Niedersachsen


Auf Bundesebene hatte der Verband einen geringen Einfluss auf die Parteipolitik. Dies änderte sich mit dem Bundesparteitag 2015 in Essen, als sich der national-konservative und reaktionäre Flügel gegen die wirtschaftsliberalen Kräfte um den ehemaligen Parteivorsitzenden Bernd Lucke durchsetzte. Funktionäre des Verbandes Niedersachsen haben maßgeblich am Machtwechsel innerhalb der AfD mitgewirkt. Mittlerweile ist der niedersächsische Landesverband mit zwei Mitgliedern im Bundesvorstand vertreten.

Mit Infoständen, Flyerverteilungen und der Nominierung von KandidatInnen bereiten sich die 29 Kreisverbände der »Alternative für Deutschland« (AfD) auf die Kommunalwahlen vor; und hoffen die Wahlerfolge auf kommunaler Ebene wie im benachbarten Hessen vom 6. März wiederholen zu können.

Verbindungen zur extremen Rechten

Am 9. April stellte der Kreisverband Gifhorn-Peine seine Kandidaten für die Kommunalwahl vor, die nun noch vom Kreisparteitag beschlossen werden müssen. Unter den Kandidaten befindet sich Andreas Tute, Vorsitzender der »Jungen Alternative« (JA) in Salzgitter. Er war zuvor bei der extrem rechten Partei »Pro Deutschland« aktiv. Des Weiteren besuchte Tute Veranstaltungen von »Pegida Hannover«. An deren »Abendspaziergängen« nahmen aktive Mitglieder der AfD teil, unter ihnen die Vorsitzende des Kreisverbandes Hildesheim, Alexandra Kriesinger. Sie unterzeichnete wie 28 weitere Amts- und MandatsträgerInnen aus Niedersachsen die »Erfurter Resolution«. In Göttingen hat Lars Steinke von der schlagenden Studentenverbindung »Burschenschaft Hannovera Göttingen« eine der wenigen Hochschulgruppen der »Jungen Alternativen« gegründet. Ende 2015 und Anfang 2016 trat Steinke , der auch Bezirksvorsitzender der JA Braunschweig ist, als Anmelder für das extrem rechte Netzwerk »Freundeskreis Thüringen/Niedersachsen« in Erscheinung. An den wöchentlichen Kundgebungen in Duderstadt nahmen zu Spitzenzeiten bis zu 120 Personen teil. Die TeilnehmerInnen rekrutierten sich vornehmlich aus der extremen Rechten.

Gender als Untergang der deutschen Kultur?

Nachdem die niedersächsische Landesregierung forderte, das Thema ‹sexuelle Identität› in den Lehrplan von Schulen zu integrieren, regte sich Protest aus konservativen Kreisen. Dieser fiel durch antifeministische, homophobe und reaktionäre Stimmungsmache auf. Im Zuge dessen wurde, in Zusammenarbeit mit den niedersächsischen Verbänden der AfD und JA, die antiemanzipatorische Dokumentation »Der Gender-Plan – Revolution durchs Klassenzimmer« produziert. In dem 45-minütigen Film erklären selbsternannte Experten das Thema Gender und schwadronieren von einer Verschwörung, bei der es um die Vernichtung jeglicher Kultur, durch sexuelle Umerziehung, geht. Auch der in dieser Dokumentation auftretende Armin-Paulus Hampel, Vorsitzender der AfD in Niedersachsen, sieht im »Gender-Mainstreaming« eine große Verschwörung: »Wer das Buch ‹1984› kennt, weiß, welche totalitären und entsetzlichen Ziele verfolgt werden, wenn sich Politiker an der Sprache vergreifen, wie bei der sog. Rechtschreibreform und dem gendergerechten Neusprech geschehen. Die Linken wissen genau, dass derjenige, der die gesellschaftliche Artikulation manipuliert, auch das Denken beherrscht.«, beschreibt er seine Ängste.

Armin-Paul Hampel

Armin-Paul Hampel

Armin-Paulus Hampel

Als Journalist war Armin-Paulus Hampel für die Privatsender SAT1 und RTL und für den öffentlich-rechtlichen MDR und später als Korrespondent für die ARD tätig. 1998 bekam er für seine »Reportage aus Afghanistan«, in der er über den dortigen Lebensalltag berichtete, die »Saure Gurke« verliehen, einen jährlich vergebenen Negativpreis des Medienfrauentreffens. Bis 2008 war er als Korrespondent für die ARD in Südostasien unterwegs. Seit der Gründung des Landesverbandes Ende 2013 ist Hampel dessen Vorsitzender. Bei der Europawahl 2014 kandidierte er auf Listenplatz 9 der Bundespartei. Seit dem Essener Parteitag ist er zusätzlich als Beisitzer im Vorstand der Bundespartei vertreten. Er tritt regelmäßig als Redner auf verschiedensten Veranstaltungen der AfD im gesamten Bundesgebiet auf. Im Gegensatz zur Parteivorsitzenden Frauke Petry, hat er keine Berührungsängste mit Björn Höcke und André Poggenburg, den führenden Köpfen des rechten Zweigs »Der Flügel« der Partei. Ein weiteres Steckenpferd von Armin-Paulus Hampel ist die Anfang März gegründete »Zentrale Erfassungsstelle Salzgitter« (ZESS). Sie soll die »Dokumentation von Straftaten und Diskriminierung gegen die AfD« ermöglichen. Das ist als Versuch zu werten, sich als Opfer einer angeblichen politischen Hetzkampagne zu stilisieren. Während die Partei aufgrund ihrer rassistischen und fremdenfeindlichen Rhetorik mitverantwortlich für die hetzerische Stimmung gegen Flüchtlinge ist, stellt die ZESS sich als das eigentliche Opfer der aktuellen politischen Verhältnisse dar. Selbst der »Bund deutscher Kriminalbeamter« bezeichnet die ZESS als »kompletten Unsinn«.

Ausblick auf die Kommunalwahlen

Nach den Wahlerfolgen in Sachsen-Anhalt, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz kann davon ausgegangen werden, dass die AfD in Niedersachsen gegenüber ihren bisherigen Wahlergebnissen stark zulegen wird. Wie bei den Wahlen im Frühjahr 2016 werden vermutlich vor allem bundespolitische Themen wie die Flüchtlings-Politik und der Anti-Islamkurs eine zentrale Rolle einnehmen. Somit sind trotz mangelnder kommunaler Themen hohe Ergebnisse vorstellbar. Der kommende Kommunalwahlkampf wird mit Sicherheit die rassistische Stimmung in Teilen der Gesellschaft weiter anheizen.