Holocaustleugnung auf der Bühne

von Birgit Mair
Magazin »der rechte rand« Ausgabe 175 - November / Dezember 2018

#Antisemitismus

Aufmärsche der extremen Rechten in Chemnitz, bei denen der Hitlergruß gezeigt wird. RechtsRock-Konzerte, bei denen das Publikum unter »Heil«-Rufen den rechten Arm reckt. Nicht nur in der Anonymität des Internets bekennen sich Rechte zum Nationalsozialismus; die Hemmschwelle, das auch in der Öffentlichkeit mit Gesten und Worten zu machen, scheint zu sinken.

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Neonazis zeigen Solidarita?t mit Ursula Haverbeck, hier am 1. Mai 2018 in Erfurt © Kai Budler

Am 30. Juni 2018 versammelten sich Rechte in Nürnberg anlässlich der Inhaftierung von HolocaustleugnerInnen wie Horst Mahler sowie zuletzt Ursula Haverbeck und Gerhard Ittner unter dem Motto »Freiheit für alle politischen Gefangenen – Für die Abschaffung des Paragraphen 130 StGB (Volksverhetzung, Anm. d. Verf.)«. Deutlich mehr als zweihundert, weitgehend bürgerlich gekleidete Neonazis mittleren bis höheren Alters folgten dem Aufruf. Der Aufmarsch der Rechten war eine einzige nationalsozialistische Propaganda. Auf offener Bühne wurde der Holocaust geleugnet, für Hitlers »Mein Kampf« geworben und ein Hitlergruß gezeigt. Die Polizei vor Ort griff nicht ein, war an diesem Tag damit beschäftigt, den antifaschistischen Protest fernzuhalten. Im Nachgang war zu erfahren, dass laut Polizeipräsidium Mittelfranken »die rechtlichen Voraussetzungen für eine lückenlose und vollständige Dokumentation« der Neonazidemo nicht vorgelegen hätten. Somit musste auf »Aufzeichnungen von dritten Personen« zurückgegriffen werden, als klar wurde, dass die rechte Veranstaltung völlig aus dem Ruder gelaufen war.

Antisemiten und HolocaustleugnerInnen Horst Mahler, Ursula Haverbeck, Gerhard Ittner

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Der NPD-Rechtsanwalt Horst Mahler und Ursula Haverbeck-Wetzel vom neonazistischem Collegium Humanum in Vlotho. 2005 © Roland Geisheimer / attenzione

 

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Gerhard Ittner 2016 in Dresden © JFDA

Christlicher Antisemitismus
Christian Bärthel wütete auf der Zwischenkundgebung unter anderem mit Hilfe von eigens zusammengestellten Bibelzitaten gegen die »Synagoge des Satans«, die seine Gesinnungsfreunde ins Gefängnis bringe. Er sprach von »Juden, denen man das Maul stopfen muss«. Im Zusammenhang mit der Hinrichtung von Jesus von Nazareth deutete er den Begriff des Holocaust als Opferritual um und hetzte erneut gegen Jüdinnen und Juden. Der Tod Jesu sei verursacht »durch das Betreiben der Judenheit, die die Völker benutzten als Handlanger, wie sie es immer tun. Sie klagen an und andere müssen die Dreckarbeit machen«.

Holocaustleugnung und Hitler
Auf dem Willy-Brandt-Platz – passenderweise in der Nähe des ehemaligen NSDAP-Gauhauses – begeisterte Marianne W. aus dem oberfränkischen Schauenstein das rechte Publikum mit der Aussage, ein ihr bekannter Jude habe zugegeben, dass die Vergasung der Juden eine Lüge sei. »Dann habe ich ihn überrumpelt und hab gesagt: Die Vergasung der Juden ist eine Lüge und du weißt es und du bist beteiligt und dann war er perplex, aber nur für einen Moment, und hat gesagt: Ja, das stimmt.« Die »Gaswagen« habe es dagegen wirklich gegeben. Diese seien jedoch »von bolschewistisch-zionistischen Juden erfunden« und zur Bekämpfung von deren Gegnern verwendet worden. Anschließend lobte ein »Fabio« aus der Schweiz Hitlers antisemitische Hetzschrift »Mein Kampf«. Das Buch sei »die Vorlage für die Freiheit«. Die Deutschen hätten den »ersten Freiheitskampf eines Volkes gegen das Böse schlechthin« geführt. Sein Fazit: »Wir haben die Vorlage, wir müssen sie nur umsetzen.« Während die beiden vorgenannten RednerInnen namentlich nicht angekündigt waren, war der Auftritt des Deutsch-Kanadiers Alfred Schaefer bereits im Vorfeld bekannt gegeben worden. Dieser zeigte am Schluss seiner Rede auf offener Bühne den Hitlergruß. Auch als Redner dabei war der als »Der Volkslehrer« bekannte ehemalige Berliner Grundschullehrer Nikolai Nerling. Henry Hafenmeyer, der als langjähriger Begleiter von Ursula Haverbeck angekündigt wurde, verkehrte in seiner Rede das Täter-Opfer-Verhältnis, indem er jüdischen Menschen folgende Ideologie unterstellte: »Nur die Juden sind Menschen, die Nicht-Juden sind wie Vieh«.

Es gibt immer einen Grund nicht einzugreifen…
Nachdem das Kind in den Brunnen gefallen war und die Israelitische Kultusgemeinde Nürnberg sowie der Bayerische Landesverband Deutscher Sinti und Roma scharfe Kritik am Verhalten der städtischen Behörden und der Polizei geäußert hatten, ruderten diese nicht zurück, sondern verteidigten sogar noch ihre Vorgehensweise. Die antisemitische Eskalation und die relativ hohe Zahl der TeilnehmerInnen seien nicht vorhersehbar gewesen, die radikalsten Äußerungen erst kurz vor Veranstaltungsende gefallen.

In antifaschistischen Kreisen war bereits Wochen vorher bekannt, welche Szene sich hier versammeln würde. Dies wurde auch entsprechend veröffentlicht. In einer Mobilisierungsmail des »Nürnberger Bündnis Nazistopp« wenige Tage vor der Neonazidemo hieß es unter anderem: »Solche Gestalten haben in Nürnberg nichts zu suchen, also auf die Straße! Da die Leute aus dieser Szene fast schon zwanghaft Strafbares von sich geben, sind wir gespannt, ob die Behörden auch dementsprechend beobachten.«