Bremen
von Clara Heinrich
Magazin »der rechte rand« - Ausgabe 160 - Mai 2016
Ihren Erfolg bei den Wahlen im Mai 2015 hat die »Alternative für Deutschland« in Bremen selbst zunichte gemacht. Austritte, Spaltungen und Streit schwächen den Verband bis heute.
Die Bremer »Alternative für Deutschland« (AfD) spielt im Vergleich der Landesparlamente eine Sonderrolle. Im Mai 2015 erreichte sie bei den Landtagswahlen 5,5 Prozent der Stimmen und vier Mandate (Christian Schäfer, Piet Leidreiter, Klaus Remkes und Alexander Tassis) in der Bremischen Bürgerschaft. Das Ergebnis reichte allerdings nicht für den finanziell wichtigen Status als Fraktion im Parlament – dafür sind in Bremen fünf Mandate notwendig. Die AfD-Gruppe in der Bürgerschaft zerbrach schon wenig später im Zuge der Auseinandersetzungen auf der Bundesebene der Partei zwischen Bernd Lucke und Frauke Petry beim außerordentlichen AfD-Bundesparteitag im Sommer 2015 in Essen. Während drei Bremer Bürgerschaftsabgeordnete zusammen mit Lucke vorzeitig abreisten, jubelte der vierte frenetisch der neuen Bundesvorsitzenden Petry zu. Heute bilden die Ex-AfDler Schäfer, der ehemalige Bundesschatzmeister Leidreiter und Remkes die parlamentarische Gruppe der Lucke-Splitterpartei »Allianz für Fortschritt und Aufbruch« (ALFA). Schäfer und Leidreiter gehören zur Bremischen Oberschicht. Sie haben über ihre berufliche Selbstständigkeit als Innenarchitekt für Jachten und als Steuerberater ein wirtschaftliches Interesse an politischer Anschlussfähigkeit. Beide distanzierten sich nach ihrem Übertritt zur ALFA öffentlich vom verschärften Rechtskurs der AfD.
Austritte und Streit
Einzig verbliebener AfD-Landtagsabgeordneter ist Alexander Tassis. Er war früher im Vorstand des Stadtverbandes der Bremer CDU und kokettiert mit seinem griechischen Migrationshintergrund und seiner Homosexualität. Tassis ist im Vorstand des »Bundesarbeitskreises Homosexuelle in der AfD«, Mitglied der Programmkommission und glühender Anhänger des thüringischen Partei- und Fraktionsvorsitzenden der AfD, Björn Höcke. In der Bremer Tageszeitung »Weserkurier« vom 6. März 2016 sprach er vor kurzem Syrern aus Aleppo den Flüchtlingsstatus ab und forderte die Ausweisung von Mitgliedern der Moscheen der »Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion e. V.«. Tassis tourt überregional durch die Kreisverbände der Partei und hält als studierter Historiker Vorträge – unter anderem zum »Wert der Deutschen Nation« oder »Wege aus der Asylkrise«. Ihm werden Ambitionen auf ein Bundestagsmandat nachgesagt. Zuletzt wurde ein größerer Konflikt zwischen Tassis und dem Bremer Landesvorsitzenden Frank Magnitz bekannt, bei dem es mehr um Posten und persönliche Loyalitäten als um inhaltliche Differenzen geht: Tassis versucht den Landesvorstand mit Vertrauten zu besetzen, bei einem Streit kam es nach Angaben der Tageszeitung »Weser-Kurier« zu Handgreiflichkeiten und gegenseitigen Strafanzeigen. Mittlerweile wurden die Verfahren eingestellt. Aktuell läuft ein Ausschlussverfahren des Landesvorstands gegen Tassis.
Am rechten Rand
AfD und ALFA sind im parlamentarischen Betrieb Bremens fast nicht wahrnehmbar. In zwölf Monaten haben beide zusammen nur einen einzigen Antrag gestellt. Die Sichtbarkeit der Gruppe ALFA besteht in gesponserter Werbung bei Facebook. Die Mitgliederbasis der Kleinstpartei dürfte auch in Bremen überschaubar sein. Neben AfD und ALFA gibt es in Bremerhaven mit den »Bürgern in Wut« (BIW) eine etablierte rechtspopulistische Kraft, die seit 2007 durchgehend im Landtag vertreten ist (2,7 Prozent in Bremen-Stadt, 6,5 Prozent in Bremerhaven / ein Mandat). Die BIW sind ein Spaltprodukt der früheren »Schillpartei«. Ihr Vorsitzender und Landtagsabgeordneter Jan Timke, ehemaliger Mitarbeiter des Bundeskriminalamtes, ist politisch zwischen Lucke und Petry anzusiedeln. Als der Kommunalpolitiker Fritjof Balz, bekannter Organisator einer rassistischen »Nein-zum-Heim-Initiative« in Bremen-Blumenthal, nach den Wahlen von der BIW zur AfD wechseln wollte, intervenierte der Bundesvorstand der AfD und verhinderte den Parteieintritt. Balz beklagte anschließend, dass die Parteigremien in Bremen an dieser Entscheidung nicht beteiligt gewesen seien. Ob beim Veto des Bundesvorstands die persönliche Nähe von Balz zum neonazistischen Bremer Hooligan-Milieu eine Rolle spielte, ist unklar. Allerdings dokumentieren Fotos seine Teilnahme an kleineren Aktionen des HoGeSa-Nachfolgers »Gemeinsam-Stark Deutschland«.
Heterogenes Personal
Die Bremer AfD hat nach eigenen Angaben gut 120 Mitglieder. In einigen Stadtteilen ist die AfD in den ehrenamtlichen Quartiersparlamenten (»Beiräte«) aktiv. Auffällig ist, dass die Partei quer durch Stadtteile, soziale Schichten und Altersgruppen WählerInnen mobilisieren konnte. Ähnlich heterogen wie die WählerInnenschaft sind auch die öffentlich auftretenden AfD-PolitikerInnen. In der subkulturell geprägten Neustadt vertritt zum Beispiel mit Jürgen Hauschild ein ehemaliger »ver.di«-Betriebsrat die AfD im Stadtteilbeirat, in Walle ist es mit Gerald Höns ein erklärter Fan von Nazibunkern, in Bremen-Vegesack erläuterte Ute Dopke die Gefahren von Chemtrails, und in Bremerhaven leugnet Thomas Jürgewitz den CO2-basierten Klimawandel und warnt angesichts drogenpolitischer Reformdebatten vor einem »Kifferstaat linker Gutmenschen«. Jürgewitz hofft aktuell auf ein anhängiges Verfahren beim Bremer Verfassungsgericht, mit dem er ein um wenige Stimmen verpasstes Landtagsmandat aufgrund angeblicher Auszählfehler im Nachhinein erstreiten will. Die Gründung eines Bremer Jugendverbands der AfD ist zwar seit längerem in Vorbereitung, allerdings noch nicht vollzogen.
Insgesamt ist die AfD in Bremen schlecht aufgestellt. Wahlkampfveranstaltungen wurden durch antifaschistische Interventionen immer wieder erheblich gestört und mussten teilweise sogar abgesagt werden. Im Januar 2015, also noch vor dem großen medialen Hype um die Rechtspartei, demonstrierten bis zu 10.000 Menschen in Bremen gegen den Bundesparteitag in der Stadt. Seitdem haben sich die politischen Kräfteverhältnisse nicht verändert.