Die weitere Radikalisierung der AfD
von Kai Budler
Magazin "der rechte rand" Ausgabe 166 - Mai 2017
Der Parteitag der »Alternative für Deutschland« stellt die Weichen für eine weitere Radikalisierung der Partei. Aber auch die internen Machtkämpfe dürften weitergehen.
Die Bundesvorsitzende der »Alternative für Deutschland« (AfD), Frauke Petry, musste im April 2017 auf dem Bundesparteitag ihrer Partei in Köln eine empfindliche Niederlage einstecken. Am Ende hatte sie lediglich ein Drittel der Delegierten hinter sich und scheiterte mit den Richtlinien für eine »Realpolitik«, die sie der AfD verordnen wollte. Stattdessen verhielten sich die Delegierten so uneindeutig, wie man es von der AfD kennt. Indem sie sich weigerten, sich mit den Anträgen auf dem Parteitag überhaupt zu befassen, soll die Situation zumindest bis zur Bundestagswahl nicht weiter eskalieren. Petry wiederum macht das Fehlen einer Strategie für die »Zerwürfnisse« in ihrer Partei verantwortlich und kommentierte das neu gewählte Spitzenduo Alice Weidel und Alexander Gauland: »Solang die Partei nicht erkennen lässt, wohin sie tatsächlich gehen möchte, müssen Protagonisten diesen Wahlkampf anführen, die mit dieser Nicht-Entscheidung sehr viel besser leben können als ich das tue.« Tatsächlich wurde Petrys Vorstoß im Vorfeld des Bundesparteitages von den Delegierten als machttaktisches Manöver bewertet und abgestraft. Viel zu groß und offensichtlich ist ihr Spagat zwischen dem Vertreten radikaler Positionen und dem Kontern gegen VertreterInnen des völkischen Flügels wie Björn Höcke.
Höcke: nicht anwesend aber präsent
Der von seinem Landesverband als Delegierter bestimmte Thüringer Landesvorsitzende hatte im Maritim Hotel in Köln Hausverbot erhalten und blieb dem Parteitag fern. Doch trotz seiner Abwesenheit war Höcke beim Parteitag präsent. Er steht wie kein Anderer für die völkische Rechte in der Partei, gegen die auf dem Parteitag keine Beschlüsse durchsetzbar waren. Das musste auch Petry merken, die versuchte, sich mit ihrem »Sachantrag« für einen realpolitischen Kurs gegen Gauland, Höcke und Co. als vermeintlich liberale Person in der AfD zu profilieren. Vergessen scheinen ihre Ausfälle wie der Versuch, den Begriff »völkisch« wieder positiv zu besetzen. Doch ihre Vorstellung, die AfD auf Bundesebene in eine mögliche Koalition führen zu können, stieß auf dem Parteitag auf Ablehnung. Der vermeintliche Kampf gegen die »Altparteien« und das von ihnen vertretene Establishment gehört zum innerparteilichen Konsens und den Pfründen, mit denen die AfD wuchern kann. In dieses Bild passt keine AfD, die mit den so gescholtenen Parteien in einer Koalition gemeinsame Sache macht. In Köln wurde Petrys Kompetenz als Bundesvorsitzende demontiert, das neue Gesicht der AfD soll Alice Weidel sein, die nun mit Alexander Gauland, der grauen Eminenz der AfD, das Spitzenduo bildet. Rund zwei Drittel der Delegierten hatten sich dafür ausgesprochen. Weidel war 2013 in die AfD eingetreten, als sie noch als »Professorenpartei« unter Bernd Lucke galt. Als Petry den Vorsitzenden Lucke 2015 zu Fall gebracht hatte, blieb Weidel und gehört inzwischen dem Bundesvorstand an. Gerade erst in ihr neues Amt gewählt, ruft Weidel in den Saal des Kölner Parteitages: »Die politische Korrektheit gehört auf den Müllhaufen der Geschichte!« und erntet dafür donnernden Applaus. Sie steht für das, was in der AfD zählt: Patriotismus und Leistung. Widersprüche wie Weidels Homosexualität werden dabei ausgeblendet. Im Gegenteil, Weidels strikter Anti-Islam Kurs dürfte dadurch eine leicht zu instrumentalisierende – vermeintliche – Authentizität bekommen. Die Partei weiß auch, dass sie allein mit alten Männern wie Alexander Gauland nicht die gewünschten Erfolge haben kann.
