Spanien

von Patrick Eser
Magazin »der rechte rand« Ausgabe 147 - März / April 2014

#Europa

Zwei neue Rechtsparteien treten zur Europawahl an. Die neue Konkurrenz sorgt für einen Rechtsruck der Konservativen.

Magazin der rechte rand

Anhängerin des faschistischen Diktators Franco in Madrid © Mark Mühlhaus / attenzione

Die Wirtschafts- und Finanzkrise hat fatale Auswirkungen auf Spanien. Doch im Gegensatz zu anderen südeuropäischen Ländern scheint in Spanien die extreme Rechte bislang nicht davon zu profitieren. Sie wird bei den Europawahlen kaum eine Rolle spielen. Die Voraussetzung dafür ist, dass die rechtskonservativ-liberale Volkspartei »Partido Popular« (PP) ein Spektrum abdeckt, das bis weit in die extreme Rechte reicht. Als Nachfolgerin der postfranquistischen »Alianza Popular« ist der PP noch stark mit den Überbleibseln des alten Regimes des faschistischen Diktators Francisco Franco verbunden. Der ideologische Dunstkreis rechts vom liberal- und rechtskonservativen Spektrum war stets Bestandteil der Partei, die sich gleichwohl in den letzten 20 Jahren deutlich modernisiert hat. Zwei bis zehn Prozent der Wahlbevölkerung Spaniens gelten als rechts bis extrem rechts – ein Potenzial, das laut den Zahlen des Forschungsinstituts »Centro de Investigaciones Sociológicas« der PP bislang bis zu 90 Prozent ausschöpfen konnte.

Reformulierung des Neofaschismus
Die Jahrzehnte währende Allianz zwischen der extremen Rechten und dem PP scheint jedoch brüchig zu werden, Reorganisationstendenzen am rechten Rand der Gesellschaft und des PP zeichnen sich ab. So ist das neue Bündnis »España en marcha« (»Spanien marschiert«) der Versuch, das in Kleinstorganisationen zersplitterte Milieu der extremen Rechten zu vereinen. An diesem Prozess sind zehn Organisationen beteiligt, unter anderem die »Democracia Nacional«, »La Falange«, »Movimiento Católico Español«, die neofaschistische »Alianza Nacional« und »Nudo Patriota Español«. Das Bündnis versucht erzkonservative, nationalkatholizistische Milieus und neofaschistische Organisationen, die eine Nähe zur gewaltbereiten Skinhead-Szene aufweisen, zusammenzubringen. »España en marcha« will die bürgerlich-demokratische Verfassung von 1978 und die dort implementierte föderale Struktur des Staates abschaffen, um einen Zentralstaat wiederherzustellen. Forderungen nach regionaler Unabhängigkeit werden als »staatsfeindlicher Terrorismus« behandelt, MigrantInnen sollen abgeschoben werden. Der zentrale kulturelle Bezugspunkt von »España en marcha« ist das Christentum, das die »Wurzel der traditionellen Werte der spanischen Gesellschaft« sei. Ein Recht auf Abtreibung sowie die Gleichstellung für Lesben und Schwule werden zurückgewiesen, die Homo-Ehe sei eine »Anomalie gegenüber der traditionellen Moral des spanischen Volkes«. Diese neue rechte Bündnisstruktur kann auf die Loyalität der Neonazi-Szene bauen, deren Potential auf 10.000 AktivistInnen geschätzt wird.

Rechtsabspaltung des PP
Anfang 2014 hat sich zudem eine Rechtsabspaltung vom PP vollzogen. Ehemalige Mitglieder gründeten die Partei »Vox« (»Die Stimme«). Ziel ist die Verteidigung der territorialen Einheit Spaniens, die politische Zentralisierung sowie die konsequente Bekämpfung separatistischer Tendenzen. Zudem kanalisiert »Vox« das Unbehagen des rechten Flügels und breiter Teile der Parteibasis über den Umgang der PP-Regierung mit dem baskischen Konflikt. Vor allem zwei Entscheidungen sorgten für Kritik: zum Einen die Entlassung von Häftlingen von »Euskadi Ta Askatasuna« (ETA) durch den Staat nach einem Urteil des EU-Menschengerichtshofs, zum Anderen der Wahlantritt der linken Unabhängigkeitsbewegung im Baskenland. Nach dem Gewaltverzicht der ETA zog das Argument nicht mehr, dass deren Kandidatur die Fortsetzung des Terrorismus mit anderen Mitteln sei. Die nunmehr starke Präsenz linksnationalistischer PolitikerInnen in den Kommunen und dem baskischen Regionalparlament stellt für den rechten Flügel des PP eine Provokation dar. Spaniens konservativer Ministerpräsident Mariano Rajoy (PP) hätte verhindern müssen, so der Vorwurf, dass die RepräsentantInnen der »izquierda abertzale« (»Abertzale Linke«), die teils auf bis zu 30 Prozent der Stimmen kamen, wieder in die Parlamente einziehen konnten.
Eines der Gründungsmitglieder von »Vox«, das langjährige PP-Mitglied Ortega Lara, war Ende der 1990er Jahre von der ETA entführt worden und setzt sich für einen unnachgiebigen Kampf gegen die ETA im sich abzeichnenden Friedensprozess ein. Mit Santiago Abascal Conde war ein weiteres ehemaliges PP-Mitglied an der Gründung von »Vox« beteiligt, und Ende Januar 2014 gab der Europarlamentarier und Vizepräsident des Europäischen Parlaments Alejandro Vidal-Quadras (PP) seinen Übertritt in die Partei bekannt. »Vox« gelingt es, sich als glaubwürdige Akteurin gegen den »Separatismus« darzustellen und mobilisiert die breite Unzufriedenheit mit der korrupten politischen Elite Spaniens. Kern der neuen rechtskonservativen Partei, die wirtschaftspolitisch einen ökonomischen Liberalismus vertritt, ist der Schutz der traditionellen Werte der spanischen Nation, so auch der Familie – eine zentrale Forderung ist die Abschaffung der Abtreibung.

Rechtsdrall
»Vox« wird, anders als »España en marcha«, der Sprung ins Europaparlament zugetraut. Sie verfügt über erfahrene und renommierte PolitikerInnen, professionelles Auftreten sowie gute Beziehungen zu den Medien. Die neuen Organisationen am rechten Rand üben schon jetzt Druck auf den PP aus, der aus Angst um den rechten Parteiflügel versucht, das rechte Milieu weiter an sich zu binden. So ist das neue Gesetz zur Verschärfung der Abtreibungsregelungen ein klares Zugeständnis an die Rechte. Wie weit nach rechts offen die Partei ist, zeigte sich auch, als der Julián Huete Cervigón, Lokalpolitiker des PP, Abtreibung mit der »Endlösung«, also dem Holocaust, verglich.