlen in Andalusien gewonnen. Sie will zudem, dass Frauen nicht mehr entscheiden dürfen, ob sie ein Kind haben wollen oder nicht. Ebenso wie es die PP in der vorletzten Legislaturperiode versucht hatte, will auch Vox Abtreibung verbieten. Rechte der Frauen und der LGBT-Community hält Vox für überflüssig. Die Partei möchte die gleichgeschlechtliche Ehe abschaffen – und das, obwohl sie auf ihrer Liste mit José María Marco einen Kandidaten hatte, der homosexuell ist und die Heirat von Homosexuellen verteidigt. Doch für María Marco steht »die Existenz der spanischen Nation« im Vordergrund, die für ihn am besten durch Vox verteidigt werde, wie er der Tageszeitung »El Mundo« sagte.
»Der Islam ist nicht Teil Spaniens«
Vox ist stolz darauf, dass »Spanien das Land ist, das gegen den Islam gekämpft hat«, so sagte es der Kandidat Santiago Abascal mit Blick auf die Geschichte des Landes. Die Partei forderte daher eine neue »Reconquista« (Rückeroberung) Spaniens und Europas, verheddert sich dabei allerdings mit den Gesetzen. Ihr Generalsekretär Ortega Smith muss sich derzeit in Valencia vor Gericht wegen eines mutmaßlichen Hassdeliktes verantworten. Der Verein »Muslime gegen Islamophobie« hatte ihn angezeigt, weil er im September 2018 bei einer Wahlveranstaltung sagte: »Unser gemeinsamer Feind, der Feind Europas, der Feind der Freiheit, der Feind des Fortschritts, der Feind der Demokratie, der Feind der Familien, der Feind des Lebens, der Feind der Zukunft heißt islamistische Invasion – und wir müssen uns gegen sie vereinen!« Der Sprecher des Vereins, Ibrahim Miguel Ángel Pérez, erklärte, dass die Aussagen des Vox-Politikers gegen eine friedliche Koexistenz verstoßen. Allein in Andalusien, so behauptet Vox, hielten sich heute rund 50.000 illegale Migrant*innen auf, die die Partei sofort abschieben will. Und in Ceuta und Melilla, den zwei spanischen Exklaven im nordafrikanischen Marokko, will sie statt des bereits vorhandenen Zauns mit NATO-Draht eine Mauer bauen, um Geflüchtete abzuhalten.
Freiheit der Wirtschaft
Vox will zudem die Regeln zum Besitz von Waffen lockern sowie die Jagd und den Stierkampf mit öffentlichen Mitteln fördern. Damit spricht sie Milieus an, die in Spanien traditionell erzkonservativ sind. Auch die politischen Botschaften und Veranstaltungen der Partei wirken alt und ranzig. Bei Vox finden sich keine »identitären« Jugendlichen oder kulturelle Raffinesse, sondern eher Alpha-Männer mittleren Alters. »Neonazi-Hipster« sind in Spanien nicht bei Vox organisiert, sondern finden sich rund um die »Hogar Social«, nach dem Vorbild der italienischen »Casa Pound«, und ihren besetzten Häusern in Madrid, Toledo, Granada und Saragossa. Sie verteilen zum Beispiel Lebensmittel an Bedürftige mit spanischem Pass und kritisieren Vox wegen ihre liberalen Wirtschaftspolitik. Deren Generalsekretär Ortega Smith spricht dagegen gern über die »permanente Freiheit der Wirtschaft«. Seine Partei will Steuern senken, erklärt aber nicht, wie der Staat finanziert werden soll. Anders als andere Rechtsparteien in Europa kritisiert Vox nicht die gemeinsame europäische Währung und strebt daher keine nationale Währungssouveranität an.
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Gegen Geflüchtete
Offen spricht die neue spanische Rechtspartei darüber, wie sie die Menschen aus den Land bringen will, die neben der spanischen auch eine zweite Nationalität besitzen. Parteichef Abascal sagte beispielsweise, dass seine Partei »alles mögliche« tun werde, »um die Ausländer zu deportieren, selbst wenn sie die spanische Nationalität besitzen«. Da Vox nun nicht in die Regierung gelangt ist und diese Forderung umsetzen kann, wolle sie sich nun um strengere Voraussetzungen für Migrant*innen bemühen, die einen spanischen Pass beantragen wollen.
Nach den Wahlen Ende Mai 2019 sitzen nun drei Abgeordnete von Vox im Europäischen Parlament, die sich der Gruppe der »Europäischen Konservativen und Reformer« (EKR) angeschlossen haben. Das ist paradox, denn in derselben Gruppe sitzt auch die belgische, separatistische Partei »Nieuw-Vlaamse Alliantie«, die den früheren katalanischen Präsidenten Carles Puigdemont im Exil unterstützt hatte. In ihrem Programm versprach Vox mehr Geld für Rüstung sowie mehr militärische Auslandseinsätze der EU-Staaten, um »gegen die Jihadistische Bedrohung zu kämpfen«. Doch die wichtigsten Punkte im Europa-Programm von Vox sind »Migration« und »Asyl«. Die Partei spricht sich gegen Asyl-Quoten aus und fordert, »Zentren in Syrien und Lybien« für Geflüchtete zu bauen. Auch gegen die Bewegungsfreiheit von Asylbewerber*innen im europäischen Schengen-Raum will die Partei vorgehen.