Letzte Chance Bundesschiedsgericht
Einen kleinen Punktsieg konnte Petry bei der Wahl von vier neuen RichterInnen für das Bundesschiedsgericht der AfD verbuchen, denn jetzt ist das Schiedsgericht mehrheitlich mit AnhängerInnen des Petry-Lagers besetzt. Damit erscheint das von Petry forcierte Parteiausschlussverfahren für den thüringischen AfD-Landeschef wesentlich wahrscheinlicher als vor der Wahl der SchiedsrichterInnen. Dies gilt zumindest für den Fall, dass über den Ausschluss bis zum Herbst entschieden wird, denn dann wird das Gremium turnusgerecht neu gewählt. Das alte Schiedsgericht wurde dem völkischen Flügel zugerechnet und hatte der Bundesvorsitzenden einen schweren Schlag verpasst, als es beispielsweise die Auflösung des AfD-Landesverbandes Saar wegen Kontakten zur Neonazi-Szene wieder aufgehoben hatte. Die Wahl des Personals für die vakanten Stellen im Bundesschiedsgericht am zweiten Tag des Parteitages war jedoch eine taktische Abstimmung mit den Füßen, denn zum Zeitpunkt der Wahl hatten bereits über 100 Delegierte Köln verlassen. Die meisten Delegierten hingegen stellte der nordrhein-westfälische Landesverband unter Vorsitz von Petrys Ehemann Marcus Pretzell. In ihrem eigenen Bundesland blieben seine Delegierten bis zum Schluss und sorgten mit dafür, dass das Schiedsgericht nach den Vorstellungen von Petry und Pretzell besetzt wurde. Als neue BundesschiedsrichterInnen wurden Germut Bielitz, Ralf Bommermann, Knuth Meyer-Soltau und Monica-Ines Oppel gewählt. Sie komplettieren das neunköpfige Bundesschiedsgericht, dem Claus Schülke als Präsident und Thomas Seitz als Vizepräsident vorsitzen. Zu den Beisitzern zählen Helmut Alt, Eberhard Brett und Thomas Röckemann.
AfD & PEGIDA
Gegen Höcke stand bereits 2015 ein Parteiausschlussverfahren im Raum, das vom damaligen Pateivorsitzenden Bernd Lucke forciert worden war. Nachdem Petry den Bundesvorsitz übernommen hatte, wurde das Verfahren nicht weiter verfolgt. Andere Verfahren und Beschlüsse sollen offenbar einer »liberalen Fassade« der AfD dienen, werden aber immer wieder von den Schiedsgerichten kassiert. Ein Beispiel ist die Nähe der AfD zu PEGIDA. Im Mai 2016 hatte der AfD-Bundesvorstand entschieden, »dass AfD-Mitglieder weder als Redner, noch mit Parteisymbolen bei Pegida-Veranstaltungen auftreten sollen«. Abgelehnt wurden vom Vorstand auch Reden von PEGIDA-VertreterInnen und PEGIDA-Symbole bei AfD-Veranstaltungen. Schon zu diesem Zeitpunkt wurden solche Beschlüsse in den Landesverbänden nicht ernst genommen. Björn Höcke erklärte anschließend, »erfahrungsgemäß geht die Zeit über viele Parteibeschlüsse schnell hinweg. Es ist alles ins Rutschen gekommen«. Mit der Einladung von PEGIDA-Mitorganisator Siegfried Däbritz aus Dresden zu einer AfD-Kundgebung in Erfurt schuf der Thüringer Landesverband Fakten und setzte laut Höcke ein »wichtiges Signal«. Auch der Beschluss des sächsischen AfD-Landesvorstandes aus dem August 2016, »dass das Mitführen von AfD-Symbolen auf Pegida-Veranstaltungen durch AfD-Mitglieder als parteischädigendes Verhalten zu bewerten ist«, fiel bei der AfD im Freistaat nicht auf Zustimmung. Nach dem AfD-Landtagsabgeordneten und Bundessprecher der »Patriotischen Plattform« sei der Beschluss eher dem »Herzenswunsch« des ehemaligen Parteichefs Lucke gefolgt und habe dem Beschluss des Geistes »der AfD seit dem Essener Parteitag« widersprochen. Ohnehin wurden beide Entscheidungen im Nachhinein parteiintern gekippt: das Bundesschiedsgericht hob den Bundesvorstandsbeschluss im August 2016 auf, der sächsische Vorstandsbeschluss wurde vom Landesparteitag gekippt, der Landesvorstand bestätigte gegen seine Vorsitzende Petry wenig später die Entscheidung. In seiner Rede Mitte Januar im Dresdner Ballhaus bestätigte Höcke nun die Partnerschaft der AfD mit PEGIDA und erklärte: »Weil wir Patrioten dasselbe Leiden in den Knochen haben und weil wir derselben Sache dienen, möchte ich es hier nochmal in aller Öffentlichkeit und aller Deutlichkeit aussprechen: Ich persönlich, liebe Freunde, ich persönlich bin stolz auf das, was ihr in Dresden erreicht habt. Ihr Sachsen, ihr Dresdner, seid für uns Thüringer und für uns Erfurter das große, unerreichte Vorbild!