#Intro Ausgabe 214
Redaktion
Antifa-Magazin »der rechte rand« Ausgabe 214 - Mai | Juni 2025
Liebe Leser*innen,
am 8. Mai 1945 kapitulierte die deutsche Wehrmacht – bedingungslos. Der Zweite Weltkrieg war in Europa beendet. Am 2. September kapitulierte das Kaiserreich Japan. Der Zweite Weltkrieg war weltweit beendet. 80 Jahre später gibt es hierzulande etliche Gedenkveranstaltungen – offizielle und zivilgesellschaftliche. Neben der Trauer um die Opfer des Nationalsozialismus merken die meisten Organisationen und Teilnehmer*innen, dass sich etwas verändert. Acht Jahrzehnte nach der Befreiung der Konzentrationslager ist absehbar, dass künftig Gedenken ohne die Zeitzeug*innen stattfinden muss. Der Öffentlichkeit ist das am 9. Mai schlagartig bewusst geworden, als sich die Nachricht vom Tode Margot Friedländers verbreitete. Die gebürtige Berlinerin hatte das Konzentrationslager Theresienstadt überlebt und war nach der Befreiung in die USA emigriert. Seit 2010 lebte sie wieder in Berlin. Bei der Verleihung des Deutschen Filmpreises in Berlin hielt der Pianist Igor Levit eine spontane Rede zu Ehren der Verstorbenen, die sich bis zuletzt unermüdlich für Toleranz, Menschlichkeit und gegen Antisemitismus eingesetzt hatte. Das verbindet sie mit Helga Melmed, ebenfalls eine Überlebende der Shoah, die am 3. Mai bei der Gedenkveranstaltung in der KZ-Gedenkstätte Neuengamme deutliche Worte zur derzeitigen politischen Lage fand. Der Blick abseits der in langer Arbeit und gegen Widerstände erkämpften Gedenkkultur offenbart, dass Melmeds Befürchtungen real sind.

© Wikimedia / Scott-Hendryk Dillan
Bei den anhaltenden Versuchen, die Geschichte umzuschreiben, bekommen Neonazis Unterstützung. Es beteiligen sich nicht Tausende an ihren Aufmärschen und Versammlungen wie zum Beispiel am 8. Mai in Demmin. Die Zustimmung erfolgt subtiler, auch wenn die AfD-Parteiprominenz wie Alexander Gauland oder Björn Höcke die Richtung vorgegeben hat. Erinnert sei an die Bezeichnung der Zeit des Nationalsozialismus als »Vogelschiss« oder des Berliner Holocaust-Mahnmals als »Denkmal der Schande«. Einen Vorgeschmack auf die drohende 180-Grad-Wende gab es am 8. Mai von Laurens Nothdurft, AfD-Ortsbürgermeister und ehemaliger Führungskader der 2009 verbotenen Neonazigruppe »Heimattreue Deutsche Jugend«, auf dem Sowjetischen Ehrenfriedhof in Roßlau. Keine Erwähnung fanden in seiner offiziellen Gedenkrede die jüdischen Opfer und die Kriegsverbrechen der Deutschen. Auch im knapp 100 Kilometer entfernten Merseburg hat sich ein solches geschichtsrevisionistisches Gedenken normalisiert. Dort erhoben sich die Mitglieder des Kreistags Saalekreis auf einen kurzfristig eingebrachten Antrag der AfD zu einer Gedenkminute anlässlich des 8. Mai »unter Einbeziehung der Leiden des deutschen Volkes nach dem 8. Mai 1945« – Mitglieder der Fraktion Die Linke/Grüne hatten den Saal verlassen. Kein Wort zum Holocaust, kein Widerspruch gegen diese Aufrechnung von Leid gegen Leid, welche die nationalsozialistischen Verbrechen kleinredet und relativiert. Es ist zu befürchten, dass diese regionalen Angriffe auf die Erinnerungskultur nur der Beginn des von der alten und neuen Rechten herbeigesehnten erinnerungspolitischen Wandels sind.
Eure Redaktion