« So wundert es nicht, dass der Thüringer Landesvorsitzende den rechtskräftig verurteilten PEGIDA-Gründer Lutz Bachmann auf einer AfD-Kundgebung am 1. Mai in Erfurt herzlich begrüßte und vom Podium Grußworte an eine PEGIDA-Delegation schickte. Die Landtagsabgeordnete der AfD, Corinna Herold, posierte mit dem als »Panzerknacker aus Dresden« bekannten Bachmann grinsend für ein gemeinsames Foto. Erfurt sei neben Dresden die Hauptstadt der »Mutbürger« in Deutschland »und darauf können wir stolz sein«, so Höcke. Auch in Sachsen soll der längst bekannte Schulterschluss mit PEGIDA offiziell vollzogen werden. Ausgerechnet für den 8. Mai, den Tag der Befreiung vom Nationalsozialismus, haben sowohl AfD als auch PEGIDA Veranstaltungen vor der Dresdner Frauenkirche angekündigt. Bereits in der Vorwoche versprach Egbert Ermer, Vorstandsmitglied des AfD-Kreisverbandes Sächsische Schweiz/Osterzbirge, »einen vielleicht historischen Tag«. Das Ziel der AfD, der Einzug in den Bundestag, könne nur gemeinsam mit AfD, PEGIDA und der »Identitären Bewegung« erreicht werden. Lutz Bachmann fügte hinzu: »Nur zusammen können wir es irgendwie schaffen.« Die jetzt offene Entwicklung richtet sich auch gegen Petry, die ausgerechnet im Kreis Sächsische Schweiz/Osterzbirge für ein Direktmandat für den Bundestag kandidiert. Kurz nachdem Medien über die Planungen berichteten, ruderte die AfD zurück, der Sprecher des Dresdner Kreisverbandes sprach von einer »eigenen Veranstaltung der AfD«, die zeitlich nach der PEGIDA-Anmeldung stattfinde. Die RednerInnen beider Lager ließen vor der Frauenkirche aber keine Zweifel daran, dass AfD und PEGIDA gemeinsam stehen. Die Partei hat offenbar keine Hemmungen mehr, sich auch offen zur neuen Heimat von Neonazis zu bekennen. Inhaltlich sind beide Organisationen bekanntermaßen nicht weit entfernt und der offizielle Schulterschluss dürfte bei der zunehmenden Radikalisierung der AfD nur eine Frage der Zeit sein. Im Vorfeld der Bundestagswahl dürfte auch das Auftreten der AfD und ihrer FunktionärInnen noch provokativer und radikaler ausfallen als es bislang schon der Fall ist. Bereits in ihrem Strategiepapier aus dem Dezember 2016 hieß es: »Niemand weiß mit Sicherheit, ob die heute für die Profilierung der AfD herausragenden Themen tatsächlich die Themen des Wahlkampfs 2017 sein werden. (…) Die AfD muss – selbstverständlich im Rahmen und unter Betonung der freiheitlich demokratischen Grundordnung unseres Landes – ganz bewusst und ganz gezielt immer wieder politisch inkorrekt sein, zu klaren Worten greifen und auch vor sorgfältig geplanten Provokationen nicht zurück schrecken.« Nur konsequent forderte Björn Höcke in seiner Rede zum AfD-Aufmarsch am 1. Mai in Erfurt einen »knallharten Anti-Establishment Wahlkampf«. Diese Vorgabe ist nur folgerichtig, denn die AfD »lebt von der Rhetorik des permanenten Ausnahmezustands«, wie es der Historiker Volker Weiß formuliert. Die ebenfalls für die AfD immanente Wagenburg-Mentalität wird mit der Abgrenzung zum vermeintlichen Establishment aufrechterhalten und ist für die AfD im Wechselspiel mit ihrem offen geäußerten Rassismus existenziell.